Der Kerpener Claus Dethloff will mit den Cologne Athletics die wenig Beachtung findende Disziplin wieder in Schwung bringen.
Interview mit Cologne Athletics-Chef„Die Leichtathletik ist eine geile Sportart“
Der Vorsitzende des Kölner Leichtathletik-Vereins Cologne Athletics, Claus Dethloff, baut mit seinen Kooperationen ein flächendeckendes Netz für die Leichtathletik im Kreisgebiet auf. Im Gespräch mit Manfred Christoph berichtet der 56-jährige Wirtschaftspsychologe aus Kerpen, wie der Olympia-Teilnehmer im Hammerwerfen die nahezu in Vergessenheit geratene Disziplin Leichtathletik wieder zurück auf die Bildfläche bringen will.
Herr Dethloff, die Leichtathletik ist mit Laufen, Werfen und Springen die Grundlage aller Ballsportarten sowie der weiterführenden Disziplinen wie etwa dem Hammerwerfen. Wir nehmen sie bei den Olympischen Spielen wahr, obwohl uns diese drei archaischen Bewegungsformen schon von Kindheit an begleiten. Aber wo ist die Leichtathletik in der öffentlichen Wahrnehmung?
Claus Dethloff: Da stimme ich zu, dass wir als Zuschauer, außer bei Olympischen Spielen oder bei großen Meetings, wenig Leichtathletik sehen, weil sie in der öffentlich-rechtlichen Wahrnehmung praktisch nicht hinreichend dargestellt wird.
Woran liegt das?
Wenn wir in der Leichtathletik einen Verein wie den 1. FC Köln im Fußball hätten, dann hätten wir einen Klub mit großer Strahlkraft und wir brauchen Leitfiguren. Es fehlt nicht nur ein Anker, sondern vor allem an Angeboten und Präsenz. Und es fehlt an Power, ohne Motor fährt kein Auto. Die Leichtathletik hat die letzten 20 Jahre verschlafen. Die Sportfeste sind langweilig und undurchsichtig für die Zuschauer. Es fehlt der Eventcharakter bei diesen Veranstaltungen.
Was kann man dagegen tun?
Die Leichtathletik müsste sich besser vermarkten. Sie muss sich von innen nach außen abbilden und als olympische Kernsportart einfach sichtbarer werden. Ich würde ein Ligasystem etablieren, ein Format, das Elemente der attraktiven Ballsportarten bietet. Und dann muss man diese Veranstaltung angemessen vermarkten und platzieren. Beim Deutschen Leichtathletik-Verband scheint man zufrieden zu sein mit der bisherigen Präsenz bei Großereignissen, das ist alles zu wenig, wie man sieht oder besser: Nicht sieht.
Wie können Sie mit Cologne Athletics dagegen steuern und etwas für mehr Präsenz tun?
Ich bin ja laut und bunt. Was wir mit Cologne Athletics machen, ist die Nummer eins in Deutschland. Bis dato hat sich kein Offizieller des DLV bei mir informiert. Der Verband ist Funktionärs-orientiert, aber primär ist doch der Athlet und sekundär ist der Trainer die Zielperson. Die Funktionäre sollten Dienstleister sein, aber man hat das Gefühl, sie und ihre Sachbearbeiter sind überfordert. Wir erleben dort ehrenamtliche Strukturen und jeder will seinen Posten wahren. Es gibt kein Kontrollsystem in der Verbands- und Vereinsstruktur sowie bei den Protagonisten und wir sehen stattdessen einen Qualitätsverlust im Sportmanagement und im Sportbetrieb sowie ein Sterben der Leichtathletik-Vereine in der Peripherie.
Was fehlt konkret?
Die Leichtathletik ist nach Fußball die zweitbeliebteste Sportart. Es gibt aber keinen regelmäßigen, bundesweiten Auftritt, es fehlt das Angebot und die mediale Vermarktung. Paris war eine schöne Veranstaltung, das war einmalig und mit einem DJ toll inszeniert. Das, was hier in Deutschland an Leichtathletik-Events angeboten wird, ist nicht attraktiv, es gibt viel Leerlauf und das Regelwerk ist zu kompliziert. Nehmen Sie den Hochsprung: Kein Zuschauer weiß, wie viele Sprünge ein Springer hat und warum später das Ranking so ausfiel. Da ist ein Foul oder selbst das Abseits einfacher. Es fehlt ein Laufsteg, es fehlen Persönlichkeiten. Protagonisten sind sehr wichtig und die haben wir nicht. Die Darstellungsform ist einfach nicht attraktiv. Ich denke, ein Ligasystem mit Wettkämpfen in überschaubaren zeitlichen Abständen, wo auch der Streaming-Dienstleister professionell wirkt, täte dieser geilen Sportart einfach gut.
Wie wirkt sich die Kooperation von Cologne Athletics mit den Rhein-Erft-Klubs aus?
Sehr gut. CA ist Vorreiter in der konsequenten Ausrichtung zum Schulsport. Wir hatten im Sommer die Talentiade im Kölner Südstadion unter großem Zulauf von Schulen auch aus dem Rhein-Erft-Kreis. Es geht nicht um ein kurzfristiges, sondern um ein langfristiges Ziel. Wir wollen die Sportlehrkräfte motivieren, um eine höhere Durchbringung von Kindern und Jugendlichen zu erreichen. Wir haben zu wenig qualifizierte Trainer im Mittelbau in der Altersklasse der 12- bis 15-Jährigen. Wir haben mit dem THC Brühl, der TS Frechen, dem LC 07 Bergheim, dem TV Bedburg und dem TuS Wesseling bereits ein Verbundsystem mit fünf Vereinen aufgebaut plus Schulkooperationen.
Ihr Sohn war als Deutscher Meister im Hürdensprint im August bei der U20-WM. Gibt es weitere Talente im Kreisgebiet?
Wir haben durchaus Talente, aber wir müssen sie abholen, das ist die Herausforderung. Wenn ich es ernst meine, sind wir in der Holschuld. Und das am besten mit einem Trainingsangebot in der Schule. Und wir benötigen nicht immer ein großes Stadion, wir können die Leichtathletik überall ausüben. Effizienz ist hier ganz wichtig, denn wir verfügen ja nicht über unendliche Ressourcen.
Wie schätzen Sie Samita Schatz vom Pulheimer SC ein oder ihre ehemalige Vereinskollegin Marlene Meier, die es vom PSC zum TSV Bayer 04 Leverkusen geschafft hat?
Ich beobachte Marlene von Kindheit an, seit sie zusammen mit meiner Tochter angefangen hat. Sie ist jetzt über 100 m Hürden in der Frauenklasse angekommen, da fängt die Musik bei 12,60 Sekunden im Zwischenlauf einer internationalen Meisterschaft an (Anm. d. Red.: Meiers Bestzeit liegt bei 12,93 Sekunden). Samita hatte eine Top-Saison, doch wurde leider nicht für die U20-WM nominiert. Deswegen muss man relativieren. Im Hochleistungssport ist die Luft dünn. Ich wünsche beiden, dass sie das soziale und sportliche Umfeld haben, das ihnen größtmöglichen Erfolg bietet.