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„Das geht auf die Knochen"Hürther Tafel nimmt vorerst keine neuen Kunden mehr an

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Gut zu tun haben die Helferinnen Nadezhda Welsch (l.) und Gerda Karl sowie der Vorsitzender Peter Gaebel von der Tafel.

Hürth-Hermülheim – Lange Schlangen bilden sich an den drei Öffnungstagen in der Woche vor der Tafel. Seitdem immer mehr Menschen aus der Ukraine kommen, die Schutz vor dem Krieg suchen, sind die Wartereihen noch länger geworden. Der Tafelverein sah sich gezwungen, die Notbremse zu ziehen und nimmt vorerst keine neuen Kunden mehr in die Kartei auf. „Wir schicken aber niemanden hungrig weg“, stellt der Vorsitzende Peter Gaebel klar.

700 Menschen hat die Tafel vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine mit Lebensmitteln versorgt, die täglich von Ehrenamtlern bei den Supermärkten, Discountern und einigen Großhändlern abgeholt werden. Inzwischen ist deren Zahl auf 1000 gestiegen. Die meisten der 300 neuen Kunden sind Ukrainerinnen. 350 Familien stehen jetzt in der Kartei. Sie müssen in Hürth leben, ihre Bedürftigkeit nachweisen und acht Euro im Monat bezahlen.

Tafel in Hürth musste zuletzt 20 Familien abweisen

„Wir sind an unsere Kapazitätsgrenzen geraten“, sagt der ehemalige Berufssoldat und gelernte Kaufmann Gaebel, der sich wie seine Frau Jutta seit weit mehr als zehn Jahren bei der Tafel engagiert. „In den vergangenen beiden Wochen haben wir 20 Familien abweisen müssen.“ Dennoch werde jeder Einzelfall geprüft. „Am Montag waren drei junge Frauen aus der Ukraine hier, die hatten noch kein Geld von der Stadt bekommen“, berichtet Gaebel. „Denen haben wir etwas in die Tüte gepackt.“

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Die Tafel-Helfer Kevin Brenda und Daniel Gleske verladen eine Lieferung von Möhren von einem Großhändler.

An Waren mangelt es der Tafel nicht. Körbe, Regale und Kühltheke sind gut gefüllt, vor allem mit verderblichen Waren wie Obst und Gemüse, Molkereiprodukten und anderen Lebensmitteln, die kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums stehen und von den Händlern sonst entsorgt werden müssten. Zurzeit können die Tafel-Mitarbeiter auch Süßigkeiten und gefärbte Ostereier in die Einkaufstaschen packen, die in den Supermärkten gerade ausgeräumt worden sind.

Teure Lebensmittel sorgen auch für mehr Nachfrage von Hürthern

Der Engpass entsteht beim Personal. 30 Helferinnen und Helfer – Ehrenamtliche und Ein-Euro-Jobber – packen täglich mit an. „Viele davon sind an den Ausgabetagen schon um 8 Uhr da, sortieren die Ware vor und geben sie dann bis 15 Uhr aus“, berichtet Gaebel. „Das geht auf die Knochen. Wir haben ja viele Mitarbeiter, die schon etwas älter sind. Ein Großteil unserer Ehrenamtler steht nicht mehr im Berufsleben.“ Auch die engen Räume an der Kölnstraße gäben nicht mehr her.

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Peter und Jutta Gaebel hoffen, dass der Aufnahmestopp vorübergehend bleibt. Zu schaffen mache der Tafel die unklare Lage. „Man weiß ja nicht, wie viele Menschen noch aus der Ukraine kommen werden und ob sie alle bleiben.“ Zudem rechnet Jutta Gaebel damit, dass angesichts steigender Lebensmittelpreise auch mehr Hürther – oft Rentner oder Alleinerziehende mit geringem Einkommen – zur Tafel kommen werden: „Die müssen wir ja auch aufnehmen.“ Peter Gaebel betont: „Wir haben zwar Aufnahmestopp, aber es soll sich keiner scheuen, trotzdem vorbeizukommen, um mal Lebensmittel mitzunehmen.“