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„So häufig habe ich es noch nicht erlebt“Freilaufende Hunde töten Rehkitze in Kerpen

Lesezeit 4 Minuten
Ein totes Rehkitz am Straßenrand.

Rehkitze sind nicht schnell genug, um Hunden zu entkommen.

Jagdaufseher Heinz Hoßdorf kritisiert, dass Hundebesitzer immer weniger Rücksicht nehmen würden. Auch von Landwirten gibt es Kritik.

Ein Rehkitz liegt auf dem Bauch, alle Gliedmaßen von sich gestreckt, die Augen leblos. Einem anderen Tier fehlt ein großer Teil beider Hinterläufe. Herausgebissen. Drei gerissene Rehkitze hat Heinz Hoßdorf dieses Jahr schon auf den Feldern im Kerpener Süden gefunden – viel mehr als in den Jahren zuvor. Der Jagdaufseher appelliert an Hundebesitzer, ihre Tiere anzuleinen und auf sie aufzupassen.

„Normalerweise ist es alle paar Jahre ein Kitz, das die Hunde erwischen“, sagt Hoßdorf. „So häufig wie dieses Jahr habe ich es noch nicht erlebt.“ Hundebesitzer würden immer weniger Rücksicht auf Wildtiere nehmen und ihre Hunde frei durch die Felder laufen lassen. „Und dann passiert sowas. Hunde haben nun mal einen Jagdinstinkt.“

Rhein-Erft: Landwirte und Jäger sind besorgt

Die meisten Wildtiere im Kerpener Raum – Wildschweine, Füchse, Hasen oder Fasane etwa – machen es den Hunden schwer. Sie sind zu schnell oder zu groß. „Kitze aber sind ihnen hilflos ausgeliefert“, erläutert Jägerin Gaby Taschbach. Sie hat mit Hoßdorf die toten Tiere entdeckt und weiß, wie schnell Kitze Raubtieren zum Opfer fallen.

Ein totes Rehkitz am Straßenrand.

Rehkitze sind nicht schnell genug, um Hunden zu entkommen.

Ein totes Rehkitz mit blutiger Schnauze.

Auf den Feldern im Kerpener Süden verstecken sich viele Rehkitze.

In den ersten Tagen nach der Geburt lägen sie nur regungslos im Feld, sagt Taschbach. „Erst nach Wochen fangen sie an zu laufen. Und selbst dann sind sie nicht schnell genug, um Hunden zu entkommen.“ Sie fürchtet eine hohe Dunkelziffer toter Rehkitze in den Kerpener Feldern. „Wenn ein Hund einmal ein Tier gerissen hat, wird er es wieder tun.“

Auch die Landwirte, denen die Felder im Kerpener Süden gehören, stören sich an wildernden Hunden. „Die Tiere können aber eigentlich nichts dafür. Schuld sind die Menschen, die Stöcke ins Feld werfen, ihre Hunde nicht anleinen oder nicht auf ausgewiesenen Wegen spazieren gehen“, sagt der Balkhausener Landwirt Stefan Köllen. Wenn er Hundehalter anspreche, höre er immer wieder die gleichen Ausreden. „Viele werden auch aggressiv oder geben dumme Antworten.“ Ein Hundehalter habe ihm geantwortet, dass sein Hund depressiv werde, wenn er nicht jage.

Kitzretter Rhein-Erft suchen mit Drohnen nach Kitzen im Feld

„Wir Landwirte tun sehr viel, um die Kitze zu schützen“, sagt Köllen. Die im Feld versteckten Kitze fielen in der Vergangenheit nicht selten Mähdreschern zum Opfer. Getötet werden die Jungtiere dabei in der Regel nicht, allerdings schwer verletzt. Wer einmal ein verletztes Kitz gesehen habe, wolle das nicht noch einmal sehen, sagt Köllen. „Der Mähdrescher trennt ihnen die Beine ab. Für uns ist das kein schöner Anblick.“ Um die Tiere von ihrem Leid zu erlösen, muss ein Jäger sie erschießen.

Eine Frau mit einem Rehkitz in den Händen.

Die Kitzretter Rhein-Erft helfen Landwirten dabei, die jungen Rehe in Sicherheit zu bringen.

Früher gingen die Landwirte deshalb mit Jägern und Spürhunden die Felder ab, um die Kitze zu finden und vor der Mahd in Sicherheit zu bringen. Mittlerweile gibt es bessere Methoden. Der ehrenamtliche Verein Kitzretter Rhein-Erft spürt die Kitze mit einer Drohne auf. So können Jäger und Landwirte sie aus den Feldern holen und nach der Mahd wieder an der gleichen Stelle platzieren, damit die Ricke die Kitze wiederfindet.

Irmgard Bremer kennt die Mühen, die Landwirte für die Kitze auf sich nehmen, aus eigener Erfahrung. Die Ortsvorsteherin von Türnich, Balkhausen und Brüggen betreibt mit ihrem Mann selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb. „Uns Landwirte machen die Leute immer verantwortlich, wenn den Kitzen etwas passiert. Dabei hatten wir schon lange keine Vorfälle mehr“, sagt Bremer. Sie setzt auf die Vernunft der Spaziergänger: „Es gibt Wege, auf denen Hundebesitzer gehen dürfen. Wenn sie sich daran halten, passiert auch nichts.“

Hundebesitzern und ihren Tieren drohen nach dem nordrhein-westfälischen Landesjagdgesetz drastische Konsequenzen, wenn die Hunde beim Wildern erwischt werden. Jäger dürfen die Tiere unter bestimmten Voraussetzungen erschießen. Dazu zählen etwa, dass der Besitzer nicht in der Nähe ist, die Hunde offensichtlich Wild töten oder hetzen und andere Maßnahmen wie das Einfangen des Hundes nicht erfolgversprechend sind.

In Kerpen dürfen Hunde auf Waldwegen unangeleint laufen, außerhalb dieser nur mit Leine. Leinenpflicht gilt auch, wenn Hundebesitzer außerhalb geschlossener Ortschaften Menschen entgegenkommen. Innerhalb geschlossener Ortschaften herrscht grundsätzlich Leinenpflicht. In Naturschutzgebieten wie der Erftaue, den Kiesgruben in der Steinheide und bei Türnich sowie den Bürgewäldern gilt ebenfalls grundsätzlich Leinenpflicht. Verstöße innerhalb der Stadt ahndet das Ordnungsamt Kerpen. Verstöße im Wald können an das Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft gemeldet werden.