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Einsprüche gegen BescheideWiderstand gegen höhere Steuern in Kerpen wächst

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Foto ist das Kerpener Rathaus zu sehen.

Intensive Debatten sind garantiert, wenn in den kommenden Wochen im Rathaus über Steuererhöhung gestritten wird.

Stadtverwaltung sieht Anstieg der Grundsteuer B von 1200 im Jahr 2026 auf 2100 im Jahr 2029 vor. Selbst die CDU von Bürgermeister Spürck schlägt Alarm.

Die SPD-Fraktion im Kerpener Stadtrat steigt nun auch in die Diskussion um die Hebesatzerhöhungen der Grundsteuer A und B ein. Die Fraktion stellt einen Antrag für den Haupt- und Finanzausschuss am Dienstag, 18. Februar, in dem es heißt: „In der letzten Sitzung des Stadtrates haben wir aufgrund der erheblichen rechtlichen Unsicherheiten gegen eine getrennte Besteuerung von Wohn- und Gewerbegrundstücken bei der Grundsteuer gestimmt. Es ist aber zu erwarten, dass diese Unsicherheit nach den ersten rechtskräftigen Urteilen in der Zukunft abnehmen wird. Daher beantragen wir, dass bis zum nächsten Haupt- und Finanzausschuss im Haushaltsplanentwurf dargestellt wird, wie sich eine getrennte Betrachtung auf die Grundsteuer-Prognosen auswirken wird.“

Gleiches gelte für eine mögliche Einführung einer Grundsteuer C für baureife, unbebaute Grundstücke. „Bitte legen Sie im Haushaltsplanentwurf dar, wie sich die Einführung der Grundsteuer C auf die Hebesätze in Zukunft auswirken würde“, beantragt die SPD beim Bürgermeister.

2029 soll die Grundsteuer B in Kerpen bei 2100 Prozent liegen

Grund für die geänderte Einstellung bei den Sozialdemokraten sei auch, dass die im Haushaltsentwurf vorgeschlagenen Hebesätze die Bürgerinnen und Bürger verängstigten. „Daher sehen wir es als eine Pflicht, auch alternative Einnahmemöglichkeiten zu prüfen“, heißt es weiter.

Im Etatentwurf der Stadtspitze um Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) ist vorgesehen, die Hebesätze in den kommenden Jahren kontinuierlich zu erhöhen: 2026 sollen sie für die Grundsteuer B bei 1200 Prozent, 2027 bei 1910, 2028 bei 2050 und 2029 bei 2100 Prozent liegen.

Das ist auch aus Sicht der Grünen den Bürgerinnen und Bürgern nicht zuzumuten. In zwei Anträgen fordert sie Spürck auf, zum einen eine Grundsteuer C in den Haushalt aufzunehmen. Zum anderen beantragt die Fraktion, die „Grundsteuer B für Wohn- und Gewerbegrundstücke getrennt zu erheben“ (differenzierter Hebesatz). „Hierbei ist der Fokus darauf zu legen, dass die aktuelle Mehrbelastung der Wohngrundstücke im Verhältnis zu Gewerbegrundstücken in 2026 zurückgenommen wird“, heißt es in dem Antrag.

Es sei nicht hinzunehmen, „dass in Zeiten eines allgemeinen Wohnungsmangels und der damit verbundenen Verteuerung der Immobilien und Mieten auch die Stadt Kerpen mit vermeidbaren Verteuerungen Wohnen mit weiteren Preissteigerungen belastet“, begründen die Grünen den Antrag.

Das Take-Away-Angebot und die Menge des Verpackungsmülls nimmt seit Jahrzehnten rasant zu
Antrag der Grünen

Stattdessen beantragen die Grünen eine kommunale Steuer für Take-Away-Verpackungen nach Tübinger Vorbild. „Das Take-Away-Angebot und die Menge des Verpackungsmülls nimmt seit Jahrzehnten rasant zu und ein großer Teil der Einweg-Take-Away-Verpackungen, die oft nur wenige Minuten genutzt werden, landet in der Umwelt, verschmutzt unsere Stadt, die Grünflächen und das Umfeld“, heißt es zur Begründung: „Ein richtungsweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 24. Mai 2023 hat klargestellt, dass Städte und Gemeinden eine örtliche Steuer auf Einwegverpackungen erheben dürfen.“

Auch in Kerpen brauche es eine Trendwende, sind die Grünen überzeugt. Durch diese kommunale Steuer habe Kerpen die Chancen, den Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz vor Ort voranzubringen und die Stadtreinigung sowie den Haushalt zu entlasten.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Ripp hält die Entwicklung der Grundsteuer„ in der Tat in dieser Höhe nicht mehr für tragbar“.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Ripp hält die Entwicklung der Grundsteuer„ in der Tat in dieser Höhe nicht mehr für tragbar“.

Darüber hinaus beantragt die Grünen-Fraktion auch, eine grundlegende Verpackungssteuer einzuführen. Bisherige Bedenken bezüglich der Verfassungskonformität seien mit einem neuen Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgeräumt.

Auch die CDU-Fraktion wendet sich gegen die geplanten Steuererhöhungen aus dem Rathaus und Verwaltungschef Spürck. Die Entwicklung der Grundsteuer sei „in der Tat in dieser Höhe nicht mehr tragbar“, teilt der Fraktionsvorsitzende Klaus Ripp mit. Die Ursache werde jedoch nicht so differenziert betrachtet. Zum einen sei die Gewerbesteuer drastisch eingebrochen. Zum anderen müsse die Stadt Kerpen – wie auch andere Kommunen – das ausbaden, was andere zu verantworten hätten.

Als Beispiele nennt er das vom Bund beschlossene neue Wohngeld. Zur Umsetzung seien drei neue Stellen geschaffen worden. Auch in den seien zusätzliche Stellen geschaffen worden, um die Schließzeiten zu reduzieren. Und der Jugendbereich sei personell aufgestockt worden, weil mittlerweile viele Familien Unterstützung bei der Erziehung von Kindern benötigten. Ripp erinnert auch daran, dass in Kerpen ein so genannter Systemsprenger betreut werde, was die Stadt täglich mehr als 1000 Euro koste.

Zahlreiche Bürger legen Einspruch gegen ihren Gebührenbescheid ein

Ripp wirbt für einen breiten Konsens der Fraktionen in der Debatte um die Steuererhöhungen. Dafür nehme die CDU auch in Kauf, den Haushalt erst im April zu beschließen. Ihn im „Hau-Ruck-Verfahren“ durchzusetzen, sei angesichts der Brisanz des Themas und der Masse an Einsprüchen nicht vertretbar.

Parallel zur politischen Diskussion um die Steuerentwicklung in den kommenden Jahren formiert sich in Teilen der Bürgerschaft Widerstand gegen die vom Rat beschlossene Grundsteuerreform. Sie führt schon jetzt zu Mehrbelastungen für Hauseigentümer und in deren Folge für Mieter. Anders als andere Städte hat die Kolpingstadt einen einheitlichen Hebesatz verabschiedet – die Stadt begründet dies mit fehlenden personellen Kapazitäten, um die Grundsteuer differenziert zu berechnen. Auf Zetteln im öffentlichen Raum und in Onlineforen rufen Gegner des Kerpener Wegs bei der Grundsteuerreform dazu auf, Einspruch gegen die Bescheide einzulegen.