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SchleuseraffäreViele Chinesen bei Kontrollen nicht angetroffen – Villa Sophienhöhe vor Verkauf

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt maskierte Polizeibeamte vor einem Haus, das durchsucht wird.

Im April wurden bundesweit zahlreiche Objekte, darunter auch in Frechen, Hürth und Kerpen durchsucht.

Aktuell ist unklar, wo die etwa 350 Chinesen sind, die mithilfe der Schleuserbande mit falschen Aufenthaltsgenehmigungen nach Deutschland eingereist sind

Seitdem es im April bundesweite Durchsuchungen von der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegeben hat, bei der mehrere Personen festgenommen worden waren, inzwischen aber wieder gegen Auflagen auf freien Fuß sind, konzentrieren sich die Ermittlungen unter anderem auch auf den Frechener Anwalt Claus Brockhaus. Es zeichnet sich ab, dass dieser einer der Hauptdrahtzieher war und mithilfe von weiteren Personen aus der Politik und öffentlicher Verwaltung, die Aufenthaltsgenehmigungen ermöglicht haben soll.

In diesem Zusammenhang tauchen auch Parteispenden auf, die der Anwalt an mehrere Kassen von Kreis- und Landesparteien gezahlt hat. Mit im Visier der Ermittler stehen neben Landespolitikern auch zwei CDU-Politiker aus dem Rhein-Erft-Kreis, darunter der ehemalige Landrat Werner Stump, der das Hotel Villa Sophienhöhe in Kerpen betrieben hat, das derzeit aber von einem Insolvenzverwalter geführt wird, der einen Käufer sucht. Aus dem Kreis Düren wird der CDU-Landrat sowie ein SPD-Politiker in Verbindung mit dem Rechtsanwalt gebracht. Die überwiegend aus China stammenden Personen sollen mithilfe von Scheinfirmen nach Deutschland gelotst worden sein.

Deutschland gilt in China als attraktives Land

Von den wohlhabenden Asiaten sollen bis zu 360.000 Euro bezahlt worden sein. Im Gegenzug sollen die Beschuldigten den Chinesen zur Einreise und einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland verholfen haben. Dabei, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, sollen sie gesetzliche Vorschriften umgangen haben.

Wie wurden die Chinesen angeworben? Über das Internet soll in China dafür geworben worden sein, ohne großen Aufwand einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zu bekommen. In China gilt Deutschland als ein besonders attraktives Land. Im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit sei eine Übersiedlung möglich. Und das ohne großen Nachweis von Sprachkenntnissen und Qualifikationen. So sollen im Laufe der Jahre rund 350 Chinesen nach Deutschland eingereist sein.

231 Personen sollen vom Kreis Düren Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben

Da die Zusammenarbeit zwischen dem Frechener Anwalt und Beschuldigten der Kreisverwaltung Düren problemlos verlaufen sein soll, wurden die meisten Aufenthaltserlaubnisse auch in Düren ausgestellt. Anhand einer Liste, die der Redaktion vorliegt, erhielten 231 Personen vom Kreis Düren auf zunächst zwei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigungen, deren Verlängerung in Aussicht gestellt wurde. Unter den 231 sind 35 Kinder und Jugendliche. Einige der Kinder wurden nach der Einreise der Eltern in Deutschland geboren.

Bei den anderen Ausländerämtern liefen die Genehmigungsverfahren nicht so reibungslos ab. Der Rhein-Erft-Kreis erteilte 33 Genehmigungen, darunter sind vier auf Kinder ausgestellt. Von der Stadt Solingen sollen elf Visa ausgestellt worden sein, drei für Personen unter 18 Jahren. Und die Stadt Kerpen erteilte 36 Aufenthaltsgenehmigungen, wovon sieben für Kinder und Jugendliche waren.

„Die gucken lieber auf Berge als auf Bagger“

Auf Nachfrage bei der Stadt Kerpen sollen derzeit aber nur vier Familien im Stadtgebiet leben. 23 Personen sind inzwischen weggezogen. Bei Kontrollen, so die Stadt, sei bei den Firmenadressen niemand angetroffen worden. Die Stadt Kerpen gibt an, an im Nachhinein angegebenen Privatadressen einen Teil der Chinesen angetroffen zu haben.

Ähnlich verhält es sich bei vom Ausländeramt des Rhein-Erft-Kreises erteilten Aufenthaltsgenehmigungen. Von den 33 Personen wohnen nur noch etwa die Hälfte im Rhein-Erft-Kreis. Viele ziehe es nach Süddeutschland, heißt es. In Bayern fühlen sich die wohlhabenden Asiaten offenbar wohler, als hier. „Die gucken lieber auf Berge als auf Bagger“, wird gemutmaßt. Auch der Rhein-Erft-Kreis überprüfte die angegebenen Meldeadressen. Jedoch wurde in nahezu allen Fällen dort niemand angetroffen.

Chinesen sollen bis zu 360.000 Euro für Ausreise gezahlt haben

Ein Großteil der nach Deutschland eingereisten Geschäftsleute samt Familien hat mit der Aufenthaltsgenehmigung die Möglichkeit, im ganzen Schengen-Raum frei zu reisen. Diese Personen ausfindig zu machen, dürfte mit viel Aufwand verbunden sein. Innerhalb von Deutschland würden die Akten an das dann zuständige Ausländeramt weitergeleitet. Verwaltungsintern sollen sich Ausländeramt und zum Beispiel das Schulamt austauschen, um auch zu kontrollieren, ob der geltenden Schulpflicht nachgegangen werde.

Erst nach Abschluss des Strafverfahrens und den damit verbundenen Ermittlungen, werde die Möglichkeit der Rücknahme der Aufenthaltstitel überprüft, teilte die Stadt Kerpen auf Nachfrage mit. Sollte es dann zu einer Rücknahme kommen, werde den Betroffenen, wie in jedem anderen Ausreisefall auch, die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise eingeräumt. Fraglich ist auch, ob die Chinesen ihr Geld oder zumindest einen Teil davon zurückerhalten werden. Bis zu 360.000 Euro sollen sie für die Ausreise bezahlt haben.

So soll es mit Villa Sophienhöhe in Kerpen weitergehen

Die Villa Sophienhöhe, die der Ex-Landrat Werner Stump 1997 gekauft hat, wird unterdessen wohl bald einen neuen Besitzer haben. Kurz nach den Razzien und dem Bekanntwerden der Schleuseraktivitäten auch im Rhein-Erft-Kreis hatten Stump und seine beiden Mitgeschäftsführer die Insolvenz für das Hotel in Kerpen-Niederbolheim beantragt.

Villa Sophienhöhe in Kerpen-Niederbolheim (Archivbild)

Villa Sophienhöhe in Kerpen-Niederbolheim (Archivbild)

„Der Verkaufsprozess für den Hotelbetrieb und auch das Gebäude ist initiiert“, sagt Anwalt Till Forster vom Team des Insolvenzverwalters Dr. Bero-Alexander Lau. Es gebe mehrere Interessenten, und es sei mit einem baldigen Abschluss zu rechnen. Alle Interessenten hätten Interesse, sowohl den Hotelbetrieb als auch die Villa Sophienhöhe selbst zu übernehmen. „Demnach könnten auch alle Arbeitsverhältnisse übernommen werden.“

Laut Forster läuft der Hotelbetrieb in vollem Umfang weiter. Der frühere Landrat Stump pflegte schon seit vielen Jahren Kontakte nach China. In sein Hotel Villa Sophienhöhe stieg 2020 die „Deutsch-chinesische Trade OHG“ mit einer fast 95-prozentigen Beteiligung in die Hotelgesellschaft ein. 2023 erhielt das Hotel einen weiteren Geschäftsführer. Dieser ist zudem Prokurist bei dem Frechener Unternehmen, das ebenfalls in die Schleuseraffäre verstrickt sein soll.