Nur noch Briefe für JubilareErftstädter Ortsbürgermeister sind sauer auf die Stadt
Erftstadt – Mit einem Mal soll eine liebgewordene Tradition in Erftstadt abgeschafft werden. Bis auf Weiteres sind Besuche von Ehe- und Altersjubilaren durch die Bürgermeisterin, ihren Stellvertretungen sowie den Ortsbürgermeistern ausgesetzt.
„Auf den persönlichen Austausch mit den Jubilaren zu verzichten, fällt sehr schwer, aber die Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus sowie die Sicherheit und Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger haben oberste Priorität“, heißt es in einer Pressemitteilung, die von der Stadt vor einigen Tagen veröffentlicht wurde. Den Alters- und Ehejubilaren werde weiterhin schriftlich gratuliert, Urkunden postalisch zugestellt.
Erftstadt: Ortsbürgermeister erfahren aus der Zeitung von Plänen der Stadt
Diese Entscheidung findet jedoch keineswegs nur Zustimmung. Einige Ortsbürgermeister schütteln den Kopf, können die Entscheidung im Rathaus nicht nachvollziehen. Gerade viele der Ehrenbeamten übernehmen bis dato viele Gratulationstermine. Wilfried Esser etwa. Der Ortsbürgermeister von Dirmerzheim findet deutliche Worte: „Die Jubilare sind doch froh über etwas Abwechslung. Sie freuen sich, wenn jemand gratulieren kommt.“
Dies lasse sich durchaus coronakonform machen. Die Weinflasche und ein Blumenstrauß würden vor die Türe gelegt und am Hauseingang mit dem erforderlichen Mindestabstand ein paar nette Worte gewechselt. „Vielleicht soll durch die neue Regelung ja Geld eingespart werden“, mutmaßt Esser. Esser, wie auch Amtskollegen sind überdies erstaunt, aus der Zeitung über die neue Regelung erfahren zu haben.
Frank Jüssen: „Durch Corona geschaffene Distanz ist schlimm genug“
Die Bürger zu besuchen, Kontakt zu halten, sei nicht nur eine nette Geste. „Die Menschen zu würdigen, den Zusammenhalt im Ort zu festigen ist sogar meine Pflicht“, betont Esser. Seine Bliesheimer Amtskollege Frank Jüssen ist ebenfalls erbost. „Wenn Entscheidungen getroffen werden, dann bitte nicht über die Köpfe der Ortsbürgermeister hinweg“, fordert Jüssen. Er sehe sich nach wie vor dazu verpflichtet, Bürger zu besuchen. „Die Leute blühen dann regelrecht auf. Die durch Corona ohnehin geschaffene Distanz und Vereinsamung der Menschen ist schon schlimm genug.“
Da die Ehrenbeamten von der Stadt keine Namenslisten der Jubilare mehr erhalten, verlassen sie sich auf Mund-zu-Mund-Propaganda, wer im Ort ein Jubiläum oder jenseits der 90 Jahre Geburtstag hat. Hans Koch, Ortsbürgermeister von Lechenich, wird ebenfalls weiterhin gratulieren. Und sollte der Jubilar in einem Heim wohnen, lasse sich das Präsent ja auch beim Empfang abgeben. „Wo ein Wille, ist ein Weg“, sagt Koch.
Erftstadt: Nicht alle Ortsbürgermeister sind einer Meinung
Zwiegespalten bei der Frage persönlicher Besuche zeigt sich Axel Erhard, Ortsbürgermeister in Liblar, dem größten Stadtteil. Neben dem Beruf ehrenamtlich auch alle Jubilare zu besuchen, bedürfe großen organisatorischen Aufwands und koste auch viel Zeit. Ob in Zeiten der Pandemie dann lieber auf Besuche zu verzichten und der Gesundheitsvorsorge oberste Priorität einzuräumen, sei doch zumindest diskussionswürdig.
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Auch Alfred Zimmermann betont, dass die Gesundheit eine wichtige Rolle in der Diskussion spiele. Zimmermann (69) ist Ortsbürgermeister von Köttingen und mit über 40 Amtsjahren der dienstälteste.
Er plädiert für eine pragmatische Lösung. Zimmermann erkundigt sich im Vorfeld, ob die Leute einen Besuch wünschten. „Und wenn ich schon nicht im Auftrag der Stadt den Besuch abstatte, komme ich eben als Privatmann zu den Bürgern. Schön wäre gewesen, wenn die Ehrenbeamten im Vorfeld in die Entscheidung der Stadt eingebunden gewesen wären. So, wie das aber nun abgelaufen ist, war das nicht gerade die feine Art.“