Nur acht Prozent der Beschäftigten in Kitas sind Männer. Leon König ist einer davon. Warum er diesen Beruf gewählt hat.
„Jeder Tag ist anders“Was ein Erzieher an seiner Arbeit in einer Erftstädter Kita liebt
Fachkräftemangel beschäftigt Kitas im ganzen Rhein-Erft-Kreis. Was manche Menschen vom Erzieherberuf abhält, warum er selbst ihn aber liebt, sagt Leon König im Gespräch. Der 24-jährige Erzieher aus Frechen betreut in einem Waldkindergarten in Erftstadt derzeit 32 Jungen und Mädchen im Alter von zwei bis sechs Jahren.
Der Männeranteil in Kitas liegt laut statistischem Bundesamt unter acht Prozent. Sie sind also ein Exot. Wie kam Ihre Berufswahl zustande?
Leon König: Durch meine Mutter, die mit einer Freundin eine Tagespflege hatte, und durch ein Schulpraktikum in einer Einrichtung in Habbelrath wusste sich schon mit 14, 15 Jahren: Das ist es, was ich machen will. Auch, wenn Kollegen mich vorgewarnt haben, was das Finanzielle während der Ausbildung angeht. Ich mag es, dass hier jeder Tag anders ist, weil einfach die Kinder jeden Tag anders sind. Teilweise muss man kreativ sein, muss Aufgaben mit einem Spiel entwickeln. Aber auch das funktioniert dann nicht bei jedem Kind gleich. Nicht einmal beim selben Kind funktionieren jeden Tag die Dinge gleich! Das ist die Herausforderung, die mir gefällt.
Nennen Sie doch mal ein Beispiel für so eine Herausforderung.
(Lacht) Ein Kind dazu zu bringen, die Schuhe anzuziehen. Man braucht dafür manchmal unglaubliche Geduld. Ich habe schon 15 Minuten gewartet, bis ein Kind damit fertig war. Aber dann war es stolz und hat gesagt: „Ich habe mir alleine die Schuhe angezogen!“ Das macht unseren Beruf aus: Wir fördern die Entwicklung der Kinder.
Wie gelingt es Ihnen, diese Geduld aufzubringen?
Mit Kindern fällt mir Geduld viel leichter als mit Erwachsenen. Entscheidend ist außerdem eine gute Kollegenschaft. Es ist ein Teil unserer Kompetenz, die eigenen Grenzen zu kennen. Kinder merken, wenn man über die eigenen Grenzen hinweg weitermacht. Manche Kinder nutzen das sogar für sich aus und machen erst recht ihr eigenes Ding. Deswegen ist Vertrauen wichtig. Wenn man merkt, dass eine Situation einen überfordert, muss man abgeben und sagen: „Könntest du das vielleicht mal machen?“
Welche Rückmeldung haben Sie bekommen, als Sie planten, Erzieher zu werden?
Manche Freunde waren anfangs skeptisch. Viele sind auch verwundert, weil es echt wenige Männer in diesem Bereich gibt. Von meinen Freunden ging einer Richtung Medien, ein anderer zum Finanzamt. Aber größtenteils war das Feedback positiv. Von den Älteren finden viele eher toll, dass ein Mann so etwas macht.
Werden Sie als Mann von Kindern und Eltern in der Kita anders wahrgenommen als Ihre Kolleginnen?
Man sticht als Mann ein bisschen raus und ist anfangs sehr interessant für die Kinder, weil sonst eher Frauen im Kindergarten sind. Manche Kinder wachsen hauptsächlich mit der Mutter auf, weil der Vater viel arbeitet. In solchen Konstellationen dauert der Beziehungsaufbau für mich als Mann auch schon mal länger. Aber es gehört zu unserem Beruf, eine positive Bindung zu den Kindern aufzubauen. Irgendwann fangen die Kinder an, einem zu vertrauen. Insgesamt habe ich bis jetzt immer nur positive Reaktionen erlebt.
Empfinden Sie, dass Ihr Beruf soziale Anerkennung bekommt?
Das ist gemischt. Es gibt die, die unsere Arbeit positiv sehen, und die, die sagen: „Erzieher sitzen faul da und trinken Kaffee.“ Mein Vater, der Lagerist ist, meinte einmal: „Das kann ja nicht so anstrengend sein.“ Aber meine Mutter und ich sagten: „Doch, das ist anstrengend – nicht unbedingt körperlich, aber psychisch.“
Sie sagen, vor der finanziellen Situation in der Ausbildung seien Sie gewarnt worden. Zu Recht?
Ich habe zwei Jahre lang eine Ausbildung zum Kinderpfleger gemacht, um praktische Stunden zu sammeln, die ich für die Erzieherausbildung brauchte. Im Anschluss kam die Erzieherausbildung. Insgesamt dauerte das sechs Jahre, von denen nur die letzten zwei Jahre bezahlt waren, und das mit 70 Prozent des normalen Gehaltes. Ich habe deswegen in den ersten Jahren noch bei meinen Eltern gewohnt. Das ging, aber ich denke, es wäre schon ein Anspruch, dass die Ausbildung von Anfang an bezahlt wäre, weil das Leute dazu holt, die vorher schon ein Einkommen hatten. Für die ist es ansonsten ein Cut, plötzlich verdienen sie nichts mehr – oder müssen sich neben der Ausbildung noch einen Nebenjob suchen, was hart ist.
Haben Sie sich angesichts der zahlreichen Missbrauchsskandale der vergangenen Jahre schon einmal Sorgen gemacht, dass man Ihnen mit entsprechendem Misstrauen begegnen könnte?
Ich glaube, solche Vorurteile richten sich eher gegen Ältere. Ob ich in 20 Jahren noch in diesem Beruf bin, weiß ich deswegen nicht. Ich habe mit meiner Ausbildung ein Fachabitur gemacht und plane, mich über ein Fernstudium weiterzubilden. Dann hat man die Chance, zum Jugendamt zu gehen oder die Leitung einer Kita zu übernehmen. Ich habe dazu noch nichts entschieden.
Worauf führen Sie die aktuelle Personalnot in den Kitas zurück?
Wenn man sagt, dass man Erzieher ist, hört man von vielen: „Das könnte ich nicht.“ Viele stellen es sich anstrengend vor, den ganzen Tag mit Kindern zu arbeiten. Oder sie sagen: „Und dann das Geschrei!“ Klar, es gibt Momente, wo es laut ist, und Spiele, die lauter sind als andere. Aber es kommt auf einen selbst an, wie man das handhabt. Irgendwann überhört man es. Und es gibt auch Situationen, die sind einfach leise, wo die Kinder gerne zuhören.
Wie kann man Menschen für den Erzieherberuf begeistern?
Ich glaube, das ist eine Sache, die man ausprobieren muss. Man ist gern Erzieher, wenn man das Potenzial darin sieht: Was ich mache, ist wichtig für die Kinder. Im Kindergarten geht es nicht nur ums Betreuen, sondern darum, Menschen zu bilden. Es ist eher eine Berufung als ein Beruf.
Könnte ein Pflichtjahr helfen, damit Menschen diese Erfahrung machen und sich für die Erzieherausbildung entscheiden?
Schwierige Frage. Auf den ersten Blick ist das ein Vorteil; es bringt eine Masse an Leuten in die Einrichtungen. Ein weiterer Vorteil ist, dass manche auch ihre Leidenschaft für den Beruf finden, die sie ohne ein Pflichtjahr vielleicht nicht entdeckt hätten. Ein Pflichtjahr könnte den Alltag der Fachkräfte aber auch erschweren. Die müssen sich dann, zusätzlich zu den Kindern, auch noch um Jugendliche oder junge Erwachsene kümmern, die vielleicht nicht einmal motiviert sind. Als Erzieher bin ich ein Freund davon, vor einer weitreichenden Entscheidung kleinere Projekte umzusetzen, sie umfassend zu evaluieren, etwa mit Zufriedenheitsberichten, und dann zu schauen, wie es geklappt hat.