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Kommentar

Kommentar zur ZUE
Das Gemeinwohl in Frechen muss bei Debatte über Geflüchtete siegen

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Lesezeit 3 Minuten
Auf dem Foto sind Teilnehmer eines Treffens zu sehen, bei dem es um eine geplante Zentrale Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete ging.

Die Bürgerversammlung in Frechen-Königsdorf zur geplanten Zentralen Unterbringungseinrichtung war gut besucht.

Mit Schulterklopfern rechnen Politik und Verwaltung nie, wenn sie über Unterkünfte entscheiden. Die Reaktion in Frechen ist schärfer als gewohnt.

Mit dieser Reaktion war zu rechnen – wenn auch nicht so schnell. Keine 24 Stunden, nachdem unsere Redaktion exklusiv berichtet hatte, dass in Frechen-Königsdorf eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes entstehen soll, hatten Bürgerinnen und Bürger ein erstes Treffen unter den Anwohnern organisiert.

Das klare Ziel: die Unterbringung von 300 Geflüchteten in ihrer Nachbarschaft zu verhindern. Mit 30 Teilnehmern hatten die Initiatoren gerechnet. Es wurden 150. Zudem laufen im Internet Aktionen, um Unterschriften gegen das Vorhaben der Stadt und Geld für Anwälte zu sammeln.

Königsdorf ist ein gut situierter Frechener Stadtteil mit zahlreichen Einfamilienhäusern, es gilt als „Sylt von Frechen“. Viele, die dort leben, haben sich vor Jahrzehnten durch harte Arbeit ihren Traum vom Eigenheim erfüllt. Wer heute auch dort wohnen möchte, muss gut bei Kasse sein. Für Häuser werden im Schnitt 600.000 Euro aufgerufen.

Sorgen hören sich anders an.

Auf dem Gelände sind mehrere Aufbauten, Hallen und Remisen sowie Verwaltungsgebäude vorhanden, die teilweise für die ZUE genutzt werden können.

Auf dem Gelände sind mehrere Aufbauten, Hallen und Remisen sowie Verwaltungsgebäude vorhanden, die teilweise für die ZUE genutzt werden können.

Das hat sich schlagartig in dieser Woche geändert, die Angst vor dem Wertverlust der eigenen Immobilie geht um; Stimmen wurden bei der Versammlung im Schützenhaus laut, was denn passiere, „wenn die jungen Männer mal Langeweile“ bekommen. Überlegungen wurden laut, man könne das Gelände doch selbst kaufen. Ein die Stadt um eine halbe Million Euro überbietendes Angebot von 2,5 Millionen Euro macht bereits die Runde.

Das zeugt von Entschlossenheit und finanziellen Spielraum, aber unglücklicherweise auch von einer Verkennung der Fakten. Denn der Verkauf des Geländes, auf dem der Gartenbaubetrieb Zirener seit 130 Jahren seine Geschäfte tätigt, ist bereits weit fortgeschritten. Die Stadt will das Areal erwerben und rund zehn Prozent an das Land für die geplante Geflüchtetenunterkunft verpachten. Der Rest soll als Ausgleichsfläche für Bauprojekte der Vergrößerung des Königsdorfer Forstes dienen.

Sporthallen sollen „mittelfristig“ wieder freigegeben werden

Vermutlich hatten die Verantwortlichen im Rathaus gehofft, den Grat der Entrüstung durch diesen Teil des Deals in einem überschaubaren Rahmen halten zu können. Die Rechnung ging jedoch nicht auf, zumal sich die Anwohner von der Entscheidung „überfallen“ fühlen und eine mangelnde Beteiligung kritisieren.

Der Rest der Rechnung dagegen schon. Die Zustimmung des Rates vorausgesetzt, soll der Bau der ZUE dazu führen, die Sporthallen, in denen Geflüchtete leben, „mittelfristig“ wieder freizugeben. Davon profitieren zahlreiche Vereine und Schulen. Zudem übernimmt das Land NRW sämtliche Kosten für die Geflüchtetenunterkunft bis hin zum Sicherheitsdienst, der rund um die Uhr vor Ort sein wird. Davon profitiert die Stadt Frechen, die finanziell – wie so viele andere auch im Kreis – nicht auf Rosen gebettet ist.

Fast nur Gewinner, zuvorderst das Allgemeinwohl

Sie profitiert auch, weil die in Königsdorf untergebrachten Geflüchteten auf das Kontingent der Frauen, Männer und Kinder angerechnet wird, die der Stadt – einem festgelegten Schlüssel folgend – zugewiesen werden. Und das selbst, wenn die künftige Unterkunft nicht voll belegt sein würde. Die 300 ist immer gesetzt in den Berechnungen. Zudem unterliegen die dort untergebrachten Minderjährigen nicht der Schulpflicht, es müssen also keine Schulplätze bereit gestellt werden.

Frank und Ralf Zirener, Gesellschafter und Geschäftsführer des Königsdorfer Betriebes, hatten lange vergeblich versucht, einen Nachfolger zu finden. Mit dem Verkauf ihres Grundstücks können sie nun sicher sein, dass es in zweierlei Hinsicht eine sinnstiftende Bestimmung erfahren wird: Landschaftsschutz zum einen, Geflüchteten für den Übergang Schutz bieten auf der anderen Seite.

Gewinnen wird zudem das Gemeinwohl.