FlutprotokolleDas Awo-Seniorenheim in Erftstadt-Lechenich erlebte dramatische Stunden
Erftstadt-Lechenich – Schwere Schäden hatte die Flutkatastrophe auch im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt am Ortsrand von Lechenich angerichtet. Dort sind Handwerker noch immer dabei, große Mengen an Bauschutt aus den Kellerbereichen auf Schuttcontainer zu befördern.
Die kompletten Interviews finden Sie als Video hier.
Geschäftsführer Wolfgang Schilling: Arbeiten dauern noch Monate
„Morgens um vier Uhr bin ich als Geschäftsführer der Einrichtung angerufen und informiert worden, dass das Wasser des Mühlenbachs übergetreten und dann in die Keller gelaufen ist. Der Gutachter sprach von über vier Millionen Euro Gesamtschaden, weil die gesamte Technik hier im Untergeschoss war, wie auch die Verwaltung, die Brandmeldeanlage, Stromversorgung. Wir hoffen, dass im ersten Quartal 2022 das Erdgeschoss wieder bewohnt werden kann. Von 84 Plätzen können derzeit nur 67 belegt werden.
Christiane Schlösser: „Es gab Angst, dass mal ein Bewohner kollabiert“
Die Evakuierung war schon ein sehr bewegendes Ereignis. Viele Bewohner waren mitten in der Nacht ja auch sehr müde, mussten auch warten. Hinzu kam die Besorgnis, dass sie adäquat versorgt werden mit Essen, Getränken und Medikamenten. Es gab schon Angst, dass mal ein Bewohner kollabiert. Durch den super Zusammenhalt der Kollegen hat alles wunderbar funktioniert. Als die Kollegen mit den Bewohnern nach drei Wochen zurück ins Haus durften, waren alle froh, sich wohlbehalten wiederzusehen.
Tanja Gietzen: „Leute wohnen noch immer im Wohnwagen“
Ich bin total stolz auf die Leute, die so viel mitgeholfen haben. Das schönste war, als die Bewohner wieder zurückgekommen sind und gesagt haben »Ich bin wieder Zuhause«. Das war für uns zugleich das schönste Lob, dass die Arbeit und Mühe sich bezahlt gemacht haben.
Angebote finden jetzt auf den verschiedenen Etagen statt und die Leute freuen sich einfach, dass sie wieder zusammen waren. Ich war in der Flutnacht in Ahrem. Als ich von den Geschehnissen in Lechenich gehört habe, bin ich sofort hingefahren. Meine podologische Praxis im Untergeschoss war komplett zerstört. Auch Ahrem hat es hart getroffen, 90 Prozent des Ortes war von der Flut betroffen. Dort gab es einen großen Zusammenhalt, darum sieht es im Ort von außen gesehen auch schon wieder sehr gut aus. Aber die ganzen Häuser, die Keller und Erdgeschosse sind schon noch sehr stark betroffen. Es gibt Leute, die ausziehen mussten und noch immer im Wohnwagen leben.
Dirk Schöneberg: „Einige Tage später waren hier über hundert Freiwillige“
Wir haben im Seniorenzentrum drei Tage lang Wasser herausgepumpt . Über ein soziales Netzwerk wurde ein Aufruf gestartet, dass freiwillige Helfer gesucht werden. Einige Tage später waren hier über hundert Freiwillige, die den ganzen Keller geleert haben, innerhalb eines Tages. Nachbarn, Bekannte, Freunde – jeder hat geholfen.
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Ich wohne auch in Ahrem und musste auch meinen eigenen Keller retten. Die Freiwilligen Helfer für das Seniorenzentrum kamen aus ganz Erftstadt. Wir hatten sogar den 1. FC-Köln-Fanclub „Wilde Horde“ hier, auch Fußballvereine kamen. Wir hatten so viele Helfer, dass wir einige als Helfer ins geflutete Krankenhaus nach Frauenthal geschickt haben.
Sibille Zerlett: „Ich hatte einen Zuckerschock“
Die Flutnacht war schlimm, weil wir nachts aus den Betten geholt wurden. Und beim Transport wussten wir ja erst mal gar nicht, wohin es geht und was nun mit uns geschieht. Ich selber hatte einen Zuckerschock. Wir konnten froh sein, dass wir eine Bleibe fanden und unterkamen in anderen Heimen. Aber wir waren dann auch froh, dass wir wieder ins Seniorenzentrum zurückkehren konnten. Wir Bewohner sprachen noch oft mit Freunden und Bekannten darüber, was wir erlebt hatten. Jetzt muss hier erst mal wieder alles richtig laufen. Nach und nach kommt aber wieder alles in die gewohnten Bahnen.
Erwin Spriewald: „Wir müssen unser Verhalten ändern“
Ich hatte die Flutmassen vom Balkon aus herannahen und sich ausbreiten sehen können. Die Hilfe im Haus war sehr gut organisiert. Wenn ich an die Wassermassen denke, ist die Macht der Natur schon gewaltig. Der Mensch muss sich der Natur anpassen. Es geht darum, die Natur zu verstehen. Ich bin in ihr viele Jahre groß geworden. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, dass die Natur leben kann. Wir müssen unser Verhalten ändern, das Leben bewusster führen.