„Jede Geburt verläuft anders“So schön und schwierig ist der Alltag einer Hebamme
Frechen – „Es ist nicht egal, wie wir geboren werden“, dieser Satz des französischen Frauenarztes Michel Ident hat die Hebamme Alexandra Kirch geprägt. Sie fügt hinzu: „Und es ist auch nicht egal, wie wir gebären“.
Es ist 10 Uhr, Alexandra Kirch tritt etwas müde ihre Schicht im Frechener St.-Katharinen-Hospital an. Auf der Geburtshilfe-Station herrscht heitere Gelassenheit. Beide Kreißsäle sind leer. Neun Neugeborene in den Zimmern ihrer Mütter machen sich abwechselnd lautstark bemerkbar, Geschwisterkinder spielen in den Gängen, eine Mutter stillt ihr Baby.
Alexandra Kirch war die Nacht zuvor bei einem außerplanmäßigen Kaiserschnitt dabei. Nun hat sie Zeit, sich um die Neugeborenen und ihre Mütter zu kümmern, „Wochenbettbetreuung“ sagt sie lächelnd und schlüpft in ihre brombeerfarbene Arbeitskleidung. „Wir nennen es gebärmutterfarben, das soll die Neugeborenen beruhigen“, erklärt die 45 Jahre alte Hebamme.
„Ich bin immer wieder fasziniert von meinem Beruf, auch nach 21 Jahren“
Im Wartezimmer sitzt Leona Schreinemachers. Das Baby der jungen Pulheimerin soll in zwei Tagen auf die Welt kommen, jetzt leidet die junge Frau unter Rückenschmerzen. „Ich kann kaum noch laufen“, klagt sie. Es gibt eine sanfte Akupunktur in Rücken und Zeh und eine Untersuchung des Muttermundes. Kirch zeigt der werdenden Mutter, wie sie ihr Kind im Bauch erfühlen kann. „Spüren Sie, wie es strampelt? Es freut sich über die Berührung“, sagt die Hebamme. Auch die werdende Mutter freut sich. Es ist alles in Ordnung, sie darf wieder nach Hause.
„Ich bin immer wieder fasziniert von meinem Beruf, auch nach 21 Jahren“, sagt Alexandra Kirch. „Jede Geburt ist ein Wunder. Aber auch eine Wundertüte, denn jede Geburt verläuft anders. Aber immer ist es eine der prägendsten Erfahrungen im Leben einer Frau und wahrscheinlich auch des Kindes“. Daher ärgert es sie, dass die Fallpauschale, die Krankenkassen für eine Geburt zahlt, der einer 20-minütigen Blinddarmoperation entspricht.
Teure Haftpflichtversicherung für die Beleghebammen
„Eine Geburt kann sich viele Stunden lang hinziehen, wir müssen, auch wenn alles nach Plan verläuft, alle Geräte und den OP bereitstellen, das rechnet sich für die kleinen Krankenhäuser kaum“. In Frechen werden etwa 500 Kinder im Jahr geboren, Tendenz leicht steigend. „Wir sehen unsere Geburtshilfestation als Imagegewinn für unser Krankenhaus“, sagt Kirch. „Die Geburt ist die einzige Situation, in der man gesund ins Krankenhaus kommt. Wenn die Frauen sich wohlfühlen, werden sie, wenn sie krank sind, wiederkommen“.
Mit neun Kolleginnen arbeitet Kirch als Beleghebamme. Das sind solche, die nicht fest angestellt sind und auch Vor- und Nachsorgetermine zu Hause anbieten. Abgerechnet wird mit den Krankenkassen der Frauen. „Ich muss auch die hohe Haftpflichtversicherung von rund 7000 Euro jährlich aus eigener Tasche zahlen. Die Krankenkasse zahlt zwar einen Teil dazu, aber das rechnet sich nur, weil ich Vollzeit arbeite“, sagt Kirch. „Wir Hebammen versuchen auch, immer nur eine Gebärende zu betreuen. Das klappt hier in Frechen meistens ganz gut“.
Der Beruf der Hebamme ist schon 5000 Jahre alt
Bei der Geburt des kleinen Leon Leona hat es geklappt. Er ist der ganze Stolz seiner Eltern Elena Friede und Marcel Hille aus Bergheim-Oberaußem. Kirch gibt der Mutter Stilltipps und untersucht Leon Lenox, der sie aufmerksam beobachtet. „Das sind wundervolle Momente, die mir immer wieder Kraft geben. Wir feiern hier fast jeden Tag Geburtstag, wer hat das schon in seinem Job.“
Und sie hat eine Botschaft an werdende Mütter: „Eine Geburt ist keine Krankheit, sondern das Natürlichste auf der Welt. Vertrauen Sie auf ihre Intuition, die Hebamme unterstützt Sie dabei“, sagt sie. Der Beruf der Hebamme ist einer der ältesten der Welt, die ersten soll es vor 5000 Jahren gegeben haben. Heute ist im Kreißsaal mindestens eine Hebamme Vorschrift, ein Arzt nicht. Er kommt nur beratend und bei Komplikationen hinzu.
Alexandra Kirchs Schicht ist zu Ende. Es war einer der ruhigeren Tage im St.-Katharinen-Hospital.
Geburten im Rhein-Erft-Kreis
3900 Kinder kamen im Rhein-Erft-Kreis 2016 zur Welt, 25 bis 30 Prozent davon per Kaiserschnitt. Rund drei Prozentwaren Hausgeburten.
Im Kreis gibt es drei Kliniken, in denen entbunden werden kann: das Marienhospital in Brühl, das St. Katharinen-Hospital in Frechen und das Maria-Hilf-Krankenhaus in Bergheim.