„Fehler werden bei uns weggelächelt“So probt der Gebärdenchor aus Elsdorf
Elsdorf – Sie singen nicht und sind doch ein Chor. Der Gebärdenchor „Imagine“ unter Leitung von Rob Davis setzt populäre Songs durch einstudierte, aber dennoch hochemotionale Gesten und Mimik um.
Das Ziel ist schnell erklärt: Gebärdenlehrer Rob Davis erdenkt sich zu Songs die passenden Gebärden, die zur Musik aus der Konserve in synchroner Choreografie auf die Bühne gebracht werden.
Elsdorfer Chor sucht Songs gemeinsam aus
Der Weg dahin ist ungleich komplizierter. Gemeinsam und demokratisch suchen die etwa ein Dutzend Gebärdenchoristen die Songs aus. Davis setzt den Text in gebärdenunterstützende Kommunikation (GuK) um. Die GuK stützt sich auf Gesten, Mimik und stimmlose Sprechbewegungen. „Die saubere Gebärdensprache würde den Song kaputt machen“, begründet Davis die etwas freiere Ausdeutung. Seine Umsetzung wird gefilmt und mit dem Song samt Texteinblendung im Karaokestil unterlegt. So können die Sänger zu Hause üben, und Davis kann bei den Proben einheitliche Bewegungen dirigieren.
„Wir diskutieren zuvor die Bedeutung des Liedes, auch was der Song für jeden Einzelnen bedeutet. Das ist besonders wichtig“, sagt Davis. Frank etwa, der seit einem Schlaganfall im Rollstuhl sitzt und dessen linke Gesichtshälfte gelähmt war, hat mit Davis gemeinsam, dass beide Fans des FC Liverpool sind. Deren Stadionhymne „You Never Walk Alone“ hat der Chor einstudiert. Bei der Titelzeile stand Frank überraschend für alle aus seinem Rollstuhl auf. „Das hat uns tief beeindruckt“, sagt Davis. Auch von seiner Gesichtslähmung sei er, unter anderem durch das intensive Üben der Mimik, nahezu geheilt.
Chorleiter Davis: Mimik und Gestik sind wichtige Elemente
Der Lieblingssong des Ensembles, das vor zwei Jahren aus einer Gebärden-Theatergruppe hervorgegangen ist, ist das namensgebende „Imagine“ von John Lennon. „Stell dir vor“, das ist ein Grundelement des Chors. „Die Gesten und die genauso wichtige Mimik müssen aus dem Kopf und aus dem Herzen kommen“, fordert Davis unter den kritischen Augen von Labradoodle Bailee, der stets dabei ist und neugierig durch die zurzeit wegen der Pandemie nicht voll besetzten Stuhlreihen im wechselnden Probenlokal, meistens in Elsdorf, streift.
„Ich bin ein anderer Mensch als vorher“, sagt Birgit, die, wie alle anderen Sängerinnen und Sänger, nicht gehörlos ist. Einzig Davis ist seit 25 Jahren spätertaubt, wie es im Fachjargon heißt.
Chor gibt Konzerte über Grenzen des Rhein-Erft-Kreises hinaus
„Die Sprache ist einfach schön“, findet Birgit. Seit einem Jahr bringt sie ihre jetzt 90-jährige Mutter mit zur Probe. „Das macht Spaß und hält Kopf und Seele wach“, ist deren Erfahrung nach den ersten ungewohnten Schritten zur Beherrschung der Gebärden. „Und auch die Zuhörer haben immer Freude daran, Gebärden zu lernen“, zeigt Sonja eine weitere Botschaft auf. Bei Konzerten weit über die Kreisgrenzen hinaus wird das Publikum gelegentlich zum Mitgestikulieren animiert. „Das Publikum fiebert mit und traut sich nach kurzer Zeit, die Hürde zu überwinden“, hat Marion beobachtet.
Gaby, die als Erzieherin in einer Kita arbeitet, hat nebenbei eine „Alternative zum Reden auch für Kinder, die schwerhörig sind“ für sich entdeckt.
Gebärdenchor Elsdorf: Fehler sind kein Problem
Allen Mitgliedern ist das Zwischenmenschliche wichtig. „Fehler sind kein Problem, die werden bei uns weggelächelt“, sagt Birgit. Und jeder dürfe seine Sicht zur Interpretation beisteuern.
Und auch der Chef der Gruppe ist begeistert: „Ich habe durch den Chor, in dem jeder sein Päckchen zu tragen hat, viel gelernt, wie ich mit dem Leben umgehen kann.“
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Der Gebärdenchor probt freitags ab 18 Uhr. Neue Mitglieder, die sich auf den ungewöhnlichen Weg einlassen wollen, sind willkommen. Kürzlich stand ein kleines Konzert an Silvester im Seniorenheim An Gut Ohndorf im Kalender. Da wurde dann auch „In unserem Veedel“ vorgetragen. „Der Chor ist ein bisschen unser Veedel, in dem wir alle uns zu Hause fühlen“, sagt Rob Davis.