Wenige Wochen nach Beginn des Krieges in ihrer Heimat ist Olha Dondyk geflüchtet. In Frechen hat die 19-Jährige schnell Fuß gefasst.
Musikalisches Multi-TalentFrechenerin rührt 16.000 Menschen in der Lanxess-Arena zu Tränen
Olha Dondyk steht ein spannendes Jahr bevor. Mitte Januar wird die 19-jährige Ukrainerin bei einem Benefizkonzert am Dirigentenpult des Rotterdam Philharmonic Orchestra stehen; zwei Monate später nimmt sie in Paris an einem Wettbewerb teil, der sich speziell an Dirigentinnen richtet.
Wenige Wochen nach Beginn des Krieges in ihrer Heimat ist sie mit ihrer Mutter Oksana Dondyk und dem kleinen Bruder aus einer Kleinstadt in der Nähe von Kiew geflüchtet. In Frechen haben die Dondyks dank der Musik schnell Fuß gefasst. Oksana Dondyk hat einen Chor gegründet und tritt als Konzertsängerin auf, ihre Tochter Olha bestand die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln, wo sie seitdem Orchesterdirigat studiert.
Als Dirigentin dringt sie in eine klassische Männerdomäne ein
Im Eiltempo hat sie die deutsche Sprache gelernt – in Integrationskursen, vor allem aber im Kontakt mit anderen Menschen. „Leicht war das nicht“, gesteht die zielstrebige junge Musikerin, die auch komponiert und außerdem über eine schöne Stimme verfügt.
Einen großen Auftritt vor 16.000 Zuhörerinnen und Zuhörern hatte sie im Sommer beim Greator-Festival: einer Veranstaltung, die sich um Coaching und Persönlichkeitsentwicklung dreht, als sie mit ihrer Mutter in der Lanxess-Arena den Titel „You raise me up“ sang und das Publikum zu Tränen rührte.
Dass sie als Dirigentin in eine klassische Männerdomäne eindringt, ist ihr bewusst. „Für mich ist es nicht wichtig, ob ein Mann oder eine Frau vor dem Orchester steht. Es geht darum, eine Sache mit Leidenschaft zu machen“, sagt sie mit Überzeugung.
14 Teilnehmerinnen wurden aus fast 200 Bewerberinnen ausgewählt
Ein Kommilitone hatte dem vielversprechenden Jungtalent von dem Dirigentinnenwettbewerb „La Maestra“ in Paris erzählt. Olha hat sich mit einem Video beworben, und ihr Professor stellte ihr ein Empfehlungsschreiben aus. 14 Teilnehmerinnen wurden aus fast 200 Bewerberinnen aus 47 Ländern ausgewählt; Olha ist die Jüngste unter ihnen. „Allein die Teilnahme öffnet Türen“, weiß die Musikerin, die den ersten Satz aus Mozarts „Prager“ Sinfonie Nr. 38 dirigieren wird.
Einen Lieblingskomponisten hat sie nicht. „Ich mag immer die Musik am liebsten, mit der ich gerade beschäftigt bin“. Für ihre Mutter hat sie eine Reihe von Vokalkompositionen geschrieben, bei denen sich deren facettenreiche Stimme eindrucksvoll entfalten kann. Kleine Melodiemotive aus der ukrainischen Folklore mischen sich dabei in die sehr emotionalen, dramatischen Lieder, die die beiden gern bei gemeinsamen Konzerten zur Aufführung bringen.
Mit Mut und Zuversicht stellt sich Olha Dondyk den Herausforderungen, die ihr bevorstehen. Sie ist angekommen in der neuen Heimat, in der sich neue Chancen bieten. Eins aber fehlt ihr: „Meine Familie und meine Freunde sind in verschiedenen Teilen der Welt verstreut, und ich vermisse sie sehr“, gesteht sie offen.
Mit ihrer Mutter Oksana steht Olha Dondyk am Freitag, 8. Dezember, 19 Uhr, auf der Bühne in der Kulturkirche Alt St. Ulrich, Ulrichstraße 110, in Buschbell. Die beiden Musikerinnen stellen ukrainische Kammervokalmusik und Volkslieder vor, die „die spirituellen Wurzeln der Nation widerspiegeln und verschiedene Facetten menschlicher emotionaler Erfahrungen offenbaren sollen“. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Eine Anmeldung unter 02234/23130 oder per E-Mail wird gewünscht. (sty)