Historikerin hält den Vorschlag der Liberalen, die Ruhestätte in eine Gedenkstätte umzuwandeln, für nicht gut durchdacht.
„Das ist nicht Disneyworld“Kritik an FDP-Vorstoß zum jüdischen Friedhof als Gedenkstätte in Kerpen
Susanne Harke-Schmidt ist entsetzt. Der FDP-Vorstoß, den jüdischen Friedhof nahe des Erft Karrees in Kerpen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken und in eine „zeitgemäße Gedenkstätte“ umzuwandeln, zeuge von mangelnder Kenntnis der jüdischen Kultur und werde zudem all jenen nicht gerecht, die sich seit Jahrzehnten um die Bewahrung des jüdischen Erbes in der Kolpingstadt bemühten, kritisiert die Vorsitzende der Heimatfreunde Stadt Kerpen, die seit 1981 auch Kerpener Stadtarchivarin ist, scharf. Ein Friedhof sei nun einmal kein Disneyworld, Gedenktafeln und Events seien dort fehl am Platze.
Sie wundere sich darüber, dass sich die Liberalen offenbar nicht intensiv mit der jüdischen Begräbniskultur beschäftigt haben – zumal es neben dem erwähnten Friedhof zwei weitere in Kerpen gebe. Es widerspreche dem jüdischen Glauben, Grabsteine unter denkmalhistorischen Gesichtspunkten zu sanieren, den Friedhof landschaftsgärtnerisch aufzuwerten und barrierefrei auszubauen, wie es die FDP in ihrem Antrag für die politischen Gremien in Kerpen fordert.
Bereitwillig hätte sie dazu Auskunft gegeben; auch darüber, dass es vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Institutionen zu verdanken sei, dass dieser Teil der Stadtgeschichte eben nicht in Vergessenheit gerät, sagt Harke-Schmidt. Sie verweist auf zahlreiche Publikationen, Kooperationen mit Schulen, Kirchengemeinden und regelmäßige Stadtspaziergänge zu den Orten früheren jüdischen Lebens. Auch das: 2021 und 2022 fanden auch in der Kolpingstadt zahlreiche Veranstaltungen im Rahmen der kreisweiten jüdischen Kulturwochen statt. „Einen Vertreter der FDP habe ich dort nicht gesehen“, sagt Susanne Harke-Schmidt.
Zudem verweist sie auf die Eigentumsverhältnisse – gehören die drei Kerpener Friedhöfe doch der Jüdischen Gemeinde Köln. Sie teilt die Sichtweise deren Vertreter, dass zu viel Öffentlichkeit und zu viel Wissen über die Existenz der jüdischen Friedhöfe kontraproduktiv sei und nicht gern gesehene Gäste anziehen könne. „Alles in allem ist der Vorstoß der FDP sicher gut gemeint, aber nicht gut durchdacht“, schließt Susanne Harke-Schmidt.
Die Liberalen hatten ihre Initiative damit begründet, dass der jüdische Friedhof in der Nähe des Erft Karrees ihrer Einschätzung nach in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle spiele. Dabei sei er ein wichtiger Teil der Geschichte und Erinnerung für die Kolpingstadt Kerpen. Sie möchten dem jüdischen Friedhof und dem früheren jüdischen Leben den Stellenwert angedeihen lassen, den sie ihrer Ansicht nach verdient haben. In einem Antrag werben sie dafür, den Friedhof wiederzubeleben und dort eine Gedenkstätte einzurichten.