Vor 25 Jahren gründeten Geflüchtete aus Sri Lanka eine tamilische Schule, die heute die Räume einer Realschule in Erftstadt nutzt.
25 Jahre EhrenamtEin Tag in einer tamilischen Sprachschule in Erftstadt
Als in den 1980er-Jahren ein Bürgerkrieg in Sri Lanka ausbrach, mussten viele Tamilen ihre Heimat verlassen. Einige von ihnen haben in Erftstadt ein neues Zuhause gefunden. Um ihrer Nachfolgegeneration den Kontakt zu ihren Wurzeln zu ermöglichen, haben sie dort eine Sprachschule etabliert, die vor kurzem ihr 25-jähriges Jubiläum feierte.
Die „Thamilalayam Erftstadt“ bietet jeden Freitag von 16 bis 20 Uhr in den Räumen der Gottfried-Kinkel-Realschule ein zusätzliches Bildungsangebot für tamilische Schülerinnen und Schüler. Das ist dank ehrenamtlicher Lehrkräfte wie Arun Paramathas möglich. Der 2007 in Deutschland geborene Psychologiestudent hat selbst den Abschluss an der tamilischen Schule gemacht. Er durfte die vier neuen Erstklässler Dharun, Arunija, Melvin und Yasmihaa bei ihrer Einschulung begrüßen.
Die Tamilen in Erftstadt legen Wert auf Integration
Bevor es in die Klassen ging, stellten sich die Schülerinnen und Schüler auf dem Schulhof in drei Reihen auf. Sie alle trugen Schuluniformen: weiße Hemden mit schwarzen Krawatten und schwarze Hosen. Zu Anfang gab es eine Gedenkminute für die Widerstandskämpfer, die im Bürgerkrieg gefallen sind. Dann sangen sie gemeinsam zwei Lieder. Und zuletzt fragte Arun Paramathas die Schülerinnen und Schüler, ob sie eine der 1300 Weisheiten aus dem Tirukkural benennen können, einem wichtigen Lehrgedicht für die tamilische Kultur. Die Schülerinnen und Schüler antworteten dann „Man soll Vater und Mutter ehren“ oder „Man soll Freude daran haben, Gutes zu tun.“ Wo sie die Aphorismen nur auf Deutsch aufsagten, wiederholte der Lehrer sie nochmal auf Tamilisch und umgekehrt.
Mit diesen Ritualen und den Unterrichtsinhalten vermittelt die Schule Werte, die mit ihrer Fluchtgeschichte und den hinduistischen Wurzeln ihrer Kultur verbunden sind. Einige der Tamilen tragen auch Armbänder, die sie von hindu-tamilischen Tempeln in Hamm oder Stuttgart haben. „Wir sind froh, in einem Land zu leben, in dem wir unsere Kultur ausleben dürfen“, sagt Arun Paramathas. Gleichzeitig sei Integration in Deutschland auch ein hohes Gut. „Wir gehen mit der Gesellschaft und mit der Zeit.“
Es gibt in Deutschland 107 tamilische Schulen
Als der Unterricht begann, verteilten sich die 20 Schülerinnen und Schüler auf mehrere Räume und setzen sich zu zweit, zu dritt, höchstens zu fünft an die Tische, jeweils begleitet von einem der elf ehrenamtlichen Lehrkräfte. Das ergibt einen Betreuungsschlüssel, der eine gezielte Förderung möglich macht. Die vier Erstklässler lernten anhand eines bebilderten Lernbuchs ein paar Vokabeln, während einige Tische weiter ältere Schülerinnen und Schüler einen längeren Text abwechselnd laut vorlasen, um danach Fragen dazu zu beantworten.
Auch die eigene Fluchtgeschichte, Geografie, Musik und Religion sind Teil des Lehrplans. Die Tamilen haben auch ihren eigenen Shakespeare: So sehr englische Schüler über den Barden klagen, bereitet auch die klassische Sprache der Dichterin Avvayiar tamilischen Jugendlichen gewisse Schwierigkeiten. Dass sie den Stoff trotzdem beherrschen, müssen sie in Halb- und Endjahresprüfungen zeigen. Und wenn sie nach 12 Jahren ihren Abschluss bekommen, treten manche von ihnen vielleicht auch in die Fußstapfen ihrer Lehrer.
Insgesamt gibt es in Deutschland 107 tamilische Schulen. Etwa 1200 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten dort 5200 Schüler. Die Schulen haben mit der Tamilischen Bildungsvereinigung eine zentrale Anlaufstelle in Stuttgart, die unter anderem Lernmaterialien bereitstellt. Veranstaltungen wie Sportwettbewerbe führen gelegentlich die Schulen zusammen, damit sie sich austauschen können. Auch die Bildungsvereinigung trägt sich über ehrenamtliches Engagement. Um die Kosten zu decken, werden pro Schulkind sieben Euro fällig, von denen vier Euro an den tamilischen Bildungsverein gehen.