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„Mütter haben vor Freude geweint“So erlebt ein Baugutachter seinen Einsatz in Blessem

Lesezeit 3 Minuten

Bauexperte Kristof Kronenberg Zeidler bei seinem Einsatz in Blessem.

Erftstadt-Blessem – Er hat nicht mitgezählt, an wie viele Türen er geklopft hat seit vorletzter Woche. Kristof Kronenberg-Zeidler hat „Leute angequatscht“, Prospekte verteilt, sich durchgefragt. Der Bausachverständige ist in Orten unterwegs, die vom Hochwasser betroffen sind, um Hausbesitzern eine erste Einschätzung des Schadens zu geben. Kostenlos. Er will den Flutopfern mit seinem Fachwissen helfen, ihnen wenigstens die quälende Ungewissheit nehmen.

Auch am Mittwoch war Kronenberg-Zeidler wieder in Blessem unterwegs, ausgerüstet mit seinem wichtigsten Arbeitsgerät, einem kleinen Hammer. Mit dem klopft er Mauern ab, Badezimmerwände, Kellerböden. „Wenn es hohl klingt, ist mit Sicherheit Wasser dahinter“, sagt der Bausachverständige aus Solingen. In seinem Kleinbus hat er Messgeräte dabei, aber auch einen Helm samt Stirnlampe.

Bausachverständiger: „Das Auto ist seit Tagen mein Zuhause“

„Das Auto ist seit Tagen mein Zuhause“, sagt er. Ein Zuhause, das mittlerweile eindeutig nach Heizöl riecht von all den Kellern, in die er gestiegen ist. Nur ein oder zwei Hausbesitzer hätten ihn nicht hereingelassen, alle anderen seien angetan gewesen von seinem Angebot. Er gebe eine erste Einschätzung, wie schwer der Schaden sei, und schlage Sofortmaßnahmen vor. „Mir sind schon Mütter vor Freude weinend um den Hals gefallen, weil ich ihnen gesagt habe, dass das Haus nicht abgerissen werden muss“, erzählt er. Ganz tolle Reaktionen habe er erlebt: „Und das ist meine Motivation, immer wieder hinzufahren.“

Die passende Ausrüstung hatten die Experten immer dabei.

Zwischendurch muss er dann aber schon mal Geld verdienen. Er mache häufig Gutachten für einen großen Discounter, erzählt der Solinger. Und für diesen Auftraggeber fährt er am Donnerstagmorgen um 4 Uhr mal eben quer durch die Republik, um am nächsten Tag nach elf Stunden Fahrt wieder in Blessem zu sein.

Erftstadt-Blessem: Experte entdeckt Risse in Bodenplatten

In vielen Häusern habe er Risse in der Bodenplatte entdeckt. Die Erklärung des Fachmanns: Das Wasser hatte die Gebäude hochgehoben, sie sind quasi geschwommen. Durch den Druck von außen auf die Wände hat sich dann die Bodenplatte gewölbt und ist aufgeplatzt. Als das Wasser abgeflossen war, setzten sich die Häuser wieder, die Bodenplatten wurden wieder eben. Zurück blieben die Risse.

Die Straßen in Blessem sind noch von der Flut gezeichnet.

„Die beeinträchtigen die Standsicherheit der Häuser in der Regel nicht“, beruhigt Kronenberg-Zeidler. Ältere Gebäude hätten meist das Wasser besser verkraftet als neuere. Oft seien die alten Keller ohnehin feucht, die kämen mit Wasser zurecht. 30 bis 40 Häuser pro Tag habe er angeschaut – „am Ende habe ich nicht mal mehr Fotos gemacht“.

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Die Bilder, die er im Katastrophengebiet gesehen habe, werde er ohnehin nie wieder vergessen. Zerstörung, Menschen, die nicht nur vor den Trümmern ihrer Häuser, sondern auch ihrer Existenz stehen. „Das darf man nicht an sich heranlassen, wenn man helfen will.“ Der Einsatz in Blessem sei auch für ihn eine ganz besondere, eine existenzielle Herausforderung, sagt der Bausachverständige. Aber er lerne in diesen Tagen auch viel dazu.

Diese Tipps hat der Experte für Hochwasser-Betroffene

  1. Das Wasser muss raus, egal wie, sagt Kristof Kronenberg-Zeidler. Und anschließend alles, was hohl klingt, feucht ist oder stinkt. Betroffene sollten also möglichst schnell Rigipsplatten, Tapeten und Teppichböden herausreißen. Wo es geht, sollte sogar die Farbe von den Wänden entfernt werden.
  2. Estrich und Dämmung müssen möglichst schnell getrocknet werden. Der Baufachmann rät dazu, sie im Zweifelsfall lieber zu entfernen, weil sich dort schnell Schimmel bilden könnte.
  3. Heizungen und die Elektrik im Haus sollte man unbedingt vom Fachmann überprüfen lassen.
  4. Wer einen Bautrockner ergattern konnte und ihn laufen lässt, soll die Fenster geschlossen lassen. Wer keinen mehr bekommen hat, reißt die Fenster auf. Ventilatoren können diesem Fall helfen, das Haus zu trocknen.
  5. Für alle, die im Überschwemmungsgebiet anpacken, hat der Bausachverständige noch einen wichtigen Rat zur Gesundheitsvorsorge. Schon kleinste Wunden könnten gefährlich werden, wenn sie mit Wasser in Berührung kämen, das beispielsweise mit Fäkalien verunreinigt sei. Kronenberg-Zeidler empfiehlt Impfungen gegen Tetanus und Hepatitis.