Todesfälle in HürthStarb der Säugling infolge des Giftanschlags auf die Mutter?
Hürth/Köln – Die Giftmordfälle in Hürth könnten womöglich ein drittes Opfer gefordert haben. So bestätigte Landgerichtssprecher Jan Orth dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass der Säugling der Ex-Lebensgefährtin des inhaftierten Angeklagten inzwischen gestorben ist.
Vor dem Hintergrund, dass auch die Frau während der Schwangerschaft durch ihren Freund Andreas Sieger (Name geändert) mit dem Schwermetall Thallium vergiftet worden sein soll und nur knapp überlebte, hat die Vorsitzende am Kölner Landgericht, Sibylle Grassmann, die Obduktion des Babys durch die Rechtsmedizin angeordnet. „Da die Mutter vergiftet wurde, soll nun die Todesursache des Säuglings festgestellt werden“, erklärte Orth.
Kämen die Forensiker zu dem Ergebnis, das Kind sei letztlich durch den Giftanschlag auf die Mutter gestorben, würde sich das ohnehin schon monströse Verbrechen um einen neuen Tatverdacht erweitern: Der Vater hätte dann sein eigenes Baby getötet.
Giftanschlag in Hürth: Staatsanwaltschaft hat belastende Indizien
Sollte die Rechtsmedizin diesen Schluss ziehen, droht Sieger im Prozess, der am 19. September beginnt, ein weiterer gravierender Vorwurf. Zu den zwei angeklagten Giftmorden, einem Mordversuch nebst einem versuchten Schwangerschaftsabbruch könnte ein weiteres Kapitaldelikt hinzukommen. Das Gericht könnte während der Hauptverhandlung einen rechtlichen Hinweis geben, in dem ein dritter Mordfall in Betracht kommt. Justizsprecher Orth hält sich mit Ausblicken zurück. „Zunächst einmal bleibt das Ergebnis der Obduktion abzuwarten.“
Martin Bücher und Mutlu Günal, Verteidiger des Angeklagten, wollten sich auf Anfrage nicht zu der neuen Entwicklung in dem Fall äußern. Bisher hat ihr Mandant die Vorwürfe zurückgewiesen. In seiner ersten Vernehmung nach der Festnahme Ende November 2021 hatte er beteuert, dass er gar nicht fähig sei, einen Menschen zu töten, auch will er seine schwangere Freundin nicht vergiftet haben. Seither schweigt der Tatverdächtige. So auch zu seinem Motiv.
Allerdings förderten die Strafverfolger viele belastende Indizien zu Tage. So fanden sich in einer Jackentasche des Hygienetechnikers eine Dose des hochtoxischen Thalliums nebst einer aufgezogenen Spritze mit Kaliumchlorid. In dieser Menge injiziert, wirkt die Salzlösung tödlich.
Hürth: Angeklagter soll Ehefrau und ihre Großmutter vergiftet haben
Den Ermittlungen zufolge soll der Angeklagte zunächst seine zweite Ehefrau und später die 92-jährige Großmutter seiner neuen Partnerin in Hürth umgebracht haben. Beide Frauen starben unter qualvollen Schmerzen. Doch niemand ahnte etwas von einer Thallium-Vergiftung.
Als die Freundin des Angeklagten im August 2021 schwanger wurde, gab Andreas Sieger den fürsorglichen Vater in spe. Offenbar eine Scharade. Einen Monat später stellten sich bei seiner Lebensgefährtin dieselben Krankheits-Symptome ein wie bei den Opfern zuvor. Bald darauf musste sie in die Klinik.
Tatverdächtiger suchte auf Google nach „Thallium Schwangerschaft“
Während Sieger sie dort häufig besuchte und ihr gut zusprach, gab mutmaßlich er zu Hause bei Google Suchbegriffe wie „Thallium Schwangerschaft“ ein. Gleich Dutzendfach klickte er auch das Thema Kaliumchlorid an. Zuletzt durchforstete er eine Diplom-Arbeit mit dem Titel „Vergiftung und Toxine, Auswirkungen in Schwangerschaft und Stillzeit“.
Derweil verschlechterte sich der Zustand seiner schwangeren Partnerin zusehends. Mitte November 2021 verlor die Patientin zeitweilig ihr Bewusstsein. Schließlich musste sie künstlich beatmet werden. Am 26. November stellen die Ärzte eine Thallium-Vergiftung fest und verabreichten ein Gegenmittel.
Die Mutter des Opfers suchte daraufhin die Polizei auf. Zu gut erinnerte sie sich noch an die Erzählungen ihres angehenden Schwiegersohnes. Der hatte in Gesprächen offen über die Symptome seiner gestorbenen zweiten Frau erzählt. Merkmale, die sich mit jenen ihrer Tochter deckten. Die Ermittler nahmen den Hinweis ernst und stürmten das gemeinsame Wohnhaus in Hürth. Dort fanden sich die Giftmittel, die der Angeklagte als Beschäftigter eines Krankenhauses in Ratingen über die Adresse seines Arbeitgebers bestellt hatte.