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MythosHeppendorfer Heimathistoriker erklärt die „Rauhnächte“

Lesezeit 3 Minuten
Fratz vor historischen Fotografien.

Heimathistoriker Dietmar Kinder erzählt auch in einem seiner Bücher von den Rauhnächten.

Die zwölf Rauhnächte zwischen Weihnachten und Drei Könige haben so manche Bedeutung. Sie verweisen auf die wilde Jagd der bösen Himmelsgeister. Zum Beispiel.

In unseren Breitengraden sind die Rauhnächte fast in Vergessenheit geraten. Im Süddeutschen kennt man die mythischen zwölf Tage um den Jahreswechsel noch besser.

Als Rauhnächte – heute, mehrere Rechtschreibreformen später, würde man Raunächte schreiben – gelten die zwölf Tage zwischen Weihnachten und Drei Könige (6. Januar). „Die wilde Jagd ist die Bezeichnung für einen einst in vielen Teilen Europas verbreiteten Volksglauben, der sich auf eine Horde von übernatürlichen Jägern bezieht, die über den nächtlichen Himmel jagen“, sagt der Heppendorfer Heimathistoriker und frühere Bergheimer Stadtarchivar Dietmar Kinder.

Schauermärchen wurde von Heppendorfer Landwirt weitererzählt

Man fürchtete sich auch hierzulande, wenn in den Rauhnächten das sturmgepeitschte, wütend Heer unter dem obersten Germanengott Odin (oder Wotan) auf seinem wilden achtbeinigen Pferd durch die schwarzen Wolken ritt. Denn der Geisterzug rast mit einem fürchterlichen Gerassel unter Schreien, Johlen, Heulen, Jammern, Ächzen und Stöhnen durch die Lüfte. „Im Gefolge befinden sich die armen Seelen derjenigen, die zu Lebzeiten schwere Schuld auf sich luden und die nun als Wiedergänger im Sturmgeheul um Erlösung jammernd, über das winterliche Land brausen“, erzählt Kinder.

Das über Generationen weitergetragene Schauermärchen habe ihm sein Großvater Gerhard Hensen, der in Heppendorf Landwirtschaft betrieb, erzählt. „Er hatte die Kunde von seinem Vater, und der wiederum von seinem, und so fort.“ An langen kalten Winterabenden, wenn das Vieh gut versorgt war und drinnen das knisternde Herdfeuer einen Lichtschein in die joot Stuff (die gute Stube) warf, wurden mangels Fernseher und Playstation Geschichten wie diese erzählt.

Heppendorfer beobachtete Wetter an diesen entscheidenden Tagen

„Man hängte in den zwölf Rauhnächten keine Wäsche heraus, denn darin könnte sich ja so eine arme Seele verfangen und dann jemanden aus der Familie mitnehmen. Denn in den Rauhnächten stehen die Tore zur Anderswelt offen“, erläutert Kinder.

Die Rauhnächte dienten der Landbevölkerung auch dazu, das Wetter des kommenden Jahres auch ohne Meteorologiestudium halbwegs verlässlich vorherzusehen. „Mein Großvater hat stets an diesen zwölf Tagen genau das Wetter beobachtet, um auf das Wettergeschehen des kommenden Jahres zu schließen“, erinnert sich Kinder.

Jeder Tag stand laut Bauernregel für die Niederschlagsneigung – nicht die Temperaturen – eines Monats. Das Wetter des 25. Dezember war demnach entsprechend dem Januar, der 26. Dezember verwies auf den Februar, und so weiter bis zum 6. Januar, an dem das Dezemberwetter abgelesen wurde.

„Den Kindern wurde zudem weisgemacht, dass in der Heiligen Nacht die Tiere in den Ställen um Mitternacht sprechen können“, erzählt Kinder schmunzelnd. Und er erinnert daran, dass in der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber in der Wolfsschluchtszene bei der Segnung der Freikugeln die Mächte der Hölle beschworen werden, damit die siebte, die Teufelskugel, nicht den Falschen treffe.

Name könnte auch vom Beweihräuchern der Nutztiere kommen

Im Western-Song „Ghost Riders in the Sky“, 1978 durch Coverversionen von Johnny Cash und den Blues Brothers berühmt geworden, wird der Mythos von der „Wilden Jagd“ sogar ins nordamerikanische Cowboy-Milieu versetzt. Altkalendarisch füllten die zwölf rauen Nächte (bei elf Tagen) die Differenz zwischen den zwölf Mondphasen, die 354 Tage zählen, und dem Sonnenjahr mit 365 Tagen. Geglättet wurden die „toten Tage“ im Julianischen und im ausgehenden 16. Jahrhundert noch präziser im Gregorianischen Kalender, indem sie auf das Jahr verteilt an einige Monate angehängt wurden.

Die Herkunft des Wortes erscheint simpel: Der raue Winter beherrscht besonders die Nächte nach der Wintersonnenwende. Aber auch die Fellgewänder (Rauchware/Rauhware) der Dämonen oder das tägliche Beweihräuchern der Nutztiere im Stall während der knapp zwei Wochen können als Namensgeber der Rauhnächte herhalten.

Die Wetterprognose hat auch wegen des Klimawandels wohl ihre Präzision eingebüßt, und die wilde Himmelshorde hat längst für meteorologische Deutung das Feld geräumt. Aber etwas ist an den Bauernregeln wohl immer dran, wenn man in der Natur zu lesen weiß.