Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Text aus unserem Archiv, der unsere Leserinnen und Leser besonders interessiert hat. Er wurde zum ersten Mal am 13. August 2021 veröffentlicht.
Pulheim-Stommeln – Viel zu Hause war Markus Wipperfürth in den vergangenen vier Wochen nicht. Seine Familie hat er kaum gesehen. Der Landwirt war im Dauereinsatz – in Walporzheim, einem Stadtteil von Bad-Neuenahr-Ahrweiler, den die Wassermassen am 14. Juli zu großen Teilen verwüstet haben.
„Ich bin hingefahren, um zu helfen“, sagt der 48-Jährige. Das will er auch in den nächsten Tagen tun, wobei er etwas kürzer treten wird. Donnerstag hat die Strohernte wieder begonnen, er wird auf den Feldern in Köln und im Umland gebraucht. „Ich versuche, früh morgens nach Walporzheim zu fahren, um mittags zu Hause zu sein.“
Nach drei Stunden Schlaf fuhr Markus Wipperfürth an die Ahr
Vor Ort zu helfen, war für Markus Wipperfürth keine Frage. Vier Wochen vor der Flutkatastrophe war seine Reitanlage in Köln „abgesoffen, das war quasi die Generalprobe, aber wir waren gut vorbereitet“. Pro Quadratmeter seien bis zu 100 Liter gefallen. Tage vor der Flutkatastrophe Mitte Juli „waren bis zu 200 Liter gemeldet. Daher habe ich am 14. Juli über Facebook eine Warnung an die Bauern in der Eifel geschickt“.
Über Stunden habe er sich noch an dem Abend mit Wilhelm Hartmann, ein Freund aus Fulda, ausgetauscht, in der Nacht hätten sie beschlossen, „wir fahren hin“, gegen 8 Uhr, nach gerade mal drei oder vier Stunden Schlaf, habe er sich mit seinem Traktor und einem Hakenliftcontainer auf den Weg an die Ahr gemacht.
Markus Wipperfürth: „Das hat es so in Deutschland noch nie gegeben“
Wilhelm Hartmann trat die Fahrt mit fünf Mitarbeitern, einem Radlader und einem kleinen Lkw an. Der Dritte im Bunde, Martin Feldhoff, ein Freund aus dem Bergischen, stieß am Morgen des 15. Juli dazu. An der Heerstraße in Bad-Neuenahr-Ahrweiler hätten sie sich mit der Feuerwehr getroffen. „Die Einsatzleitung hat uns nach Walporzheim geschickt.“
Dort machten sich die Männer und die vielen anderen Helfer, die Markus Wipperfürths Facebook-Aufrufen nach und nach folgten, an die Arbeit. „Bauunternehmer, Garten- und Landschaftsbauer, Lohnunternehmer, Bauern kamen von überall her“, sagt Markus Wipperfürth. Bis zu 2000 im gesamten Ahrtal dürften es gewesen sein, vermutet Wipperfürth. Sie alle hätten Gerät, das dringend benötigt wurde, mitgebracht. Die Bundeswehr habe sie mit Kraftstoff versorgt, Sanitäter, Hilfskräfte und Seelsorger seien erst am fünften Tag nach der Katastrophe gekommen.
„Wir hatten nur Fachleute, aus ganz Deutschland. Die wissen, was sie tun müssen. Firmen spenden Reifen, Landmaschinenhändler stellen neue Maschinen zur Verfügung, den Wertverlust nehmen sie in Kauf. Das ist einzigartig, das hat es so in Deutschland noch nie gegeben. Es hätte nicht besser laufen können.“
Markus Wipperfürth zu Vorwürfen: „Ich will einfach nur helfen“
Dass Markus Wipperfürth so gut vernetzt ist, kommt nicht von ungefähr. „Ich äußere mich über die sozialen Medien schon länger über Landwirtschaft und politische Entscheidungen. Wir Landwirte sind gut vernetzt, und wenn einer eine gute Idee hat, machen fast alle mit.“
Mit seinen Facebook-Kommentaren, insbesondere mit seiner aktuellen Kritik am Katastrophenmanagement, hat sich Markus Wipperfürth nicht nur Freunde gemacht. Von den Vorwürfen, er sei ein Querdenker, sympathisiere mit den Rechten distanziert er sich. „Ich kann Ihnen Brief und Siegel geben, dass ich weder ein Querdenker noch ein Impfgegner bin, ich bin geimpft, ich trage einen Mundschutz. Ich will einfach nur helfen.“
Ahrtal: Fachleute wurden schon wieder abgezogen
Die aktuelle Situation bereitet ihm Sorgen, auch die steigenden Temperaturen und die damit verbundene Seuchengefahr. „Ich habe den Eindruck, die Katastrophe sei gestern gewesen. Hier gibt es Stellen, die sehen so aus wie vor vier Wochen. Es ist schlimm.“ Inzwischen seien zudem viele der Fachleute wieder abgezogen, weil sie sich um ihre Betriebe kümmern müssten. „Aber das Thema Bezahlung ist noch in Klärung. Nach vier Wochen sollte man doch davon ausgehen, dass die Unternehmer eine finanzielle Unterstützung brauchen. Es muss ein klares Zeichen der Politik her.“ Denn es müssten viel mehr Helfer hier vor Ort sein.
Die Bilder der Verwüstung, der verzweifelten Menschen, der Frau, die an der Stelle stand, an der ihr Mann vor fünf Monaten beerdigt wurde, und die feststellen musste, dass das Grab weggespült wurde, aber auch die Schilderungen der Helfer, die Leichen oder Leichenteile geborgen haben, und dies nicht verkraften – all dies versucht Markus Wipperfürth noch zu verdrängen. Doch das klappt nicht immer. „An einem Morgen, als ich meinen Kaffee trank, kamen mir vor der Fahrt nach Walporzheim die Tränen. Ich habe eine halbe Stunde geheult. Ich werde mir später professionelle Hilfe suchen.“