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Kommentar zu Parteiaustritt
Die SPD wiegt sich in trügerischem Burgfrieden

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Das Bild zeigt den ehemaligen SPD-Politiker Wolfgang Jenke.

Der Parteiaustritt von Wolfgang Jenke aus Kerpen-Horrem löst Unruhe in der SPD aus.

Der Parteiaustritt eines Sozialdemokraten beschäftigt die SPD im Rhein-Erft-Kreis. Der Austritt kommt nicht ohne Vorwarnung.

Die Schatten der Vergangenheit holen die SPD um ihre bemühte, aber letztlich glücklose Vorsitzende Heike Steinhäuser wieder ein. Bevor die Bedburgerin, die keiner auf der Liste hatte, im August 2022 das Amt übernahm, waren die Sozialdemokraten auf dem besten Weg, sich selbst zu zerlegen und von niemandem mehr ernst genommen zu werden.

Der Wahlparteitag im Juni endete im Fiasko, nachdem es den Verantwortlichen vorrangig   darum gegangen war, Torsten Rekewitz als Gegenkandidat des damaligen Vorsitzenden Daniel Dobbelstein zu verhindern – nicht zuletzt aus seinem Stadtverband Pulheim waren Zweifel an dessen moralischer Eignung gesät worden. Erfolgreich.

Dobbelstein verließ den Parteitag

Der zweite Anlauf bot humoristische Elemente. Da kündigte Wolfgang Jenke aus Kerpen seine Kandidatur an. Nicht, weil Dobbelstein ungeeignet wäre, sondern weil er   eine Alternative bieten wolle. Nicht minder überraschend begründete der Kerpener wenige Tage später seinen Verzicht. Der gleichermaßen überraschend auf der Bühne erschienene Dr. Thomas Thielemann wäre der bessere SPD-Chef.

Als viele dachten, dass der wenige Monate zuvor bei der Landtagswahl krachend gescheiterte Dobbelstein als Vorsitzender weitermachen könne, schoss er sich mit seiner Forderung, dass er nur als Teil einer Doppelspitze gewählt werden wolle, ins Abseits. Noch heute erinnern sich jene Genossen, die es nicht so gut mit dem Kerpener meinen, daran, wie er seine Sachen packte und den Parteitag verließ. Steinhäusers Wahl bekam er nicht mehr mit.

Grabenkämpfe im Ortsverein Horrem und Neu-Bottenbroich

Apropos nichts mitbekommen – das trifft aktuell möglicherweise auch auf Steinhäuser selbst zu. Womit wir bei den Schatten der Vergangenheit sind. In Folge der Vorgänge um Dobbelsteins Selbstdemontage fanden in dessen Ortsverein Horrem/Neu-Bottenbroich Grabenkämpfe statt, die entweder nicht zu ihr nach Bedburg durchgedrungen sind oder vor denen Heike Steinhäuser und der übrige Vorstand die Augen verschlossen haben.

Der Für-einige-Tage-Dobelstein-Herausforderer Jenke fühlte sich fortan vom Vorstand des Ortsvereins gemobbt, wie er in dieser Woche in einer E-Mail an größere Teile der SPD im Rhein-Erft-Kreis kundtat – und damit nach mehr als 27 Jahren seinen Parteiaustritt begründete. Er sei von Treffen ausgeschlossen worden, vom Informationsfluss abgeschnitten und aus Whatsapp-Gruppen entfernt worden. Selbst eine Einladung zu einem traditionellen Grillabend im Hause Müller habe er nicht erhalten. Das sind Dobbelsteins Schwiegereltern, die ebenso wie dessen Ehefrau und er selbst dem Vorstand angehören.

Die SPD-Vorsitzende Steinhäuser versicherte auf Nachfrage, sie habe von alldem nichts gewusst, auch nicht, dass Jenke bereits Ende Mai sein Parteibuch zurückgegeben habe, und dass sie den Genossen in Horrem/Neu-Bottenbroich voll und ganz vertraue. Und dass sie es bedauere, wenn ein Mitglied der SPD den Rücken zuwende. Auffällig: Sie bleibt bei dieser Aussage im Allgemeinen, nennt Jenkes Namen nicht.

Bei dem Mann, der den Kerpener Ortsverein bisweilen kommissarisch geführt hat, wird vermutlich ein Stück gekränkte Eitelkeit hinzukommen. Dennoch zeigt sein Schritt, dass es Steinhäuser in zwei Jahren nicht gelungen ist, die tiefen Gräben in ihrer Partei zu schließen. Das nennt man wohl Burgfrieden.

Fragt sich, wie lange der hält. Mit der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunal- und Kreistagswahl 2025 könnten alte Fehden wieder aufkommen.