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Interview mit Carsten HennFür den Hürther Autor ist Christoph Maria Herbst der perfekte Buchspazierer

Lesezeit 5 Minuten
Auf dem Bild sind Christoph Maria Herbst und Yuna Bennett in ihren Rollen als gemeinsame Buchspazierer zu sehen. Sie gehen eine steinerne Treppe hoch. Die beiden tragen Hüte und Jacken.

Christoph Maria Herbst als Carl Kollhoff und Yuna Bennett als Schascha in einer Szene aus dem Film „Der Buchspazierer“.

Carsten Henns Bestseller „Der Buchspazierer“ kommt am 10. Oktober in die Kinos. Für ihn ist Christoph Maria Herbst der perfekte Buchspazierer.

Carsten Henn, Sie haben die Verfilmung von „Der Buchspazierer“ schon vor dem Kinostart sehen können. Wie fanden Sie den Film?

Ich war sehr berührt und sehr glücklich über das Ergebnis und darüber, dass das Herz meines Romans erhalten geblieben ist. Das Kino hat ja andere Anforderungen an das Geschichtenerzählen als ein Roman. Das heißt, es sind Figuren und Handlungsbögen weggefallen, das Ende ist verändert worden, es sind aber auch Dinge hinzugefügt worden. Und ich finde, dass sie das sehr, sehr gut gelöst haben. Ich kam aus dem Kino raus und hatte wirklich feuchte Augen, weil die Schauspieler es so großartig gemacht haben.

Es muss schwierig für einen Autor sein, sein Werk so loszulassen.

Ich hatte wirklich Sorge, weil man ja die Horrorgeschichten von anderen Autorinnen und Autoren kennt, bei denen der Film am Ende nichts mehr mit dem Buch zu tun hat. Sobald man die Produktionsfirma auswählt, gibt man mehr oder weniger die Rechte ab, und dann können die damit machen, was sie wollen.

Carsten Henn sieht in Christoph Maria Herbst den perfekten Buchspazierer für den Kinofilm

Wie war das für Sie?

Ich kann das schwer beschreiben, weil es so ein merkwürdiger Prozess ist, die eigene Schöpfung, die man ja wirklich komplett selber in der Hand hatte, in so viele Hände zu legen. Selbst wenn der Drehbuchautor und der Produzent einen guten Eindruck machen, weiß man ja immer noch nicht, was der Regisseur damit macht. Wie sind die Schauspieler, wie ist der Schnitt, die Musik? Da muss man manchmal schlucken und hoffen, dass es gut wird. Zumal das Buch sehr nah an mir dran ist – der Buchspazierer Carl basiert ja auf meinem Vater und Schascha auf meiner Tochter.

Konnten Sie sich mit Christoph Maria Herbst als Buchspazierer anfreunden?

Als ich den Anruf bekam und hörte, dass es Christoph Maria Herbst wird, hatte ich gemischte Gefühle. Ich finde Christoph Maria Herbst großartig, aber er ist ein junger Mann, und meine Figur ist 72 Jahre alt. Als ich dann beim Dreh in Kornelimünster war, traf ich Christoph in der Mittagspause. Er war zwar im Kostüm, aber er sprach und ging eben wie Christoph Maria Herbst. Dann ging es zum Set, die Klappe fiel, und er war wie verwandelt. Seine Körperhaltung, sein Gang, seine Mimik, seine Stimme, er hatte genau diese Mischung aus Grummeligkeit, Warmherzigkeit und Klugheit, die diese Figur braucht. Ich habe Gänsehaut bekommen und gedacht: Du bist mein Buchspazierer. Als ich den Film das erste Mal mit Christoph in Köln gesehen habe, hatte ich danach das Bedürfnis, ihn zu umarmen, weil er meine Figur so gut verstanden und sie dermaßen kongenial zum Leben erweckt hat.

Ein echter Buchhändler inspirierte den Hürther Autor zu „Der Buchspazierer“

Neben Ihrem Vater hat auch ein realer Buchhändler aus Aachen Sie zum Roman inspiriert, der seine Bücher zu Fuß austrägt. Was hat Sie an dieser Idee so gepackt?

Wir leben in einer Welt, die immer schneller wird – so schnell, dass wir nicht mehr hinterherkommen. Als mir erzählt wurde, dass ein Buchhändler die Bücher persönlich zu Fuß austrägt, hatte ich direkt ein Bild von einem Mann im Kopf, der mit seinem schweren Rucksack durch die Stadt schlurft. Dieser gemächliche Mann, der dazu noch für die uralte Kulturtechnik Lesen unterwegs ist, ist für mich die Antithese zur Schnelligkeit. In diesem einzigen Bild war so viel drin, was mich berührt hat. Es war wie ein Ideenkeim, der in eine ganze Welt aufgegangen ist.

Der Autor trägt eine Brille, einen Bart und ein dunkelgraues Sakko. Darunter ein schwarzes Hemd.

Der Autor Carsten Henn wohnt in Hürth

Ihre Figur schafft es, jedem Menschen das richtige Buch zu bringen. Das bedient natürlich eine unglaubliche Leserfantasie.

Da steckt aber auch das besondere Verhältnis zu Buchhändlern oder Buchhändlerinnen drin. Es ist eben etwas anderes, ob der Algorithmus einem sagt: Wenn sie das mochten, dann mögen sie auch das. Oder ob jemand Sie persönlich kennt und sagt: Lies das mal, das ist was für dich. Ich glaube, man baut zu niemandem im Einzelhandel eine so enge persönliche Beziehung auf wie zu einem Buchhändler oder einer Buchhändlerin, der man erzählt, welche Literatur man liebt. Dann hat man quasi einen persönlichen Berater für das, was einen im Herzen bewegt und berührt.

Es gibt ja auch so viele Bücher, dass es manchmal schwer ist, sich zu orientieren.

Was man liest und was einen anspricht, ist so intim. Es ist ein großes Glück, dass es diese Menschen gibt, die bei der riesigen Anzahl an Büchern sagen können, das hier wird echt was für dich sein. Ich weiß nicht, wo ich als Leser ohne diese Menschen wäre, die mir auch Bücher empfohlen haben, bei denen mich das Thema anfangs nicht interessiert hat. Und bei denen ich dann gemerkt habe, als ich mich darauf eingelassen habe, dass es das richtige Buch zur richtigen Zeit war.


Zur Person

Carsten Henn ist ein in Hürth ansässiger Autor. Er ist auch Gastro-Kritiker für den Kölner Stadt-Anzeiger und bekannt für seine kulinarischen Krimis. Mit „Der Buchspazierer“ war der Autor zwei Jahre lang auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Zum Film

Der Buchhändler Carl Christian Kollhoff (Christoph Maria Herbst) kennt für jeden das richtige Buch. Wie ein Briefträger überbringt er sie auf seinen Spaziergängen persönlich seinen Kunden, die für ihn literarische Figuren wie Effi Briest oder Mr. Darcy sind. Aber er betritt nie ihr Zuhause - zumindest bis die neunjährige Schascha (Yuna Bennett) in sein Leben bricht. „Der Buchspazierer“ ist das Kinoregie-Debüt von Ngo The Chau und startet am 10. Oktober in die Kinos.