Der Braunkohleabbau im Rhein-Erft-Kreis ist in aller Munde.
Seit 1850 wurden die Gruben immer größer.
Doch was war entscheidend für die Modernisierung und Ausweitung der Braunkohleförderung?
Rhein-Erft-Kreis – Zuerst war da eine Kulturlandschaft, und nur wenige Bauern gruben im Nebenerwerb in kleinen Löchern nach Braunkohle. Ab 1850 aber wurden die Gruben größer, beeinträchtigten im Süden des heutigen Rhein-Erft-Kreises erstmals die Landschaft, und allmählich gingen mehr und mehr landwirtschaftliche Flächen und Wälder verloren, viele Ortschaften mussten umgesiedelt werden.
Alexander Kierdorf vom Verein Rheinische Industriekultur hat in einem Beitrag zur im November erschienenen Broschüre „Braunkohle im Rhein-Erft-Kreis“ die industrielle Geschichte der Braunkohlenutzung skizziert. „Entscheidend für die Modernisierung und Ausweitung der Braunkohleförderung im Rheinland war die als Zweite Industrielle Revolution bezeichnete Entstehung der Stromwirtschaft, aufbauend auf der von Edison und Siemens vorangetriebenen Nutzung der Elektrizität als neuem Energieträger“, schreibt Alexander Kierdorf. Ab 1910 sei der Wettlauf um Kraftwerksstandorte „auf der Kohle“ zur Versorgung benachbarter Ansiedlungen zwischen den genannten Firmen entstanden.
Motor des Wirtschaftswunders
Gleichzeitig seien Braunkohlenkraftwerke immer leistungsfähiger geworden. Die Kraftwerke Fortuna Bergheim (ab 1912 ) und das Goldenbergwerk in Hürth-Knapsack (ab 1914) listet Kierdorf als erste Beispiele auf. Die Elektrifizierung schuf gleichzeitig die Grundlage für die Ansiedlung der chemischen Industrie, die während des Ersten Weltkriegs unter anderem auch Treibstoff aus Braunkohle gewann. In den 1920er-Jahren machte der Ausbau landesweiter Stromnetze Fortschritte. Die Umspannanlage in Pulheim-Brauweiler, seit 1928 in Betrieb, war damals ein Meilenstein der Entwicklung.
Den endgültigen Durchbruch schaffte die Braunkohle als Brennstoff für die Stromerzeugung nach dem Zweiten Weltkrieg. Laut Kierdorf steht das Kraftwerk Frimmersdorf für Aufschwung und Wirtschaftswunder. 1926 erbaut, wurde es im Krieg schwer beschädigt und konnte erst 1946 wieder ans Netz gehen.
Kierdorf beschreibt auch die Kehrseite der Medaille: „Großtagebaue entstanden, die nicht nur jahrzehntelanger Vorplanung bedurften, sondern auch immer größere Eingriffe in die gewachsene historische Kulturlandschaft bedeuteten.“ Burgen, Schlösser, ganze Dörfer nebst Kirchen und Höfen, seien dem Tagebau zum Opfer gefallen. Vieles sei nicht einmal dokumentiert worden.
Wird es auch heute noch nicht. Udo Geilenbrügge, ein weiterer der insgesamt zehn Autoren der Broschüre „Braunkohle im Rhein-Erft-Kreis“, ist Leiter der Außenstelle Titz des Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland. Er schreibt, dass die Braunkohle auf absehbare Zeit noch gebraucht werde und deshalb weiterhin Kulturlandschaft beansprucht werde, was mit der Zerstörung von Bau- und Bodendenkmälern einhergehe. Nur „fünf Prozent der Verlustfläche“ könnten in der Regel archäologisch untersucht werden, schreibt Geilenbrügge.
Positive Forstbilanz
Nun betont RWE Power mit Recht, dass nicht nur Landschaft zerstört, sondern auch Agrar-, Wald- und Gewerbeflächen neu entstanden sind. So seien im Revier zwar etwa 8200 Hektar Wald gerodet, aber auch knapp 8500 Hektar wieder forstlich rekultiviert worden. „Die forstwirtschaftliche Bilanz ist positiv“, lautet die Zwischenbilanz des Konzerns.
Die ältesten Bäume seien inzwischen auch schon 80 Jahre alt, teilt die Pressestelle des Unternehmens auf Anfrage dieser Zeitung mit und verweist auf rekultivierte Flächen rund um die Stadt Brühl. Bislang seien im rheinischen Revier rund 60 Millionen Bäume gepflanzt worden. Allein auf der Sophienhöhe am Tagebau Hambach seien für die Zukunft weitere 1000 Hektar Wald geplant sowie eine gleich große Fläche an bewaldeten Seeböschungen.
Bei den landwirtschaftlichen Flächen sind demnach 21 400 Hektar vom Bergbau in Anspruch genommen worden, 12 400 Hektar sind inzwischen wieder für die Agrarwirtschaft nutzbar. Gewerbeflächen machen in der Rekultivierung etwa 300 Hektar aus.