Lange GefängnisstrafeUrteil im Prozess um totes Baby in Kerpen verkündet
Köln/Kerpen – „Ich hatte niemals Glück im Leben, bitte geben Sie mir noch eine Chance“, flehte die Kerpenerin in ihrem letzten Wort vor der Urteilsverkündung.
Doch dass sie unschuldig sei, wie die Angeklagte beteuerte, dem folgte die Vorsitzende Richterin Ulrike Grave-Herkenrath nicht. Wegen Totschlags an ihrem sieben Monate alten Sohn Ilias muss die 23-Jährige für siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis. Ihr Ehemann, 48 Jahre alt, der ebenfalls angeklagt war, wurde freigesprochen.
Die 4. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte den Säugling im März vergangenen Jahres so sehr misshandelt hatte, dass dieser an seinen schweren Kopfverletzungen verstarb. Waren zunächst beide Elternteile verdächtig, habe die Beweisaufnahme klar ergeben, dass alleine die Mutter für den Tod des Babys verantwortlich war. Richterin Grave-Herkenrath führte dies auf eine Überforderung der Angeklagten zurück.
Angeklagte Mutter versuchte, sich zu retten
Die Angeklagte hatte am letzten Verhandlungstag versucht, ihren Kopf doch noch aus der Schlinge zu ziehen. „Mein Ehemann ist der einzige, der weiß, dass ich unschuldig bin“, sagte sie. Sie habe ihr Kind nie geschlagen und nicht gewusst, dass es in Gefahr gewesen sei. Eine Schutzbehauptung, führte die Richterin aus. Auch Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer hatte in seinem Plädoyer von einer Überforderung der Mutter gesprochen und acht Jahre Haft gefordert.
Rechtsanwalt Christian Franz, der Verteidiger des Mannes, kritisierte, dass die Ehefrau seines Mandanten „in den letzten Minuten“ noch versucht habe, ihren Gatten zu beschuldigen. Im seit September vergangenen Jahres andauernden Verfahren hatte sie zunächst geschwiegen. Erst, als der Mann mangels dringenden Tatverdachts aus der U-Haft entlassen wurde, hatte sie ihre eigene Unschuld beteuert, den Gatten aber nicht direkt belastet. Das korrigierte sie nun im letzten Wort.
Eigentlich sollte am Dienstag die Mutter der Angeklagten als Zeugin aussagen; sie hatte so kurzfristig aber kein Visum zur Einreise aus Marokko in den Schengenraum bekommen. Das Landgericht hatte vorsorglich schon Flugtickets besorgt und ein Hotel reserviert. Die Mutter sollte bezeugen, dass ihr Schwiegersohn in einer Prozesspause in ihrem Dorf in Marokko aufgetaucht war. Dort soll er geäußert haben, dass seine Ehefrau unschuldig sei und ihn nicht verlassen solle.
Von dem Besuch des Mannes hatte die Mutter der Angeklagten per Telefon berichtet. Dazu befragte das Landgericht eine Mitarbeiterin der JVA Köln, die das Telefonat mitgehört hatte. Die berichtete aber nur, dass der Mann gesagt habe, dass seine Frau nie eine solche Tat begehen könnte. Auch habe vielmehr die Mutter der Angeklagten ihrer Tochter geraten, an der Ehe festzuhalten. „Er ist ein sehr guter Ehemann“, habe die Schwiegermutter ihrer Tochter gesagt.
Mann hat Ehefrau kaum unterstützt
Dass der Angeklagte ein guter Ehemann gewesen sei, hatte Oberstaatsanwalt Bremer in seinem Plädoyer definitiv verneint. Der Mann habe seine Frau bei der Erziehung und Pflege des Babys und dessen zwei Jahre älteren Bruders kaum unterstützt. Daher habe er auch nicht mitbekommen, dass sein jüngerer Sohn misshandelt wurde. Richterin Grave-Herkenrath gab dem völlig egoistisch agierenden Vater eine moralische Mitschuld am Tod des Kindes.
Nach dem Urteil könnte der ältere Sohn, der zwischenzeitlich bei Verwandten untergekommen ist, sogar zurück zu seinem Vater. Darüber, und ob die Mutter – wie von ihr verlangt – ihr Kind in der Haft sehen darf, muss das Jugendamt entscheiden. Die Angeklagte nahm das Haft-Urteil in Saal 7 des Kölner Justizgebäudes völlig ruhig entgegen, ihr Gesicht war kreidebleich. Ihre Anwältin Gabriele Prümm hatte Freispruch gefordert. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.