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ExpertenurteilEigenheim im Rhein-Erft-Kreis nur für „Verdiener-Elite“

Lesezeit 3 Minuten
Auf dem Foto ist ein Neubauprojet in Hürth-Hermülheim zu sehen. Das Haus ist noch eingerüstet.

Da geht noch was: Neubauten zwischen Am Lintacker und An der Herrenmühle in Hürth-Hermülheim.

Inflation, hohe Zinsen, Verunsicherung und gestiegene Baulandpreise und hohe Baukosten bremsen Kaufwillige aus.

Nur noch eine „Verdiener-Elite“ kann sich aktuell den Kauf eines Eigenheims leisten. Ein Nettoeinkommen von mindestens 5500 Euro im Monat ist nach Angaben des Pestel-Instituts aus Hannover für eine solide Finanzierung erforderlich, um sich ein neues Reihenhaus mit knapp 100 Quadratmetern im Rhein-Erft-Kreis leisten zu können. Das gilt aber auch nur für den- oder diejenigen, die über Eigenkapital von mindestens 43 000 Euro verfügen. „Wirklich viele sind das nicht“, sagt Ökonom Matthias Günther.

Er empfindet diese Entwicklung als misslich, sei doch das Reihenhaus grundsätzlich eine attraktive Variante fürs Wohnen im Eigentum: „Es punktet bei den Baukosten. Außerdem ist das Verhältnis von der Wohnfläche zur Grundstücksgröße erheblich besser als beim frei stehenden Einfamilienhaus.“

Institut aus Hannover berät Verbände, Kommunen und Unternehmen

In seinen Berechnungen zum Wohneigentum im Rhein-Erft-Kreis hat das Pestel-Institut die Zinsen, die lokalen Baulandpreise sowie die aktuellen Baukosten als entscheidende Faktoren herangezogen.

Das Pestel-Institut ist ein Forschungsinstitut und Dienstleister für Kommunen, Unternehmen und Verbände. Seit 40 Jahren liefert es Recherchen, Analysen, Befragungen und Modellrechnungen.

Inflation, hohe Zinsen und gestiegene Baukosten bremsen die Entwicklung aus

Wer nicht über das erforderliche Eigenkapital verfügt und nicht zu der vom Pestel-Institut so formulierten „Verdiener-Elite“ gehört, sei beim Erwerb von Wohneigentum auf den Staat angewiesen. Das betreffe Familien genauso wie Partnerschaften, Singles oder Wohngemeinschaften, „die sich die eigenen vier Wände bauen und darin wohnen wollen“, sagt Günther, Leiter des Pestel-Instituts. Er spricht sich in der Untersuchung deshalb für ein „Bundes-Baustartkapital“ aus.

Der aktuelle Befund: Inflation, hohe Zinsen, Verunsicherung und gestiegene Baulandpreise und hohe Baukosten sind nur einige der Gründe für die rückläufige Entwicklung auf dem Bausektor. Wie das Forschungsinstitut aus Hannover ermittelt hat, gab es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres im gesamten Rhein-Erft-Kreis lediglich 89 Baugenehmigungen für neue Ein- und Zweifamilienhäuser. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 228. „Damit ist der Eigenheimbau innerhalb von nur einem Jahr um 61 Prozent zurückgegangen“, sagt Günther.

Der Leiter des Pestel-Instituts sieht „das Wohneigentum weiter auf der Rutschbahn“. Um eine Kehrtwende zu erreichen, müsse der Staat dringend ein effizienteres Wohneigentumsprogramm auf die Beine stellen. Bleibe dies aus, ändere sich auch das Klima im Bausektor nicht. Schon jetzt –und dies ist für eine eher kleinstädtisch und bisweilen ländlich geprägte Region untypisch – beträgt die Wohneigentumsquote im Rhein-Erft-Kreis 51,9 Prozent.

Katharina Metzger vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Untersuchung des Wohnungsmarktes in Auftrag gegeben hat, schlägt Alarm: „Der Traum vom eigenen Haus, von der eigenen Wohnung – er platzt gerade in Serie. Wenn es um das Anschaffen von Wohneigentum geht, ist auch der Rhein-Erft-Kreis quasi in eine Schockstarre verfallen.“ Immer weniger Menschen könnten sich die eigenen vier Wände heute noch leisten.