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Drei Jahre ohne Handy und Laptop unterwegsHürther Bierbrauer geht auf die Walz

Lesezeit 3 Minuten

Brauergeselle Moritz David (vorne rechts) verabschiedete sich am Sonntag auf die Walz. Diakon Helmut Werner (r.) wünschte dem 22-jährigen Hürther alles Gute.

Hürth – Eine Kletterpartie über das Ortsschild Fischenich in Höhe der Brauerei Bischoff – und fort war er, ohne einen Blick zurück. Moritz David hat sprichwörtlich sein Bündel geschnürt und ist hinausgezogen in die große weite Welt. Seit Sonntagmittag ist der Brauer- und Mälzer-Geselle auf der Walz. Auf Nimmerwiedersehen für Familie, Freunde, Bekannte für mindestens drei Jahre und einen Tag. Denn der Bannkreis, den der Geselle in dieser Zeit nicht betreten darf, beträgt 50 Kilometer.

Geschätzt 600 Wandergesellen sind derzeit nach mittelalterlicher Handwerkstradition in Deutschland unterwegs. Die meisten sind Maurer, Zimmerer, Dachdecker, auch Elektriker, Gärtner und Bäcker, nur fünf haben Brauer und Mälzer gelernt wie der 22-jährige Hürther. Um persönlich und beruflich seinen Horizont zu erweitern, hat sich Moritz David für die Walz entschieden. „Ich möchte herausfinden, ob ich den besten Beruf für mich gewählt habe und wo ich künftig leben möchte. Auf jeden Fall werde ich auf der Walz lernen, auf Menschen zuzugehen“, erhofft sich David von seiner Bildungsreise.

Einblick ins Hürther Familienunternehmen Coltro Gold

Nach dem Schulabschluss 2017 begann David eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer in der Bremer Brauerei Becks. Den Gesellenbrief führt er mit sich in seinem Wanderbuch, das nun sein Ausweis ist. Alle Betriebe, in denen er arbeitet, werden nach altem Brauch das Arbeitszeugnis in dieses Büchlein hineinschreiben. „Becks ist eine industrielle Brauerei, ich möchte jetzt vor allem in kleinen Betrieben im handwerklichen Bierbrauen dazulernen“, erklärt David.

Das Stadtsiegel stempelte Bürgermeister Dirk Breuer in Gegenwart von Altgeselle Kaspar (l.) in das Wanderbuch von Brauergeselle Moritz David.

Im Hürther Familienunternehmen Coltro Gold durfte der junge Mann bereits ins handgemachte Brauen hineinschnuppern. Über die Walz informierte er sich im Internet, lernte so bei einem Wandergesellen-Treffen Kaspar aus Niederbayern kennen. „Er wird mich in den ersten drei Monaten begleiten, deshalb bin ich jetzt bei der Abreise nicht allzu aufgeregt“, sagt David. Erst nach diesen drei Monaten darf sich ein Wandergeselle bei Angehörigen und Freunden melden, allerdings müssen Handy und Laptop für die ganze Zeit daheim bleiben. Unterwegs darf kein Geld für Transportmittel und Unterkunft ausgegeben werden.

„Es dürfte jetzt schwer sein, Arbeit in einer Brauerei zu finden“

Ist ein Wandergeselle länger an einem Ort, holt er sich im Rathaus den Stempel der Stadt. Deshalb bat Moritz David Bürgermeister Dirk Breuer, ihm beim Abschied das erste Stadtsiegel ins Wanderbuch zu drücken. Die beiden sind sich bereits begegnet, beim Pfadfinderstamm Saporoger und dem kleinen Karnevalsverein Ringelsöckche Rut-Wieß 1997, dessen Präsident Breuer ist; David half bei Umzügen als Wagenengel aus.

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„Es dürfte jetzt schwer sein, Arbeit in einer Brauerei zu finden“, zeigte sich Breuer besorgt, als er David beim Graben des Loches am Fischenicher Ortsschild zusah. „Bier wird immer getrunken“, antwortete der Brauer-Geselle. Breit wie seine Schultern und 80 Zentimeter unter Straßenniveau tief muss die Grube sein für die Schnapsflasche, die beim Abschiedsabend zur Hälfte ausgetrunken wird. Bei der Heimkehr wird sie der Wandergeselle wieder ausgraben und mit den Gästen seiner Willkommensparty leeren. Auf der Walz werden nun die Segenswünsche von Dirk Breuer und dem pensionierten Diakon Helmut Werner den Wandergesellen Moritz David begleiten.