Urteil zur Räumung des Hambacher ForstsHeftiger Streit um Berufung der Stadt Kerpen
Kerpen – Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln, wonach die Räumung des Hambacher Forstes 2018 rechtswidrig war, sorgt weiterhin für Auseinandersetzungen. Umstritten ist nun insbesondere die Entscheidung des Kerpener Hauptausschusses, einen Antrag der Linken abzulehnen, in dem die Stadt aufgefordert wurde, auf eine Berufung gegen das Urteil zu verzichten. Eine knappe Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und UWG hatte dies im Stadtrat gegen den Willen von Bürgermeister Dieter Spürck sowie CDU, BBK und AFD durchgesetzt.
Wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ online berichtet, habe etwa die Grünen-Vorsitzende im Landtag, Verena Schäffer, dieses Stimmverhalten auch deshalb kritisiert, „weil bei dieser Abstimmung die Stimme der AfD ausschlaggebend war“. Dies spreche nicht für eine klare Abgrenzung der CDU.
CDU Kerpen: Antrag auch ohne AfD-Gegenstimme gescheitert
Der Kerpener CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Ripp weist dagegen darauf hin, dass der Linken-Antrag auch ohne die eine Stimmen der AfD im Ausschuss gescheitert wäre. Dann hätte es im Ausschuss nämlich neun zu neun gestanden. „Um einen Antrag durchzubekommen, braucht es aber eine Mehrheit.“ Er lasse nicht zu, dass man der CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD unterstelle und dann daraus „einen Skandal“ machen wolle. Die CDU habe ihre eigenen „Grundüberzeugungen“ und könne nichts dafür, wenn diese in dem einen oder anderen Fall von anderen geteilt werde.
SPD-Politiker sind „fassungslos“
Auf heftige Kritik stößt die gemeinsame Stimmabgabe der Kerpener CDU mit der AfD bei SPD-Politikern im Kreis. Man sei „fassungslos“, dass die CDU bei dem Thema nun gemeinsame Sache mit der AfD mache, heißt es in einer Erklärung. Damit mache sich die CDU in Kerpen nicht nur zu einem „Erfüllungsgehilfen der Laschet-Landesregierung, welche seit Veröffentlichung der Entscheidung auf Einlegung der Berufung drängt, sondern auch zu einer Marionette der AfD“. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Andres sagte: „Die Landesregierung ist nur parteitaktisch getrieben. Dies ist daran zu erkennen, dass die Landesregierung die Kolpingstadt Kerpen zur Berufung aufgefordert hat, obwohl die Urteilsbegründung noch nicht vorlag.“
Der SPD-Kreisvorsitzende Daniel Dobbelstein sagte: „Mit Lügen darf keine Politik gemacht werden. Dass sich die CDU und der Bürgermeister Kerpens zu Erfüllungsgehilfen machen, passt ins Bild, scheute der Bürgermeister doch damals die Ausführung der Weisung der Landesregierung und schickte statt seiner den technischen Dezernenten in den Wald.“ (wm)
Beim Hambacher Forst sei es so, dass man als CDU die Räumung 2018 „im Grundsatz“ für berechtigt halte – auch wenn die offizielle Begründung, es fehle den Baumhäusern an Brandschutz, dafür womöglich fragwürdig war. Deshalb könne es nicht falsch sein, wenn dies nun noch einmal von einem anderen Gericht überprüft würde.
Grünen im Landtag hatten Infos nicht mehr überprüft
Wie eine Mitarbeiterin von Schäffer am Montag auf Anfrage mitteilte, sei die Information über die angeblich entscheidende Stimme der AfD in der Sache aus Kerpen selbst gekommen und nicht mehr überprüft worden.
Dies sei aber eher ein Nebenaspekt in der Sache. Grundsätzlich sehe man es kritisch, dass die Stadt Kerpen gegen das Urteil in Berufung gehen wolle. In dem Zeit-Artikel hatte Schäffer es als „irritierend“ bezeichnet, dass die Stadt Berufung einlegen wolle, obwohl sie die Räumung seinerzeit selbst abgelehnt hatte und vom Land dazu gezwungen werden musste.
Kontroverse zwischen Bürgermeister und SPD
So sieht es auch Andreas Lipp, SPD-Fraktionsvorsitzender in Kerpen, der sich in der Sache eine Kontroverse mit Bürgermeister Dieter Spürck im Internet lieferte: Schon im Hauptausschuss hatten CDU und Spürck damit argumentiert, dass die Stadt möglicherweise gegenüber von der Räumung betroffenen Waldbesetzern Schadensersatz leisten müsse, wenn das Urteil zur rechtswidrigen Räumung bestehen bleibe: Deshalb sei man für eine Berufung, um so das Risiko möglicher Schadensersatzforderungen zu minimieren.
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Lipp hält dies für falsch – nicht nur, weil noch offen ist, ob überhaupt Schadensansprüche erhoben werden. Er wirft der Stadt vor, in der Sache keine klare Haltung zu zeigen: „Wenn man als Stadt 2018 die Meinung vertreten hat, dass die Räumung mit der Begründung des Brandschutzes falsch sei, dann kann man nicht 2021 diese Meinung über Bord werfen, bloß weil man nun etwaigen Schadensersatzansprüchen ausgeliefert sei, welche derzeit nicht im Raum stehen. Das würde das Bild in der Öffentlichkeit zurücklassen: Sobald etwas Geld kostet, zählt die eigene Haltung nichts mehr.“