Torsten Woywood und Frauke Meurer gründeten einen Verlag, um ein Buch zu veröffentlichen, das sie in ihren Bann gezogen hatte.
Buchhändler halfen mitKleiner Verlag aus Kerpen verhilft irischem Autor zu großem Erfolg
„Wir Menschen brauchen es, Geschichten zu erzählen und diese miteinander zu teilen.“ Davon ist Dennis Witton, zusammen mit seinem Mann Michael Schnorrenberger Inhaber der Buchhandlung Wortreich in Horrem, überzeugt. Und auch dieser Artikel wird eine Geschichte erzählen, wenn auch eine ohne Nebenfiguren und überraschende Wendungen, wie sie typisch sind für Erzähltexte, denn in einem Beitrag im Lokalteil Ihrer Zeitung steht die Information im Vordergrund.
Es ist die Geschichte eines Buches und eines eigenwilligen Autors, die es zu erzählen gilt. Der Kerpener Torsten Woywod ist im Hauptberuf Marketingleiter des DuMont Buchverlags. In dieser Funktion kam er in Kontakt mit dem Verleger Kevin Duffy, in dessen kleinem Verlag Bluemoose Books die Originalausgabe von „Offene See“ von Benjamin Myers erschienen ist, ein Roman, den die Unabhängigen Buchhandlungen 2020 zu die ihrem Lieblingsbuch kürten.
Das Buch lasen sie in einer Nacht fasziniert durch
Woywod und Duffy blieben in Kontakt, und eines Tages pries Duffy Woywod ein Buch an und suchte Unterstützung dabei, einen Verlag für eine deutsche Ausgabe zu finden. Woywod und seine Lebensgefährtin Frauke Meurer kauften das Buch, lasen es fasziniert in einer Nacht durch und waren sich einig, dass dieser Roman unbedingt den deutschen Lesern zugänglich gemacht werden müsse.
Die Sache hatte nur einen Haken: Der Autor, der bei der Stadt Dublin arbeitet und in Irland auch ein bekannter Musiker ist, ist Fan von unabhängigen, mit Herzblut betriebenen Projekten – und dazu zählen für ihn kleine unabhängige Verlage. DuMont kam als großer Buchverlag also nicht infrage.
Die Leidenschaft für diesen Roman war bei Woywod und Meurer jedoch geweckt, und schließlich war es Frauke Breuer, die den Mut beisteuerte, um zu sagen: „Wir machen das“. Nämlich einen eigenen Verlag zu gründen, um dieses „Lieblingsbuch“ in Deutschland herauszubringen. Mit 25.000 Euro Kosten kalkulierten sie anfangs – bislang wurde es das Dreifache – und einer Auflage von 3.000 Exemplaren.
Um das eigene Risiko zu verringern, starteten sie bei den unabhängigen Buchhandlungen eine Art Crowdfunding-Kampagne. Diese waren aufgefordert, Abnahmegarantien auszusprechen und die georderten Exemplare vorab zu bezahlen. Dafür konnten sie zum Beispiel über die Covergestaltung, die Farbgebung des Umschlags mitdiskutieren und bekamen eine Veranstaltung zu diesem Roman zugesichert, ein Werkstattgespräch, wie es nun am 15. Juni auch in der Buchhandlung Wortreich stattfinden wird.
Die Kampagne war erfolgreich, denn die unabhängigen Buchhandlungen haben ein Faible für kleine Verlage, die den Mut haben besondere Geschichten und Themen herauszubringen, erklärt Dennis Witton. Und nicht nur die Kampagne war erfolgreich, sondern auch der im März veröffentlichte Roman fand schnell immer mehr Leser, ist jetzt seit sieben Wochen auf der „Spiegel-Bestsellerliste“ und seit drei Monaten auf der Independent-Bestsellerliste zu finden. Mittlerweile ist die dritte Auflage erschienen und 18.000 Exemplare wurden gedruckt. Wortreich hat bisher davon 54 Exemplare in drei Monaten verkauft. Läuft also.
Und warum ist „Leonard und Paul“ von Rónán Hessions in der Übersetzung von Andrea O'Brien so erfolgreich? Dennis Witton erklärt das folgendermaßen: „Ich lese in einem bestimmten Tempo. Aber dieses Buch hat mich von der ersten Seite an gezwungen, langsam zu lesen und alles genau aufzunehmen, auch auf die ganz kleinen Dinge zu achten, die sonst untergehen würden.“ Erzählt wird in einer einfachen, zugänglichen, aber nicht simplen Sprache.
Ein Buch, das dem Leser guttut
Es werden keine großen Dramen inszeniert, sondern der gewöhnliche Alltag der gewöhnlichen und auf ihre Art doch ungewöhnlichen Protagonisten beschrieben. Sie verkörpern Tugenden wie Zuverlässigkeit, Bodenständigkeit, Freundlichkeit und Authentizität. Es ist ein Buch, „das dem Leser guttut“, wie Witton sagt.
Am 15. Juni um 19.30 Uhr (Hauptstraße 196) liest er Passagen aus „Leonard und Paul“, und die Besucher können mit den Verlagsgründern und den Buchhändlern über die Entstehung des Buches, die Covergestaltung, Feinheiten der Übersetzung und ihre Leseerfahrungen sprechen.
Denn dann wird die Buchhandlung wieder zu einem Ort, die sie nach dem Willen von Witton und Schnorrenberger sein soll: eine Kultureinrichtung, in die die Menschen gerne kommen und sich um ein fiktives Lagerfeuer versammeln, um sich Geschichten erzählen zu lassen und diese miteinander zu teilen. Der Eintritt kostet 5 Euro.