Prozess um Hürther Giftmord startetAnklage wiegt schwer – Tatmotiv bleibt Rätsel
- Der Angeklagte muss sich am Montag im Prozess vor dem Kölner Schwurgericht verantworten.
- Ihm wird versuchter Mord an seiner schwangeren Freundin sowie versuchter Schwangerschaftsabbruch zur Last gelegt.
- Außerdem steht er im Verdacht, seine frühere Frau und deren Großmutter vergiftet zu haben.
Köln – Maria M. erwartete ein Kind, als sich Rattengift in ihrem Körper ausbreitete. Vermutlich im September und Oktober 2021 verabreichte der Hygienetechniker seiner ahnungslosen schwangeren Freundin das stark toxische Schwermetall Thallium. Bald begann Maria M. (Name geändert) über heftige Magenschmerzen zu klagen. Ende Oktober peinigten sie Schmerzen am ganzen Körper. Die früher als Rattengift eingesetzte Substanz schien ihre tödliche Wirkung zu entfalten.
Mitte November traten Lähmungserscheinungen auf. Ihr Bauch blähte sich bedrohlich auf, zeitweilig wurde sie bewusstlos. So steht es in der Anklage der Kölner Staatsanwaltschaft.
Ein Kilogramm Kaliumchlorid bestellt
Während seine Freundin in der Klinik schon um ihr Leben kämpfte, soll Manuel H. laut Anklage einen weiteren Mordanschlag auf sie ausgeheckt haben. Im Internet soll sich der gelernte Krankenpfleger am 17. November über den Stoff „Kaliumchlorid“ informiert haben. In größeren Dosen gespritzt, tritt schnell der Tod ein, lässt sich dort erfahren. Zudem lässt sich das Mittel nur schwerlich nachweisen.
Im Namen seiner Freundin soll der damalige Angestellte einer Klinik in Ratingen gleich ein ganzes Kilogramm Kaliumchlorid bei einem Online-Händler geordert haben. Die Bezahlung soll der 41-Jährige über eine Alias-Mailadresse abgewickelt haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass er das Leben seiner Freundin und des damals drei Monate alten Fötus endgültig auslöschen wollte.
Am 26. November diagnostizierten die Ärzte allerdings die Thallium-Vergiftung bei der schwangeren Frau und verabreichten ihr ein Gegenmittel. So konnten die Mediziner im letzten Moment Maria M. und ihr ungeborenes Kind retten.
Gift in der Jackentasche des Tatverdächtigen gefunden
Vier Tage später nahmen Kölner Polizisten Manuel H. im gemeinsamen Haus des Paares in Hürth fest. Die Mutter seiner schwangeren Lebenspartnerin hatte die Polizei über ihren Tatverdacht informiert. In den Jackentaschen des Hygienetechnikers fanden sich dann auch eine Dose Thallium und eine aufgezogene Spritze Kaliumchlorid.
Vom kommenden Montag an muss sich der Angeklagte wegen zweifachen Mordes, einem Mordversuch und versuchten Schwangerschaftsabbruchs vor dem Kölner Schwurgericht verantworten. Dabei geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass H. schon einmal in tödlicher Absicht in den Giftschrank griff. Im Mai 2020 soll er seine zweite Ehefrau, im April 2021 auch die Großmutter seiner Freundin in Hürth mit einer Thallium-Dosis getötet haben. Die Opfer sollen äußerst qualvoll gestorben sein. Seine Verteidiger Martin Bücher und Mutlu Günal wollten sich vor Prozessbeginn auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.
Über das Tatmotiv rätseln die Strafverfolger nach wie vor. Kurz nach der Festnahme hatte der Angeklagte im Verhör die Vorwürfe vehement abgestritten. Seither schweigt er. Gewiss hatte der Angeklagte finanziell vom Tod seiner zweiten Frau profitiert. Seither gehört ihm ein Haus in Leverkusen, das er vermietet hatte.
Als Samenspender tätig
Außerdem fanden die Kripo-Beamten heraus, dass H. ein Doppelleben führte. Neben seinen festen Beziehungen soll er sich auf einschlägigen Dating-Plattformen als Samenspender angedient haben. Die Ermittlungsakte listet 37 Kontakte zu Frauen auf, die sich ein Kind wünschten. Der Hürther soll hier auch aktiv geblieben sein, als seine Freundin schwanger wurde.
Schon als junger Mann, so die Anklage, gab er den Gigolo. Mitunter soll H. mit sechs Frauen gleichzeitig eine Liaison eingegangen sein. Sobald die Liebe erkaltete, soll er sich der nächsten Frau zugewandt haben. Im Jahr 2011 heiratete der Angeklagte zum ersten Mal. Drei Jahre später folgte die Scheidung. Über die Online-Partnervermittlung „parship.de“ soll H. im Oktober 2015 seine zweite Frau kennengelernt haben. Fünf Jahre später starb sie beim mutmaßlich ersten Thallium-Anschlag ihres Ehemanns.
Ärzte diagnostizierten Autoimmunkrankheit
Weder Polizei noch die Ärzte stellten jedoch eine Thallium-Vergiftung der toten Frau fest, vielmehr tippten sie auf das so genannte „Guillain-Barré-Syndrom“. Eine Autoimmunkrankheit, die zu muskulären Lähmungserscheinungen führen kann. Niemand hegte seinerzeit gegen Manuel H. einen Verdacht. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft stellte ein eingeleitetes Verfahren ein. Und so soll der Angeklagte seine Verbrechensserie fortgesetzt haben. Erst nach der Verhaftung des Tatverdächtigen Ende November 2021 kam der Verdacht auf, dass seine zweite Frau das erste Opfer gewesen sein könnte.
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Im Falle eines Schuldspruchs hat die Staatsanwaltschaft nach der Strafhaft anschließende Sicherungsverwahrung beantragt. Überdies hat die Vorsitzende des Schwurgerichts die Kölner Rechtsmedizin mit einem brisanten Gutachten beauftragt. Zwar hatte Maria M. ihr Kind im Frühjahr zur Welt gebracht, allerdings verstarb der Säugling bald darauf. Nun lässt das Gericht die Todesursache überprüfen. Womöglich hatte der Vater sein eigenes Kind vergiftet.
Sollte sich dies bewahrheiten, werden die Anschuldigungen sich nach Angaben des Landgerichtsprechers Jan Orth allerdings nicht auf dreifachen Mord verschärfen. „Es bleibt beim Vorwurf des versuchten Schwangerschaftsabbruchs.“ Dies hänge damit zusammen, dass das mutmaßliche Opfer zum Tatzeitpunkt noch ein Fötus war. Formaljuristisch betrachtet, handele es sich in diesem Stadium noch um kein Menschenleben.