Gymnicher RittSegen für Tausende Gläubige auf dem Reitplatz
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Erftstadt-Gymnich – Schweigend verfolgt am Himmelfahrtstag eine kleine Gruppe Menschen am Feldweg kurz vor dem Ortseingang von Gymnich den Vorbeizug von 320 Fußpilgern. Sie beten den Rosenkranz. Dann ziehen die Reiter vorbei, angeführt von den Sebastianus-Schützen hoch zu Roß, mit flatternden historischen Standarten und Kutschen als Schlusslichter.
Nach Gottesdiensten am Morgen sind Fußpilger und Reiter zur mehr als zwölf Kilometer langen Prozession über die Felder rund um Gymnich gestartet. Als Generationen übergreifende Familientradition begreifen den Ritt viele, so wie Großvater Matthias Mager, Sohn Ralf und die Enkelkinder Robin und René.
Zehn Jahre lang sei er selbst mitgegangen, sagt Peter Werres aus Merzenich unter den Zuschauern auf dem Feld, jetzt mit 83 Jahren sei er wenigstens im Auto zusammen mit seiner Frau hergekommen. Der Gymnicher Ritt ziehe ihn seit seiner Jugend an, damals habe ihn ein Freund mit einem Fähnchen von der Prozession neugierig gemacht. Das war Anlass für eine Fahrradtour zu Christi Himmelfahrt nach Gymnich.Auch Thomas Glasmacher, der in Gymnich aufgewachsen ist und seine Frau Heike sind auf der Hauptstraße unterwegs. Die Sage des Ritters Arnold I. von Gymnich, der bei einem Kreuzzug im Nildelta mitsamt Pferd im Sumpf zu versinken drohte, sei ihm seit Grundschulzeiten ein Begriff.
Ein Mosaik in der Aula der Grundschule zeige heute noch den Moment, als ein aufgescheuchter Vogel dem Ritter das Leben rettet, weil sein scheuendes Pferd doch noch festen Grund unter den Hufen fand. Das Gelübde Arnolds, zum Dank jährlich zu Christi Himmelfahrt einen Ausritt durch seine Gemarkung zu unternehmen, gelte ja als Ursprung des Brauches. Mittlerweile kursiere auch eine „weltliche Version“. Danach gehe der Gymnicher Ritt auf die jährliche Ausfahrt des Schlossherren zur Überprüfung der bestellten Felder in seiner Gemarkung zurück, berichtet sagt Glasmacher.
Die geistliche Version finde er aber allemal schöner.Einmal im Jahr sei das ganze Dorf in Aufruhr, schwärmt Heike Glasmacher, jeder wisse, was zu tun sei, Pferde wie Menschen seien geschmückt, und selbst die Kelly Family, die früher auf dem Schloss wohnte, habe mitgespielt, als es darum ging, die Schlossstandarte an die Sebastianer zu übergeben. Diesen Part übernimmt diesmal der neue Schlossbesitzer Gerd Overlack.
Schützen bringen Kreuzpartikel
Freilich seien die Kreuzpartikel nicht mehr wie früher in der Schlosskapelle untergebracht, sondern sie kämen als Leihgabe aus dem Kölner Generalvikariat, berichtet Joachim Axer, der die Organisation der Prozession übernommen hat. Von den Kunibertus-Schützen nimmt Pfarrer Joseph Pikos die Kreuzpartikel entgegen, die er während der Prozession den Menschen am Straßenrand zeigt. Die Reliquie in der rechten Hand zieht der Pfarrer am Mittag, ebenfalls auf dem Rücken eines Pferdes, zum Rittplatz für den Schlusssegen.
Auf einige Tausend Menschen schätzt Annette Mandt, Leiterin des Erftstädter Rechts- und Ordnungsamtes, die Zahl derer, die den Schlusssegen miterlebten. Die Schützen der Sebastiaus- und die Kunibertusschützen stehen mit ihren Pferden Spalier für die Geistlichen auf dem Weg zum erhöhten Rittaltar. Schützen aus Lechenich, Friesheim und Wissersheim sowie der Reiterverein Gymnich sind zur Verstärkung gekommen. Außerdem hat sich die Kolpingfamilie versammelt, alle Priester aus Erftstadt und Kommunionskinder und Ritter vom Heiligen Grab.
Der ehemalige evangelische Pfarrer Erich Becker erbittet beim ökumenischen Abschluss den Segen Gottes für Menschen, die Gesundheit der Tiere und eine gute Ernte. Den „Segen verbunden mit dem Heilsein und dem Gelingen“ stellt der evangelische Geistliche einer Mentalität von „Auge um Auge“ entgegen und bezieht es auf unseren Umgang mit denen, die hierzulande Schutz suchen. Bei den Pilgern, die zu Fuß unterwegs waren, ist Ingeborg Claßen gerührt, den Glauben mit anderen zu teilen.
Das kenne sie aus ihrer Heimatstadt Erkelenz so nicht, das erlebe sie erst in der Erzdiözese Köln. Eine andere Pilgerin ist erleichtert, Befürchtungen, angesichts der Zuschauer sich in der religiösen Versenkung gestört zu fühlen, hätten sich nicht bestätigt. Geholfen habe das Beten des Rosenkranzes. Wieder einmal zu erleben, „dass wir in Köln katholisch sind“, dafür sei er hergekommen, sagt Günter Dresen aus Hürth. Ein anschließender Rundgang über den Jahrmarkt runde den Ausflug ab. Mehr als 100 Händler haben auf der Haupt- und in Seitenstraßen ihre Stände aufgeschlagen.