Keine Warteschleife mehrErftstädter will Patienten und Ärzten das Leben erleichtern
Erftstadt/Berlin – Ein Computer als Gesprächspartner am Telefon? Die meisten Leute haben da schlechte Erfahrungen gemacht. Eine blecherne Stimme, die auffordert, die Eins zu drücken, auf dass man ewig in der Warteschleife hängt, oder – noch schlimmer – die hartnäckig nach dem Passwort fragt, obwohl man schon dreimal gesagt hat, dass man ja gerade anrufe, weil man es vergessen habe. Auch Richard von Schaewen erinnert sich an solche Gespräche. Der 30-Jährige ist einer der Gründer von Aaron.ai. Das Start-up entwickelt von künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerte Telefonassistenten – das Ende der Blechstimmen und Warteschleifen.
Zunächst sei die KI in den Hotlines von Unternehmen wie den Berliner Verkehrsbetrieben oder Eon eingesetzt worden, erzählt von Schaewen beim Spaziergang durch die Ville. 2018 habe das Unternehmen ein Produkt für Arztpraxen auf den Markt gebracht. Mittlerweile nutzten mehr als 1000 Arztpraxen „Aaron – Smarter Telefonassistent“.
5,2 Millionen Patienten-Anrufe werden täglich nicht angenommen
Er soll vor allem die Sprechstundenhilfen entlasten. „Jeden Tag laufen in Deutschland 5,2 Millionen Anrufe von Patienten ins Nichts“, sagt der Unternehmer. „Mitarbeiter fühlen sich am Telefon überlastet.“ Aaron soll ihnen Arbeit abnehmen. Wer beispielsweise nur ein Wiederholungsrezept braucht oder einen Termin vereinbaren will, kann das im Gespräch mit der künstlichen Intelligenz tun.
Und was ist mit Senioren, für die das Gespräch mit der vertrauten Stimme der Sprechstundenhilfe ein wichtiger sozialer Kontakt ist? „Kein Problem“, versichert Richard von Schaewen. Der Telefonassistent springe nur ein, wenn der Mensch überlastet sei.
Aaron.ai soll jetzt auch Gesundheitsämtern in Corona-Krise helfen
Das Echo sei bisher durch die Bank positiv, nicht nur von den Sprechstundenhilfen, auch von den Patienten, sagt von Schaewen. Viele Praxen hätten dem „neuen Mitarbeiter“ einen Namen gegeben. KI soll nun auch den Gesundheitsämtern durch die Corona-Krise helfen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stöhnen seit Monaten unter den Anforderungen, in vielen Kreisen sind Bundeswehrsoldaten eingesprungen, um die Masse an Anrufen zu bewältigen. Dennoch seien gerade zu Beginn der Pandemie viele Anrufe unbeantwortet geblieben, damit seien wichtige Informationen verloren gegangen.
Das Unternehmen Aaron.ai
Richard von Schaewen hat 2009 am Liblarer Ville-Gymnasium Abitur gemacht. Musikfreunde erinnern sich vielleicht an erfolgreiche Auftritte beim Wettbewerb Jugend musiziert. Er hat in Mannheim und Nizza Betriebswirtschaft studiert und in Rotterdam seinen Master gemacht. Seit 2013 lebt er in Berlin.
Mit Iwan Lappo-Danilewski und Tobias Wagenführer hat er 2015 das Unternehmen Aaron.ai gegründet. Das Unternehmen hat 25 Mitarbeiter und sucht zehn weitere. Aaron.ai ist einer von zehn Gewinnern des Wettbewerbs „KBV-Zukunftspraxis“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Benannt ist es nach der biblischen Figur Aaron. Der sprach für seinen Bruder Moses, weil der stotterte. Die Gründer hatten nach einem Namen gesucht, der Sicherheit vermittelt und persönlich wirkt. In Berlin haben sie Passanten gefragt – Aaron schnitt am besten ab. (uj)
Das soll der Coronavirus-Hotline-Assistent, kurz CovBot, verhindern. Aaron.ai ist damit Teil eines Forschungsprojekt des Bundesgesundheitsministeriums, das im Juni gestartet ist. Wissenschaftlich begleitet wird es vom Institute for Public Health (IPH) an der Berliner Charité.
CovBot soll dafür sorgen, dass jeder Anruf beim Gesundheitsamt angenommen wird. Die künstliche Intelligenz soll in der Lage sein, Fragen zu verstehen und zu beantworten. Wenn die Antwort nicht ausreicht, um das Anliegen zu klären, wird der Anrufer an einen Gesprächspartner weitergeleitet. Wobei der Sprachassistent nicht vorgibt, ein Mensch zu sein: Es soll dem Anrufer durchaus klar sein, dass er einen elektronischen Gesprächspartner hat.
Praxen und Mitarbeiter haben Bedenken wegen Aaron.ai
Bedenken, dass irgendwo in dem großen Rechner die Informationen gespeichert würden und letztlich in falsche Hände geraten könnten, kennt Richard von Schaewen. „Datensicherheit ist bei uns ein ganz großes Thema“, sagt er.
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Die Server des Unternehmens stünden in Deutschland. Arztpraxen hätten angefragt, ob sie nicht eigene Rechner dafür nutzen könnten. Aber: „Die Sicherungsmaßnahmen bei den Servern, die wir nutzen, gehen weit über das hinaus, was eine einzelne Praxis leisten kann.“
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Auch die Angst, dass die künstliche Intelligenz Arbeitsplätze vernichtet und echte Mitarbeiter überflüssig macht, versteht von Schaewen. Aber er sieht das anders: „Der elektronische Kollege verschafft den Menschen Zeit für die wirklich wichtigen Arbeiten.“