Der Kreis behauptet, die Bundespolizei habe darum gebeten, missbräuchlichen Anträgen stattzugeben. Doch die Ermittler sagen, das stimmt nicht.
Falsche AufenthaltstitelStaatsanwaltschaft widerspricht Rhein-Erft-Kreis in der Schleuser-Affäre
Die Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in der sogenannten Luxusschleuser-Affäre haben dubiose und teils mutmaßlich kriminelle Kontakte zwischen Politik, Verwaltungsspitzen in Städten und Landkreisen und führenden Köpfen der Schlepper-Bande öffentlich gemacht. Neben Düren, Solingen, Kerpen ist auch der Rhein-Erft-Kreis betroffen. Über einen Anwalt hat der Kreis dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitteilen lassen, falsche Aufenthaltstitel seien mit Wissen der Bundespolizei ausgestellt worden. Doch die Ermittlungsbehörden widersprechen.
Die Hintergründe: Ein altgedienter CDU-Politiker soll im Auftrag des Anwalts und mutmaßlichen Banden-Chefs Claus B. auf Entscheidungsträger der Verwaltung eingewirkt haben, um Aufenthaltsgenehmigungen gegen den Widerstand einer Mitarbeiterin im Ausländeramt durchzudrücken.
Sachbearbeiterin witterte den Schwindel
Die Sachbearbeiterin witterte einen Schwindel hinter den Anträgen der reichen und überwiegend aus China stammenden Mandanten von Claus B. & Co, die sich mit mutmaßlich falschen Legenden, Wohnadressen und Papieren einen Aufenthaltstitel in Deutschland erschleichen wollten. Sie ordnete unter anderem Hausbesuche ihrer Behörde an, bei denen keiner der angeblich im Kreis wohnenden Migranten angetroffen wurde.
Letztlich wechselte die Teamleiterin Sybille B. (Name geändert) auf eigenen Wunsch in eine andere Abteilung auf eine besser bezahlte Stelle. Das Thema war offenbar vom Tisch. Dem Vernehmen nach argumentiert die Behörde heute, dass es damals letztlich keine gerichtsfesten Beweise dafür gegeben habe, dass die chinesischen Migranten Scheinadressen benutzten.
Anfangsverdacht der gewerbsmäßigen Schleusung und Bestechlichkeut
Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sind die Namen aus der höheren Verwaltungsebene bekannt – genauso wie die Identität des CDU-Politikers. Der Rhein-Erft-Kreis als auch der Politiker haben Medienanwälte eingeschaltet, die sich auf die Persönlichkeitsrechte ihrer Mandanten berufen. Es wird mit presserechtlichen Konsequenzen gedroht, sollte man die Namen veröffentlichen.
Dabei geht es nicht nur um strafrechtliche Verfahren, sondern auch um ein Politikum. Da ermittelt die Staatsanwaltschaft etwa gegen den CDU-Politiker wegen des Anfangsverdachts der gewerbsmäßigen Schleusung und der Bestechlichkeit. So soll er bei dem mutmaßlichen Schleuser-Boss B. eine Parteispende in Höhe von 12.500 Euro eingeworben haben. Auch wurde bei ihm durchsucht. Telefonüberwachungsprotokolle belasten den Politiker schwer. Sein Anwalt betont indes, dass sein Mandant nichts von illegalen Schleusergeschäften gewusst habe. Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.
Ehemalige Sachbearbeiterin arbeitete mit Ermittlern zusammen
Ähnlich argumentiert der Rechtsvertreter des Rhein-Erft-Kreises. Der Medienjurist hebt hervor, dass die Verwaltung, insbesondere das Ausländeramt, eng mit den Strafverfolgungsbehörden in der Schleusergeschichte zusammengearbeitet habe. Das ist auch richtig, was die zeitweilige und intensive Kooperation zwischen Sachbearbeiterin B. und den Ermittlern in den Jahren 2019 und 2020 betrifft. Allerdings scheint dies nicht für alle Mitarbeiter im Ausländeramt gegolten zu haben.
Laut der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hat die Leitende Oberstaatsanwältin in Düsseldorf mitgeteilt, dass „beim Rhein-Erft-Kreis der Verdacht besteht, dass einzelne Mitarbeiter des dortigen Ausländeramtes Aufenthaltserlaubnisse in Kenntnis des Umstandes erteilt haben, dass die eingereichten Antragsnachweise inhaltlich unzutreffend waren." Wurde entgegen der Darstellung des Landkreises doch bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln in krimineller Weise geschummelt?
Zweifelhafte Aufenthaltstitel verlängert
Der Medienanwalt weist dies zurück. „Wie bereits mitgeteilt, sind uns bisher keine Ermittlungen gegen Mitarbeitende des Rhein-Erft-Kreises bekannt. Wie dargestellt, ist beim Rhein-Erft-Kreis die Zusammenarbeit der Mitarbeitenden des Ausländeramtes mit den Ermittlungsbehörden aktenkundig.“ In dem Kontext betont der Landkreis immer wieder, dass ein Mitarbeiter des Ausländeramtes von der ermittelnden Bundespolizeiinspektion in einem Fall ausdrücklich darum gebeten worden sei, dieses Verfahren nicht als Grundlage für ausländerrechtliche Entscheidungen zu nehmen, um keinen Hinweis auf das Strafverfahren zu liefern und somit nicht die Ermittlungen zu gefährden.
„So sind bereits erteilte Aufenthaltsgenehmigungen in Zweifelsfällen verlängert worden – aber in regelmäßiger Absprache und auf Aufforderung der Bundespolizei, um die Ermittlungen nicht zu gefährden“, hatte Kreissprecher Thomas Schweinsburg betont.
Ein Sprecher der Abteilung für Organisierte Kriminalität bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die das Verfahren mit der Soko „Investor“ der Bundespolizei führt, konnte diese Angaben auf Anfrage unserer Zeitung „nicht bestätigen“. Auf ergänzende Nachfrage teilte er mit, dass der vom Kreis dargestellte Sachverhalt nicht zutreffend sei.