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Interview zu Krankenhäusern in Rhein-Erft„Das Pflegepersonal kann nicht nachwachsen“

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Winfried Kösters ist Experte in Demografiefragen.

Rhein-Erft-Kreis – Der Bergheimer Publizist Winfried Kösters ist Experte in Demografiefragen. Dennis Vlaminck sprach mit ihm über die Krankenhauslandschaft im Rhein-Erft-Kreis.

Herr Kösters, der Rhein-Erft-Kreis hat sieben Krankenhäuser, die nahezu alle auf eigenen Füßen stehen. Ist das ein Modell mit Zukunft?

Kösters: Nein. Das Problem wird künftig nicht die Zahl der Betten sein, sondern die Zahl der zur Verfügung stehenden pflegerischen und ärztlichen Betreuung. Immer mehr Krankenhäuser können ihre Betten nicht mehr komplett bewirtschaften, weil das Personal fehlt. Es wird auch nicht einfach nachwachsen können, da es nicht mehr geboren ist. Also müssen wir umdenken. So wie bisher geht es nicht weiter.

Aber die Arbeit wird nicht weniger.

Wer sich mit der Zukunft der Krankenhauslandschaft beschäftigt, der sollte sich zuerst mit der Bevölkerungsstruktur beschäftigen, für die diese Krankenhäuser da sein wollen und aus der das Personal rekrutiert werden soll. Fakt ist, dass unsere Gesellschaft deutlich älter wird. Betrug der Anteil der Menschen über 65 Jahren im Rhein-Erft-Kreis 2020 rund 22 Prozent, so werden es 2030 rund 27 Prozent sein. Tendenz weiter steigend. Die Krankenhäuser werden also deutlich mehr ältere Menschen versorgen müssen. Faustformel: Je älter eine Gesellschaft, umso mehr wird die Dienstleistung Gesundheit nachgefragt. Gleichzeitig werden die Menschen, aus denen der Nachwuchs an Personal für das Gesundheitswesen rekrutiert werden kann, weniger.

Was muss sich ändern, wenn es nicht genug Personal gibt?

Wir müssen die digitale Betreuung stärker einsetzen, auch die telemedizinische Begleitung. Das setzt eine gewisse Breitbandinfrastruktur voraus. Die Trennung von ambulanter und stationärer Medizin gehört abgeschafft, zumal auch der Ärztestand bereits heute eine Alterung erreicht hat, die kaum aufzufangen ist. Wir werden mit anderen Professionen, Apothekerinnen und Apothekern, Therapeutinnen und Therapeuten aller Art, viel stärker kooperieren müssen, ebenso mit ambulanten Altenpflegerinnen und -pflegern. Wir werden stärker auf Robotik, zum Beispiel im Bereich der Dokumentation setzen müssen, aber auch auf andere technische Assistenzsysteme.

Warum nicht einfach Fachkräfte aus dem Ausland anwerben?

Deutschland braucht Fachkräfte, die Fachkräfte brauchen aber Deutschland nicht. Warum sollen sie kommen wollen? Weitere Kräfte aus dem Ausland abzuwerben, wird in den Herkunftsländern zu Versorgungsengpässen führen. Diese zugewanderten Kräfte müssen sich zudem wohlfühlen können. Das Problem wird zum Teil die Sprache sein, zum Teil aber auch ein Mangel an technischen Kenntnissen, weil die High-Tech-Medizin in Deutschlands Krankenhäusern nur bedingt mit bestimmten Ländern, aus denen klassisch Kräfte abgeworben werden, zu vergleichen ist. Schließlich brauchen wir für diese Menschen Wohnraum, und sie sind auch integrationspolitisch zu begleiten. Denn es kommen nicht nur Arbeitskräfte, es kommen Menschen.

Wie kann eine Zusammenarbeit der Krankenhäuser aussehen?

Es braucht zuerst eine Einsicht, dass die sieben Hospitäler nur zusammen eine Chance auf Erhalt haben. Ebenso müssen wir eine realistische Einschätzung vornehmen, welches Personal zur Verfügung stehen wird, das dann in diesen Krankenhäusern Dienst tun kann. Danach gilt es Schwerpunkte zu setzen. Wer macht künftig was und konzentriert sich fachlich, technisch und personell auf bestimmte Indikationen. Daneben werden Notfallambulanzen, Palliativmedizin und die Kooperation der stationären und ambulanten Versorgung neu zu regeln sein. Ich glaube, dass künftig noch andere Professionen im Krankenhaus zu integrieren sind. Zukunft ist nicht mehr die Verlängerung der Vergangenheit. Deutschland hat noch immer keine Einwanderungskultur entwickelt.

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Welche Rolle wird die Telemedizin spielen?

Eine große. Ältere, mobilitätseingeschränkte sowie multimorbide Menschen werden weitaus stärker von zu Hause aus betreut werden müssen als das heute der Fall ist, insbesondere im ländlichen Raum. Aber auch Krankenhäuser werden sich vernetzen und gleichzeitig spezialisieren. So ist zum Beispiel eines der sieben Krankenhäuser eine fachlich bestens ausgestattete Schlaganfallklinik, während die anderen Kliniken „nur“ Räume vorhalten, wo die telemedizinische Verbindung eines Schlaganfallpatienten mit dieser Klinik hergestellt wird. Das ist schon heute in Kassel Realität, deren universitäre Schlaganfallambulanz mit 14 umliegenden Krankenhäusern vernetzt ist. Es geht schon heute viel, man muss es nur wollen.