Der geständige 44-Jährige schilderte vor Gericht die Tat, ihre Vorgeschichte und was er den drei Kindern erzählte.
„Ich habe eure Mama umgebracht“Ukrainerin Olesia S. in Frechen getötet – Angeklagter äußert sich

Der 44-jährige Angeklagte (M.) beim Prozessauftakt mit einer Dolmetscherin und seinem Verteidiger Markus Heinrichs.
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Die Seiten von Olesia S. in den Sozialen Medien sind noch immer aktiv. Den letzten Beitrag stellte die russischsprachige Ukrainerin zwei Tage vor ihrem gewaltsamen Tod in der Nacht vom 4. auf den 5. August 2024 ein. Sie schrieb von der Sehnsucht nach einem seelenverwandten Partner und stellte dazu ein Video, in dem sie in einem kurzen weißen Kleid wie ein Schwan eine dunkle Männergestalt umtanzt und zu Fall bringt.
Am Donnerstag (3. April) hat vor dem Landgericht der Prozess gegen den geschiedenen Ehemann begonnen. Der 44-Jährige hatte bereits gestanden, die Mutter seiner drei Kinder im Verlauf eines Streits in der gemeinsamen Wohnung erwürgt zu haben.
Ein Streit um die Betreuung der Kinder soll eskaliert sein
Wortreich schilderte der Mann nun der 5. Großen Strafkammer seine Sicht der fatalen Ereignisse an dem Sommerferienwochenende. Demnach soll ein am Vortag entbrannter Streit um die Kinderbetreuung eskaliert sein.
Bisher sei es immer bei Handgreiflichkeiten geblieben, so der Angeklagte, diesmal habe seine Frau zu einem Staubsaugerrohr gegriffen. Um sie abzuwehren, habe er sie von hinten mit dem Arm fest um den Hals gepackt. „Sie ist gefährlich“, kommentierte er die Szene wörtlich. „Und ich hatte so eine Wut, dass ich nicht mal sagen konnte, sie soll das Rohr fallen lassen.“
Denn dieser Mensch hatte vor, alle zu besiegen
Beide seien schließlich zu Boden gegangen. Er habe sie am Hals zu fassen bekommen und mit dem Arm so lange zugedrückt, bis sie ihre Gegenwehr aufgegeben habe. „Denn dieser Mensch hatte vor, alle zu besiegen“, begründete der 44-Jährige sein Tun.
Angesichts der Auffindesituation der Leiche kamen der 5. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Peter Koerfers jedoch erhebliche Zweifel am geschilderten Tathergang. Da Fotos davon gezeigt werden sollten, empfahl er einer im Zuschauerraum anwesenden Schulklasse, den Saal zu verlassen. Der tödliche Kampf soll sich im Flur der Dreizimmerwohnung in Bachem abgespielt haben.

Olesia S. startete nach ihrer Flucht aus der Ukraine ein neues, selbst bestimmtes Leben in Deutschland und machte sich selbst ständig.
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Mehrere Stunden will der Angeklagte gebraucht haben, um die Leiche ins Wohnzimmer zu schaffen und hinter einem Wäscheständer vor der Fensterfront abzulegen. Auf den Bildern ist der nackte tote Körper der 35-Jährigen, die sich im Internet als Yoga-Expertin, Schönheits- und Lebensberaterin präsentierte, deutlich zu erkennen. Sie liegt auf dem Bauch, die Beine sind weit zur Seite abgespreizt und angewinkelt.
Verstörend wie die Position der Leiche wirkte auf das Gericht, was der Angeklagte nach der Tat unternommen haben will. Er gab an, die Leiche in eine Tagesdecke gehüllt und den angeblich in Einzelteile zerfallenen Staubsauger zusammengebaut zu haben. In den frühen Morgenstunden habe er dann die sechs, acht und zehn Jahre alten Kinder aus dem Zimmer der Mutter geholt, in dem sie wahrscheinlich Ohrenzeugen des Totschlags geworden waren.
Auf dem Weg zur Kündigung seines Arbeitsplatzes, wohin er die beiden Söhne und die Tochter mitnahm, da Ferien waren, will er erklärt haben: „Kinderchen, ich habe eure Mama umgebracht. Ihr werdet sie nie mehr wiedersehen und mich wahrscheinlich auch nicht.“ Totenstille legte sich über den Gerichtssaal, als er die Szene unter Schluchzen schilderte.
Anschließend ging es in die Kölner Innenstadt, weil sich ein Kind ein Fernglas zum Geburtstag wünschte. Das Geld reichte jedoch nicht, sodass Vater und Kinder nach einem Zwischenstopp im Einkaufszentrum Weiden mit dem Bus heimfuhren.
Frechen: Der 44-Jährige wurde in der Nähe der Wohnung festgenommen
In der Wohnung will sich der Mann auf die Festnahme vorbereitet haben, indem er die Dokumente der Kinder zusammensuchte und für seinen Bruder eine Betreuungsvollmacht ausstellte. In den Rucksack steckte er außerdem ein Schreiben mit dem in seiner Muttersprache Russisch abgefassten Geständnis „Olesia gibt es nicht mehr. Sie ist auf mich losgegangen, und ich habe sie erwürgt.“ Da er zwischendurch die Cousine seiner Ex-Frau angerufen und über die Tat informiert hatte, konnte der 44-Jährige am Montagnachmittag in der Nähe seiner Wohnung festgenommen werden.
Neben der ungewöhnlichen Haltung des leblosen Körpers machte das Gericht auch der am Tatort völlig intakt aufgefundene Staubsauger stutzig. Er habe mehrere Stunden gebraucht, um seine tote Ex-Frau vom Flur ins Wohnzimmer zu tragen, deshalb die Körperstellung, erklärte der Angeklagte. „Warum haben Sie sie nicht einfach an den Armen dorthin geschleift?“, hakte Richter Koerfers nach. Er habe keine Kraft mehr gehabt, antwortete der Angeklagte.

Olesia S. genoss ihre Freiheit und ihren wieder gefundenen Lebensmut, den sie an andere Frauen und Geflüchtete weiter geben wollte.
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Die Erklärung überzeugte nicht, da erwiesen ist, dass ein Erwürgen mit Händen oder Armen einen Kraftaufwand über mehrere Minuten erfordert, bis der Tod eintritt. Minuten, in denen von einer Tötungsabsicht zurückgetreten werden könnte.
Was diese Redaktion vorab zu einem möglichen Motiv berichtet hatte, erhärtete sich beim Prozessauftakt. Olesia S. hatte sich offenbar von einer toxischen Beziehung emanzipiert.
Im Gegensatz zu ihm war es ihr nach der Flucht vor dem Ukraine-Krieg im Februar 2022 gelungen, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Während er beim Deutschlernen scheiterte, absolvierte sie den Kursus erfolgreich, sie verwaltete die Einkünfte der Familie, kümmerte sich um das Wohl der Kinder und betrieb die Scheidung nach ukrainischem Recht.
Wir machen keine Notwehrlage geltend, heute soll das Problem nur aus seiner Sicht erklärt werden
In der Wohnung lebten die Erwachsenen räumlich getrennt, solange er noch keine eigene Bleibe gefunden hatte. Die Kinder schliefen abwechselnd in den Räumen der Elternteile. Dass sich der 44-Jährige in Frechen auch öffentlich in Frauenkleidern zeigte, soll der 35-Jährigen missfallen haben. Sie soll ihn deshalb mit russischen Schimpfwörtern bedacht haben, die so viel bedeuten wie „Hündchen, Schlampe, Tunte, Bitch“.
Nach dem Kauf eines heruntergekommenen Hauses bei Charkiw 2014, das die Eheleute finanziell überforderte, soll die Familie schon vor der Flucht auseinandergebrochen sein. Beim Prozessauftakt stellte sich der Angeklagte als Opfer häuslicher Gewalt dar. „Wir machen keine Notwehrlage geltend, heute soll das Problem nur aus seiner Sicht erklärt werden“, schickte der Kerpener Verteidiger Markus Heinrichs den ungewöhnlich ausführlichen Erzählungen seines Mandanten voraus.
Der Prozess wird am 9. April fortgesetzt.