Der 35-jährige Dr. Hajo Kenkel hat zum 1. Januar 2025 seinen Dienst in Frechen angetreten und hat viele Pläne.
Evangelische KircheSo denkt der neue Pfarrer in Frechen über Liebe, Leidenschaft und Gott
Anderthalb Jahre nach dem Eintritt von Pfarrer Bernd Stollewerk in den Ruhestand hat die Evangelische Kirche Frechen wieder einen neuen Pfarrer auf ihrer 1. Pfarrstelle: Dr. Hajo Kenkel hat zum 1. Januar seinen Dienst angetreten, sein Einführungsgottesdienst wurde gestern (19. Januar) gefeiert. Alexa Jansen sprach mit dem 35-Jährigen, der zuvor in Lünen tätig war, über seine Pläne, seine Leidenschaften und sein Verständnis von Gott.
Wie haben Sie den Weg nach Frechen gefunden?
Dr. Hajo Kenkel: Ich habe meine Augen nach Stellen offen gehalten und die von Frechen entdeckt. Über meine Studienfreundin Jana Falcke (Tochter des Frechener Astrophysikers Heino Falcke und seiner Frau Dagmar) habe ich nur Positives über die Stadt gehört. Im Mai war ich das erste Mal hier und die Begegnungen mit Menschen aus der Gemeinde waren sehr herzlich und gut. Zuvor war ich im Probedienst in Lünen, es ist jetzt meine erste gewählte Pfarrerstelle. Dass Janas Mann Birger Falcke hier aktuell als Pfarrer im Probedienst tätig ist, ist umso schöner - wir kennen uns auch aus dem Studium.
Sie wohnen mit Ihrer Frau seit kurz vor Silvester in Frechen, wie gefällt es Ihnen?
Bisher gefällt es uns richtig gut. Wir freuen uns, hier zu sein. Man ist relativ schnell im Wald und alles ist fußläufig zu erreichen. Und die Nähe zu Köln ist natürlich auch nicht schlecht, dort waren unsere ersten Dates.
Was hat Sie zu Ihrer Berufswahl bewegt?
Ich würde immer sagen: eine gute Jugendarbeit - aber natürlich auch durch meine Familie. Meine Mutter ist Theologin, mein Vater Pfarrer, wobei meine älteren Geschwister andere Wege eingeschlagen haben. In der kirchlichen Jugendarbeit haben mir junge Erwachsene den Glauben näher gebracht, da hab ich Feuer gefangen. Seitdem bin ich selber leitend in Jugendgruppen und auf Freizeiten tätig. Das, was ich selber empfangen habe, wollte ich gerne weitergeben. Meine Eltern haben sich über meine Entscheidung natürlich gefreut.
Welche Themen bewegen Sie als Pfarrer besonders?
Mich bewegen vor allem zwei Themen. Zum einen: Wie kann Kirche heute in neuen Formen aussehen, damit auch Jüngere hier eine Heimat finden können? Was für Formen und Stile entsprechen dieser Altersgruppe, wie kann man Menschen in der Lebensmitte abholen? Denn das, was gelebt wird, sieht oft anders aus als unsere Gottesdienste und Kirchen. In Heidelberg hatten wir zum Beispiel Gottesdienste in einem Café, das für viele auch unter der Woche zu einem Zuhause geworden ist und in dem auch der Glaube ganz selbstverständlich mit gelebt wurde.
Wenn ich meinen Glauben beschreibe, bewegt mich vor allem ein Thema – man könnte auch sagen: das schönste Thema der Welt – die Liebe. Dazu habe ich auch im Dezember meine Doktorarbeit veröffentlicht. Die Art und Weise der Fragen, wie wir sie stellen, ist vielleicht anders geworden, aber die großen Fragen bleiben gleich. Nur: finden wir auch gute Antworten? Zum Thema Liebe kann jeder etwas sagen, auch wenn viele dabei vielleicht nicht direkt an Gott denken. Aber der Glaube an einen Gott, der uns liebt, ja, der Liebe ist, geht weit über unsere eigene, doch oft sehr begrenzte Liebe hinaus und übersteigt selbst die größte Lieblosigkeit noch. Und ich erlebe immer wieder: Das spricht auch Jugendliche an, die daraus Kraft schöpfen und Feuer fangen. Unser Glaube ist nicht von gestern, das Spannende ist, ihn neu zu entdecken – in unserer Sprache und Zeit. Und gerade in der Gemeinschaft dieses Glaubens, in der wir füreinander da sein, uns gegenseitig bereichern können, steckt eine besondere Kraft.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit?
Da ich immer in der Jugendarbeit aktiv war, will ich auch hier in Frechen viel für die Jugend tun. Da ist der nächste Konfi-Kurs, für den ich jetzt erstmal ein Konfi-Team aufbauen möchte. Denn Konfi ist für mich nicht einfach Unterricht, sondern soll auch Spaß machen. In Zukunft würde ich gerne wieder eine Jugendfreizeit in den Sommerferien etablieren. Für das nächste Jahr schwebt mir eine „Jugendwoche“ vor, in der die Jugendlichen eine Woche lang die Kirche „übernehmen“. Es soll Jugendgottesdienste und coole Aktionen geben – aber ich muss erst in Ruhe schauen, was es hier schon gibt.
Wie stehen Sie zur Ökumene?
Die Ökumene liegt mir sehr am Herzen. Ich hab da keinerlei Vorbehalte, war schon in einem katholischen Kindergarten. Während meiner Promotion in Heidelberg haben wir 2016 einen CVJM neu gegründet, der selbst ein ökumenischer Verein ist und dessen Vorsitzender ich viele Jahre über war. 2017 haben wir dort eine große Jugendwoche organisiert - ein tolles Erlebnis mit evangelischen, katholischen und freikirchlichen Jugendlichen. Auch in Lünen habe ich eng mit einem katholischen Pastoralreferenten zusammen gearbeitet.
Ökumene heißt für mich, die ganze Weite des Glaubens. Ich sage immer: Für Gott gibt es nur eine Kirche. Und ich glaube von Herzen daran, dass dieser Gott uns unendlich liebt. Insofern kann ich mit anderen aber auch darüber streiten, wer und wie dieser Gott ist. Ich könnte keinem Gott vertrauen – und nichts anderes heißt „glauben“ –, der es nicht gut mit uns meint. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, ein liebevolles Miteinander einzuüben und über den Glauben miteinander ins Gespräch zu kommen.
Worin sehen Sie die aktuelle gesellschaftspolitische Rolle der Kirche?
Seit den 70er/80er Jahren hat sich vieles verändert: die etablierten Kirchen sind nicht mehr der gesellschaftliche Player, der sie einmal waren. Als Gemeinschaften im Glauben aber können wir Fragen stellen und Perspektiven aufzeigen, die über manch Polarisierung unserer Gesellschaft hinausgehen und dadurch auch Brücken zueinander bauen. In einer Zeit, wo viele Menschen Sorgen und Ängste haben, bietet unser Glaube eine vertrauensvolle Perspektive auf die Zukunft. Kirche sollte Hoffnung in die Debatten tragen, immer wieder Mut machen, dass es einen Gott gibt, der es gut mit uns meint – und auch gut mit denen meint, die uns selbst fremd sind. Dann können wir auch mutig unsere Probleme anpacken.
Wie bewerten Sie die steigende Zahl der Kirchenaustritte?
Erstmal finde ich es wichtig, den Mitgliederschwund der etablierten Kirchen ernst zu nehmen. Sie schrumpfen. Da gibt es nichts schönzureden. Die evangelische Kirche in Frechen hat gut 4300 Mitglieder, aber auch das geht zurück. Wenn viele austreten, sehe ich das als ein Zeichen dafür, dass viele hier kein Zuhause gefunden haben. Insofern wünsche ich mir, dass sich Menschen in Frechen als Teil der Gemeinde erleben können, sie als einen Ort, eine Gemeinschaft erfahren, wo sie wissen und spüren, „das tut mir gut hier“. Ich wünsche mir, dass unsere Gemeinde positiv, fruchtbar in die Stadt hineinstrahlt. Das ist nicht abhängig von Zahlen, sondern von dem, was wir hier miteinander leben.
Gibt es ein Herzensprojekt von Ihnen?
Sogar mehrere. Nach der Schule war ich ein Jahr lang in Tansania und habe dort bei einem HIV-/AIDS-Präventionsprojekt mitgearbeitet. Es haben sich viele Freundschaften ergeben und es war immer mein Traum, die evangelische Kirche dort beim Aufbau einer Grundschule zu unterstützen. In Lünen und in unserem Freundeskreis konnten wir bislang rund 20.000 Euro sammeln, sodass der Bau nun beginnen kann. Es soll eine zweizügige Schule entstehen. Die erste Klasse mit rund 40 Kindern wird im Januar 2026 starten. Mein privater Wunsch ist, dass das Projekt auch in Frechen einen Platz findet.
Wichtig ist mir auch die Musik, ich habe in unterschiedlichen Chören gesungen, Bandcombos aufgebaut und geleitet. Eigentlich spiele ich alles, was Tasten hat: Akkordeon, Klavier und Orgel. Über Musik kann man viele Menschen erreichen, die Herzen aller Generationen berühren. In Musik steckt eine besondere Kraft.
In den letzten Wochen gab es in Frechen viele Kontroversen über die Einrichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Geflüchtete. Wie stehen Sie zu einer ZUE?
Ich habe noch nicht den vollen Überblick über die Situation in Frechen, bin aber für einen weitherzigen Umgang miteinander und eine starke Willkommenskultur. Insofern bin ich grundsätzlich offen für eine solche Unterkunft und auch für gemeinsame Überlegungen, was wir tun können, damit Menschen in unserer Gesellschaft gut andocken können. Während meiner USA-Aufenthalte habe ich gemerkt, wie bereichernd, aber auch herausfordernd das Miteinander unterschiedlicher Sprachen und Kulturen sein kann – und wie schön es ist, wenn Menschen mich mit offenen Armen willkommen heißen. Ich habe dann selber mehrere Jahre eine Familie aus dem Iran begleitet, habe in Heidelberg in einer ZUE an Gottesdiensten mitgewirkt und auch in Ettlingen zahlreiche Menschen mit Fluchterfahrungen kennen und schätzen gelernt.
Gibt es auch noch außerhalb der Kirche Leidenschaften von Ihnen?
Ich mache Sport, gehe ins Fitnessstudio und früher habe ich viel Fußball gespielt. Ab und zu spiele ich noch mit Jugendlichen aus der Gemeinde. Als Fan vom VfL Bochum bin ich leidgeprüft, habe aber auch Lust, mal zum 1. FC Köln ins Stadion zu gehen. Ansonsten tanze ich sehr gerne Salsa, da möchten wir perspektivisch auch wieder Anschluss finden. Vielleicht organisiere ich auch hier wieder einen Salsa-Gottesdienst. Tanzen ist super ganzheitlich: Musik, Bewegung und Interaktion mit anderen, es gibt nichts, wo ich besser abschalten kann.
Dr. Hajo Kenkel wurde in Lüdenscheid geboren, ist 35 Jahre alt und verheiratet. Für Studium, Promotion und Vikariat zog es ihn nach Heidelberg und Ettlingen. Er verbrachte zwei Studienjahre in den USA, an der Yale und der Princeton University. Zu Tansania hat der Pfarrer intensive Verbindungen, erst im vergangenen Sommer reiste er mit seiner Frau wieder dorthin, um den Baustart für eine Grundschule zu organisieren. Das Hilfsprojekt wird auf Instagram unter „SchuleInTansania“ vorgestellt.