Frechener Astrophysiker„Den romantischen Sternenhimmel wird es bald nicht mehr geben“
- 2019 haben kooperierende Wissenschaftler eine Sensation präsentiert: Erstmals war es gelungen, eine Abbildung eines Schwarzen Loches herzustellen.
- Die Idee zu diesem Projekt hatte der in Frechen lebende Astronom Heino Falcke, der auch einer der wissenschaftlichen Leiter des Projekts war.
- Im Interview spricht der Frechener über Jeff Bezos' Weltraumflug und er erklärt, wieso es bald wohl keinen romantischen Sternenhimmel mehr geben wird.
Frechen – Prof. Dr. Heino Falcke aus Frechen-Bachem beantwortete im Gespräch mit Patrik Reinartz Fragen zu Wissenschaft und Religion.
Herr Falcke, Sie waren vor zwei Jahren maßgeblich an einer wissenschaftlichen Sensation beteiligt: Sie gehörten zu dem Team von Wissenschaftlern, dem mit Hilfe von mehreren Radioteleskopen erstmals ein Foto von einem schwarzen Loch gelungen ist. Was hat sich seitdem für Sie verändert?
Falcke: Man wird ganz anders wahrgenommen, auch von Kollegen. Ich habe einige Preise und auch viel Aufmerksamkeit bekommen. Ich habe ein Buch über unser Forschungsprojekt geschrieben, das es in die Bestseller-Liste geschafft hat. Es ist mittlerweile in vier Sprachen übersetzt worden, acht weitere sollen folgen, unter anderem Koreanisch und Finnisch. Ich war auch in einigen Talkshows zu Gast, zum Beispiel bei Markus Lanz, in der NDR-Talkshow und in der Sendung „Riverboat“.
Machen Ihnen solche Fernsehauftritte Spaß, oder gehören Sie zu den weniger beliebten Aufgaben eines Wissenschaftlers?
Völliges Neuland ist das für mich nicht. Seit mehr als 20 Jahren halte ich regelmäßig öffentliche Vorträge, wenn auch vor kleinerem Publikum. Schon seit langem engagiere ich mich in der evangelischen Kirche in Frechen, früher haben wir in der Jugendarbeit Freizeiten organisiert und ganze Shows auf die Beine gestellt, mit Musik und Theater. So etwas habe ich immer gerne gemacht. Mittlerweile mache ich auch Podcasts. Dafür habe ich im ehemaligen Kinderzimmer meines Sohnes ein kleines Tonstudio eingerichtet, von dem aus auch Interviews, Lesungen und Vorträge möglich sind.
In Ihrem Buch beschreiben Sie, dass man in der Zeit zurückschaut, wenn man den Sternenhimmel betrachtet. Für Laien ist das eine eher gewöhnungsbedürftige Vorstellung...
In der Tat blickt man zurück in die Vergangenheit. Bei der Sonne sind es etwa acht Minuten, bis das Licht bei uns ankommt. Bei der Andromeda-Galaxie, die das entfernteste Objekt am Himmel ist, das man mit bloßem Auge noch erkennen kann, blickt man 2,5 Millionen Jahre in die Vergangenheit. Mit technischen Hilfsmitteln wie dem Teleskop kann man sogar Milliarden von Jahren zurückblicken.
Zur Person
Der Astrophysiker Prof. Dr. Heino Falcke (54) lebt in Frechen-Bachem. Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. In seiner Heimatstadt hat er 1985 das Abitur gemacht. Als Prädikant hält er regelmäßig Gottesdienste in der evangelischen Kirche ab. Heino Falcke forscht und lehrt an der Radboud-Universität im holländischen Nijmegen. Er ist Autor des Buches „Licht im Dunkeln: schwarze Löcher, das Universum und wir“, erschienen im Verlag Klett-Cotta. (rtz)
Wenn es möglich ist, in die Vergangenheit zu schauen: Sind dann theoretisch auch Reisen zurück in der Zeit denkbar?
Über Zeitreisen wird immer wieder spekuliert. Ich glaube, das ist ähnlich wie beim „Perpetuum mobile“: eine Wunschvorstellung, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht realisieren lässt. Es gibt Grenzen, die wir nicht überschreiten können. Zudem würden Zeitreisen viele ethische Fragen aufwerfen. Wenn wir in die Vergangenheit reisen könnten, um Dinge zu verändern, dann könnten wir die Auswirkungen gar nicht abschätzen. Deswegen stellt sich auch die Frage, ob es gut wäre, wenn wir in der Zeit zurückreisen könnten. Was wir aber können: die Zukunft besser machen. Darauf sollten wir uns konzentrieren.
Schauen Sie eigentlich immer mit dem Blick des Forschers in den Himmel, oder finden Sie die Sterne auch romantisch?
Ich kann einen schönen Sternenhimmel schon noch genießen. Hintergrundwissen schadet aber nicht. Das ist wie im Museum: Ich kann da durchlaufen und mir alte Steine anschauen, oder ich kann mir bei einer Führung allerhand erklären lassen, dann macht es mehr Spaß. Beim Himmel kommen erschwerend die Lichtverschmutzung und die Vielzahl an Satelliten hinzu. In unseren Städten kann man am Nachthimmel schon jetzt nur schwer etwas erkennen. Vermutlich wird es in zehn Jahren überall so sein, dass man mehr Satelliten als Sterne sieht. Den romantischen Sternenhimmel wird es dann nicht mehr geben. Es ist schon fast zu spät, um daran noch etwas zu ändern.
Was halten Sie davon, dass Milliardäre wie Richard Branson und Jeff Bezos mittlerweile ins All fliegen? Kann das von wissenschaftlichem Nutzen sein, oder ist es nur ein extravagantes Hobby von Menschen mit zu viel Geld?
Ich bin da sehr gespalten. Es ist folgerichtig, dass der Mensch, der von seiner Natur her von Neugierde und Forschergeist geprägt ist, sich auch ins All ausdehnen will. Was mich stört ist, dass solche Reisen den reichen Eliten vorbehalten bleiben. Manche betrachten das All auch als einen Erlösungsort. Es gibt die Idee einer Flucht von der vom Klimawandel zerstörten Erde zu anderen Planeten. Da wird die Sache absurd: Die Eliten, die maßgeblich zur Verschmutzung der Erde beigetragen haben, sind die einzigen, die es sich leisten können, sie zu verlassen. Anstatt zu fliehen, sollten wir alles tun, damit unser Planet lebenswert bleibt.
Würden Sie selbst gerne einmal ins All fliegen?
Wenn ich könnte, würde ich das sofort tun. Aber ich glaube, ich bin mittlerweile zu alt dafür. Wir arbeiten ja auch mit der ESA, der europäischen Weltraumorganisation, an einem Weltraum-Programm. Man muss sich ja immer selbstkritisch fragen, ob man die beste Besetzung für eine solche Mission wäre. Ich fürchte, das ist bei mir nicht der Fall.
Im Zuge der Pandemie und des Klimawandels wurde zuletzt viel über die Rolle der Wissenschaft diskutiert. Müssen sich Politik und Gesellschaft mehr an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren?
Grundlegende Tatsachen muss man zur Kenntnis nehmen, sonst überrollen sie uns. Beim Coronavirus etwa ist die Faktenlage klar: Wenn wir nichts unternehmen, schießen die Zahlen durch die Decke. Das kann man nicht wegdiskutieren. Das Virus interessiert sich beispielsweise gar nicht dafür, ob jemand sich in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlt; es macht einfach sein Ding. Das muss man erkennen und entsprechend handeln. Über politische Konsequenzen kann man sich natürlich streiten. Teilweise wurden die Ebenen jedoch vermischt, es wurden emotionale Diskussionen über wissenschaftliche Erkenntnisse geführt, Wissenschaftler wie Christian Drosten wurden massiv angegriffen.
Sie sind ein religiöser Mensch und engagieren sich seit Jahrzehnten in der evangelischen Kirche in Frechen. Wird man da von den Kollegen kritisch beäugt?
Es gibt gläubige und weniger gläubige Wissenschaftler – das ganze Spektrum, wie es auch in der übrigen Gesellschaft vorhanden ist. Der Mensch benötigt meiner Meinung nach einen Halt, er sucht einen Sinn. Den kann die Wissenschaft nicht bieten, sondern nur der Glaube. Man muss sich natürlich auch als gläubiger Wissenschaftler an die Fakten halten. Ich sehe es so, dass der Schöpfer mir eine Aufgabe gegeben hat, die ich so gut wie möglich zu erfüllen versuche.
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Gibt es mittlerweile schon neue Projekte, an denen Sie arbeiten?
Wir arbeiten natürlich weiter an den Fotos von schwarzen Löchern. Wir wollen bessere Bilder machen, dafür benötigen wir mehr Radioteleskope. Ich befasse mich gerade mit einem neuen Teleskop in Namibia. Im Oktober erscheint eine illustrierte Ausgabe meines Buches. Ich möchte auch gerne ein Kinderbuch über Astronomie schreiben. Mir schwebt außerdem ein ganz großes Buch über den Kosmos vor, von der Genesis bis zur Apokalypse. Doch dafür fehlt mir momentan noch die Zeit. In Frechen liegt mir immer noch die Jugendarbeit im CVJM und bei der evangelischen Kirchengemeinde am Herzen, die ich gerne weiterhin unterstützen möchte.