Ein außergewöhnliches Ehejubiläum feiern Johann und Gertrud Ullrich aus Hürth. Sie sind 75 Jahre verheiratet.
KronjuwelenhochzeitHürther Ehepaar verrät, warum es Leberwurst zur Hochzeit gab
„Sie sah einfach bezaubernd aus, und sie hatte die schönsten Beine“, erinnert sich Johann Ullrich (97) an den Abend, an dem er 1946 seine spätere Frau Gertrud Ullrich (geborene Hilgert) das erste Mal sah. Das Tanzlokal im alten Hürth-Knapsack gibt es schon lange nicht mehr. Der ganze Ort wurde weggebaggert. Doch ihre große Liebe ist geblieben. Am 9. April 1948 gaben sie sich das Jawort. Ostersonntag feiern Johann und Gertrud Ullrich ihren 75. Hochzeitstag, ihr Kronjuwelen-Jubiläum.
Der Brautstrauß bestand aus weißen Tulpen
Wie vor 75 Jahren, als Johann Ullrich seiner großen Liebe den Brautstrauß aus weißen Tulpen binden ließ, wird er seine Frau mit einem großen Strauß weißer Tulpen überraschen. „Sie ist immer noch mein Schatz“, sagt er. Er liebe sie und die gemeinsame wunderbare Tochter. Stolz sind die Jubilare auf vier Enkelkinder und zehn Urenkel. „Das sind sie“, sagt er und deutet auf das Foto der munteren Kinderschar im Regal.
Es ist vor einem Jahr entstanden. Damals gaben Gertrud und Johann Ullrich ihren Haushalt in Hürth-Efferen auf und zogen ins Rudi-Tonn-Haus. Wie zu Hause stehen auch hier die Betten nebeneinander und ein Foto des Partners auf dem Nachttisch. Zum Hochzeitstag haben sich viele Gäste angekündigt.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Seniorenhaus können sich nicht erinnern, schon einmal ein Kronjuwelenjubiläum miterlebt zu haben. Bürgermeister Dirk Breuer und Ortsvorsteher Hans-Josef Lang sprachen gar von einem Jahrhundertereignis. „Vor 75 Jahren war die Welt noch eine ganz andere“, sagt der Jubilar. Es sei eine arme Zeit gewesen. „Am schlimmsten war der ständige Hunger.“ Den Hochzeitsanzug habe er sich von seinem Vater geborgt, das weiße Hemd sei nur ein großer Kragen gewesen. Auch das Brautkleid seiner Frau war geliehen. Karg war auch das Hochzeitsmahl. „Es gab Leberwurst mit Brot“, erzählt Johann Ullrich. Der junge Bräutigam arbeitete damals schon bei RWE und lebte in einem Zimmer, das er in Hürth in einem Privathaus gemietet hatte.
Nach der Kriegsgefangenschaft bei RWE gearbeitet
Nach der Hochzeit zog dort auch seine Frau ein. Ausschlaggebend für seinen Arbeitsantritt bei RWE nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1945 war vor allen Dingen das Versprechen des Arbeitgebers auf eine warme Mahlzeit täglich. Später absolvierte er im Unternehmen seine Meisterprüfung und blieb bis zum Ruhestand als Elektrosteiger in der Werkstatt Gotteshülfe.
„Ich war auch für die Elektronik der großen Bagger zuständig“, sagt der Jubilar. Auch dort, wo heute das Altenheim stehe, sei Kohle gefördert worden. „Als zweiter Mensch in Hürth-Efferen habe ich ein Telefon bekommen“, erzählt er. Wenn nämlich nachts ein Bagger stillstand, wurde er angerufen. „Und dann bin ich raus, um das Problem zu lösen.“
Wenn der Bagger stillstand, hat Johann Ullrich das Problem gelöst
Hunger und Zerstörung hat auch Gertrud Ullrich erlebt. Ihr Elternhaus wurde beim ersten Luftangriff auf Hürth bombardiert. Eine Bombe fiel durch das Dach ins Schlafzimmer ihrer Eltern. Die Familie überlebte und wurde nach Sachsen ausquartiert. Erst als die Russen im Anmarsch waren, flüchteten sie zurück in die Heimat. All diese Eindrücke haben die Ehe und das Leben der Jubilare geprägt. Fleißig waren sie, halfen neben ihrer Arbeit zunächst der Tante beim Wiederaufbau des von Bomben zerstörten Hauses in Hermülheim.
Darin erhielten sie auch ihre erste kleine Wohnung, wo 1952 Tochter Dagmar zur Welt kam. Schon 1955 zog die Familie mit den Eltern von Gertrud Ullrich ins eigene Haus nach Efferen. Nie wieder wollten sie Hunger leiden. Deswegen bauten sie in ihrem Garten Gemüse an und hielten Hühner, Kaninchen und Schweine. Daneben fuhr Gertrud Ullrich bis zu ihrer Rente zur Arbeit ins Büro der Kassenärztlichen Vereinigung nach Köln.