„Ich brauche keine Ausreden"Kerpenerin kocht für Menschen an der Ahr
Kerpen – Den Sommerurlaub hatte Michelle Plies, gelernte Visagistin und ausgebildete Servicefachkraft aus Kerpen, ganz anders geplant. Doch dann kam die Flutkatastrophe. Als die 25-Jährige die erschütternden Fotos und Videos im Fernsehen und auf Instagram sah, stand für sie fest: „Da möchte ich helfen!“
Wie und wo, war ihr anfangs noch nicht klar, doch ihre Mutter, Geschäftsführerin eines Weinmarktes in Kerpen, unterstützte ihren Wunsch und rief zunächst eine Spendenaktion unter dem Motto „Trinken für den guten Zweck“ ins Leben.
Ahr: Warmen Mahlzeiten sind Mangelware
Bei ihren Recherchen erfuhr Michelle Plies, dass „warme Mahlzeiten Mangelware sind“. Und auch, dass die Menschen an der Ahr am stärksten betroffen und ohne Strom waren. So beschloss sie, für diese Menschen zu kochen und zu backen. Schnell wurde ein Einkaufsplan erstellt für Chili con Carne, Spaghetti Bolognese und Spaghetti Napoli. Während ihre Mutter Reis und Nudeln kochte, bereitete Michelle in ihrer winzigen Küche die Saucen für 80 bis 100 Portionen zu.
Auf ihrem Instagram-Account bat sie um Begleitung auf ihren Fahrten. Doch die 400 Menschen, die ihren Aufruf gesehen hatten, reagierten nicht oder hatten jede Menge Ausreden. „Ich brauche keine Ausreden. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagt Plies.
Kerpen: Mit dem Kombi der Schwester unterwegs
So belud sie den Kombi ihrer Schwester am 30. Juli mit 100 Portionen Essen, Kuchen, Kaffee, Milch, Säfte, Snacks und machte sich auf ihre erste Tour nach Insul. Die Bewohner des Örtchens waren zunächst irritiert. Sie wussten nicht so recht mit der jungen Frau im modischen Joggingoutfit und mit künstlichen Wimpern umzugehen. Doch als sie dann den Kofferraum öffnete und rief: „Wollt ihr was essen?“, begriffen sie: Da steht eine, die will uns helfen. Seitdem fährt Michelle Plies fast täglich ihre Route von Kerpen nach Insul, Schult, Hönningen und Liers und bringt immer etwas Leckeres mit.
Anfangs halfen die Spenden bei den Einkäufen. Doch inzwischen hat Mehmet Akzoy, Leiter des Kaufland Kerpen, zugesagt, dass das Unternehmen all ihre Einkäufe übernehmen wird.
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Michelle Plies bringt nicht nur Essen an die Ahr, sie hört auch zu, wenn sich die Menschen ihr Leid von der Seele reden. Nur mit dem Sarkasmus, mit dem sich manche Flutopfer schützen, um nicht zu verzweifeln, könne sie schlecht umgehen, sagt Plies. So habe eine Frau ihr gesagt: „Ich wollte immer eine schlammfarbene Couch haben. Jetzt habe ich eine, aber jetzt will ich sie nicht mehr.“
Manchmal kann Michelle Plies nicht schlafen, dann hat sie die Bilder im Kopf, die Geschichten im Ohr. Doch für sie steht fest: „Ich mache weiter.“