Die Stadträte von Bedburg und Frechen beraten über neue Standorte für dringend benötigte Neubauten zur Unterbringung von geflüchteten Menschen
GeflüchteteIn Frechen und Bedburg werden neue Standorte für Unterkünfte diskutiert
Knapp 46 000 Asylsuchende kamen von Januar bis September nach Nordrhein-Westfalen, für 2024 rechnet das Land mit 70 000 geflüchteten Menschen. Die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes waren Ende Oktober zu 110 Prozent ausgelastet, also überbelegt. Dies geht aus einem Newsletter hervor, den das Land an die Kommunen verschickt hat. Die Zahl der Asylsuchenden nimmt auch im Rhein-Erft-Kreis stetig zu – mit schwierigen Konsequenzen für die Städte. Turnhallen müssen zweckentfremdet werden, allerorts fehlt es an Unterbringungsmöglichkeiten und Wohnraum für die Schutzsuchenden.
Sporthallen sollen dringend wieder geöffnet werden
In Bedburg und Frechen gibt es nun neue Vorhaben, um die Situation zu bewältigen. Im Frechener Stadtrat herrschte bei der jüngsten Sitzung fraktionsübergreifend Einigkeit darüber, dass dringend neue Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen – auch um die belegten Sporthallen, die Gerhard Berger – und Willi-Giesen-Halle wieder für den Schul- und Vereinssport öffnen zu können. Zudem sind einige Unterkünfte überfüllt oder stehen wie die Einrichtung Sibylla nur noch bis Frühjahr 2025 zur Verfügung. Auch die provisorische Unterkunft am Mühlenweg war nur bis 2027 vorgesehen. Insofern sieht die Verwaltung einen Bedarf von mindestens 260 weiteren Plätzen.
Das ehemalige Hotel an der Europaallee wird zurzeit umgebaut und steht frühestens im Mai zur Verfügung. Hier können rund 100 Menschen untergebracht werden.
Ende November befanden sich 863 Menschen (Asylbewerber und Obdachlose) in Frechen in städtischen Unterkünften – 67 mehr als im Vormonat. Im Schnitt kämen seit März dieses Jahres pro Woche neun Neuankömmlinge, in den vergangenen sechs Monaten sei die Zahl aber deutlich höher gewesen, so die Verwaltung. Zurzeit müsste die Stadt im Rahmen ihrer Aufnahmeverpflichtung weitere 146 Menschen aufnehmen. Auch die Zuweisung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge nähme zu, diese seien besonders schwer unterzubringen, zumal die speziellen Gruppen im Umkreis alle belegt seien.
Sechs potentielle Standorte für Unterkünfte
Im Rat stellte die Verwaltung nun sechs Standorte vor, die sich nach ihrer Einschätzung nach für die Realisierung von Wohnraum für Geflüchtete eignen würden: Am Marienhofer Weg, an der Willi-Giesen-Halle, an der Matthias-Werner-Straße, An der Ziegelei, an der Rosmarstraße und am Rosmarweg. Für den Standort Rosmarweg im Bereich der Grube Carl gibt es bereits einen Ratsbeschluss von 2016, der nun modifiziert wird. „Die Stadt startet jetzt mit den Planungen für eine Geflüchtetenunterkunft am Rosmarweg. Die übrigen Standorte und die möglichen Planungen sind vom Rat in die kommende Sitzung vertagt worden. Es gibt noch keine Zeitschiene“, teilt die Verwaltung mit. Zudem solle weiter nach Wohnraum gesucht werden, eventuell auch mit Hilfe von Immobilienmaklern.
Die städtebauliche Qualität der Unterkunft für rund 100 Personen auf der 2,1 Hektar großen Fläche am Rosmarweg soll sich der Entwicklung der Grube Carl anpassen. Die dort bereits ansässige Kita soll erhalten bleiben, andere Gebäude könnten abgebrochen werden. Aufgrund fehlender Kapazitäten in der Verwaltung für die Realisierung städtischer Hochbauten soll das Projekt ausgeschrieben werden.
Im Bedburger Stadtrat hat eine Geflüchtetenunterkunft zu Diskussionen geführt. Die Errichtung der Unterkunft an sich war dabei nicht das Problem, sondern der Standort. Denn die temporäre Unterkunft soll auf einem Grundstück an der Adolf-Silverberg-Straße errichtet werden – neben dem Bahnhof. Das kürzlich von der Stadt erworbene Grundstück ist 1950 Quadratmeter groß und biete Platz für bis zu 200 Personen. „Wir haben das 2015/16 schon mal erlebt und wissen, ab wann es für die Menschen unwürdig wird“, sagte Bürgermeister Solbach, der selbst neben einer dauerhaften Einrichtung wohnt. Daher setzt Bedburg auf Modulbau von Wohnungen, „um mehr Privatsphäre zu ermöglichen“. „Die Kommunen sind nach wie vor sehr stark unter Druck, wir auch“, sagte Solbach. Hinzu komme der angespannte Wohnungsmarkt: Der werde immer enger.
Der Druck auf die Stadt sei der CDU bekannt, räumte Fraktionsvorsitzender Michael Stupp ein. „Nur mit der Wahl des Standortes können wir uns nicht anfreunden.“ Den Bahnhof sieht er jedenfalls als Risiko. Weiter würde man sich mit einer Bebauung des Geländes die letzte Möglichkeit nehmen, sofern andere verkehrspolitische Projekte nicht umsetzbar seien, um dort eine Alternative zu schaffen. FWG-Fraktionschef Stefan Merx machte deutlich: „Wir sind alternativlos.“ Die Fraktion sprach sich für „einen gemeinsamen Weg“ aus.
Ratsmitglied Wilhelm Hoffmann (fraktionslos): „Dieser Standort ist sicherlich nicht unkritisch, aber es gibt keinen unkritischen Standort.“ Es hänge an den Menschen. „Man kann einen Standort mit 20 Rabauken haben oder mit 200 Menschen, die friedlich leben.“ Die SPD wiederum hält die Lage für „durchaus geeignet, eben weil sie in der Nähe des Bahnhofs ist und damit direkten Zugang zum ÖPNV ermöglicht“, sagte Fraktionsvorsitzender Rudolf Nitsche. Der Fraktionschef der Grünen, der parteilose Jochen vom Berg, ging noch weiter: Er halte den Standort für ideal. Bahnhof, Kita, Grund- und weiterführende Schulen seien fußläufig zu erreichen.
Etwa eine Million Euro Baukosten
Was die Kosten angeht, habe die Verwaltung mehrere Firmen angefragt und auch Erfahrungswerte bei anderen Städten eingeholt. Zurzeit tendiere man zu zwei zweistöckigen Gebäuden, die etwa eine Million Euro kosten würden. Die Erschließung des Grundstücks kostet eine halbe Million Euro. Wilhelm Hoffmann erfragte den Quadratmeterpreis, der laut Stadt etwa bei 1450 bis 1600 Euro pro Quadratmeter liegt. Fertig sein könnten die Gebäude laut Dezernent Herbert Baum etwa im Dritten Quartal 2024. Der Stadtrat beschloss den Bau mehrheitlich – mit acht Gegenstimmen aus der CDU-Fraktion.