Drei Hersteller von Getränkekartons haben über acht Millionen Euro in eine Recycling-Anlage im Chemiepark in Hürth-Knapsack investiert.
Recycling-AnlageIm Chemiepark Knapsack werden Rohstoffe aus Getränkekartons zurückgewonnen
Bei Verbrauchern sorgen die kleinen Plastikdeckel, die laut EU-Vorgaben neuerdings fest mit dem Getränkebehälter verbunden sein müssen, mitunter für großen Ärger. Denn den Deckel ohne Verkanten wieder draufzuschrauben, braucht ein wenig Übung. Andreas Henn ärgert sich nicht über die Verschlüsse. Im Gegenteil. „Wir finden das gut, weil das Material dann zu uns kommt und einer Verwertung zugeführt wird“, sagt der Geschäftsführer der Palurec GmbH, die in Knapsack eine Recyclinganlage für Getränkekartons betreibt.
Die Verbundstoffe der Getränkekartons bestehen zu 60 bis 65 Prozent aus Papierfasern sowie mehreren Schichten dünner Folien aus Kunststoff und Aluminium, die verhindern, dass die Verpackung durchweicht, sowie aus dem Verschluss. Schon seit den 1990er-Jahren wird der Kartonanteil in Papierfabriken wiederverwertet und unter anderem zu Wellpappeverpackungen und Faltschachteln weiterverarbeitet.
Durch die Hürther Anlage können über 90 Prozent des Getränkekartons wiederverwertet werden
Übrig bleibt ein Gemisch aus Kunststoffen und Aluminium, das zunächst als Brennstoff in Zementfabriken genutzt wurde. Das sei auch keine schlechte Verwendung, sagt Stephan Karl, Geschäftsführer des Fachverbands Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel – aber eben eine thermische und keine stoffliche Verwertung, wie sie die neue EU-Verpackungsverordnung vorschreibt. Mit Inbetriebnahme der Palurec-Anlage im Chemiepark Knapsack im Frühjahr 2021 sei es gelungen, die Recycling-Quote deutlich zu erhöhen, erklärt Karl, der auch Geschäftsführer von Tetra Pak für Mitteleuropa ist.
Die drei Getränkekartonhersteller Tetra Pak, Elopak und SIG Combibloc haben Palurec 2017 gegründet und 2019 den Grundstein für die Recyclinganlage in Knapsack gelegt. Acht Millionen Euro wurden investiert, inzwischen sind laut Palurec-Geschäftsführer Henn weitere Millionen in die Technik der Anlage gesteckt worden, die die Recyclingfähigkeit der Getränkekartons auf bis zu 90 Prozent steigere.
Das Material wird in riesigen Schleudern getrennt
Die Wahl sei auch aufgrund der Nähe zu einer Papierfabrik in Düren gewählt worden, aus der das übrigbleibende Stoffgemisch aus Kunststoffen und Aluminium in gepressten, gut eine Tonne schweren Ballen auf Lastwagen angeliefert wird, erklärt Henn. Außerdem profitiere das Unternehmen von der guten Infrastruktur im Chemiepark.
In der Palurec-Anlage wird das Kunststoff-Aluminium-Gemisch rein mechanisch getrennt. Dazu wird das Material in riesigen Maschinen zerkleinert und gewaschen. In großen Schwimm-Sink-Tanks sinken größere Aluminiumfolien zu Boden, feine Aluminiumbestandteile werden in 16 Tonnen schweren Hydrozyklonen mit hoher Drehzahl herausgeschleudert.
Das getrocknete Gemisch aus übriggebliebenen Folien und Verschlüssen wird in Windsichtern getrennt. Die schweren Kappen fallen nach unten, die leichten Folien werden vom Luftstrom nach oben getragen. Schließlich wird die Folie in einem Extruder aufgeschmolzen und durch einen Filter gedrückt. Die dickflüssige Kunststoffmasse wird in feine Kunststoffstränge gepresst, in kleine Stücke geschnitten und das Granulat dann unter Wasser abgekühlt.
Heraus kommen drei Rohstoffe. Das Aluminium kann bei der Herstellung von Gussteilen beigemischt, die abgeschiedenen Kappen zu Rohren und Kanistern weiterverarbeitet werden, und aus dem Granulat werden neue Kunststoffprodukte hergestellt.
In Knapsack können 18.000 Tonnen pro Jahr verarbeitet werden
Bis zu 18.000 Tonnen Material pro Jahr können in der Recycling-Anlage in Knapsack verarbeitet werden, die an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr läuft und 30 Menschen im Vier-Schicht-Betrieb beschäftigt. Rund die Hälfte der Getränkekartons, die in Deutschland vom Dualen System in der Gelben Tonne und im Gelben Sack gesammelt werden, werden in der Anlage recycelt. Die andere Hälfte soll künftig in einer neuen Anlage eines anderen Unternehmens in Dessau (Sachsen-Anhalt) verwertet werden, die nach einem etwas anderen Verfahren arbeitet.
Insgesamt liege die Recycling-Quote bei Getränkekartons bei rund 75 Prozent, sagt Verbandsgeschäftsführer Karl. „Der Rest geht in den Haushalten verloren.“ Derzeit ist die Anlage in Knapsack noch nicht voll ausgelastet. Palurec-Geschäftsführer Andreas Henn hofft, dass durch die verbundenen Deckel die Menge steigt. Unterdessen berichtet er von einem kuriosen Beifang: In der Anlage würden jede Menge Kronkorken von Bierflaschen aussortiert. „Die bleiben anscheinend in den Getränkekartons stecken“, wundert sich Henn.