„Sterben wie am Fließband“Kerpenerin kündigt Job auf Covid-Intensivstation
Kerpen – „Am Schlimmsten ist das Sterben wie am Fließband“, sagt Kathrin Reuter (25) über ihre Arbeit als Intensivkrankenschwester auf der Covid-Station einer großen Klinik. So viele unnötige Tode habe sie dort begleiten müssen, meist von ungeimpften Patienten. Inzwischen hat sie ihre Stelle aufgegeben. „Ich habe es nicht mehr ertragen, jeden Tag zur Arbeit zu fahren, den Menschen dort beim Sterben zuzusehen und wieder nach Hause zu fahren.“
In der Ausbildung habe sie zwar gelernt, mit Tod und Sterben umzugehen, sagt die 25-jährige Krankenpflegerin. „Das Problem war die Häufung. Es waren einfach zu viele Menschen, denen wir nicht mehr helfen konnten.“ Das Bett sei gerade leer gewesen, da sei schon der Corona-Patient eingeliefert worden. „Ich war so müde von Tod und Corona, dass ich gekündigt habe.“
Der Beruf ist für die Krankenschwester aus Kerpen Berufung
Krankenschwester will sie bleiben, demnächst tritt sie eine neue Stelle in einer anderen Klinik an. Menschen zu helfen, ist für sie eine Berufung. Dabei habe sie erst auf den zweiten Blick erkannt, wie wichtig ihr diese Arbeit mit und für Menschen sei. „Anfangs habe ich die Ausbildung als Überbrückung bis zum Medizinstudium gesehen“, erinnert sie sich. Doch studieren will sie inzwischen nicht mehr. „Der Beruf der Krankenschwester gefällt mir zu gut.“
Um Menschen den Schrecken der Covid-Erkrankung zu vermitteln, geht Kathrin Reuter auf die Straße. Betroffen reagierten die Zuhörerinnen und Zuhörer bei der Mahnwache vor einer Woche in Erftstadt. Auch bei der Mahnwache in Kerpen am heutigen Montagabend will sie den Menschen sagen: „Ich habe in dem dreiviertel Jahr auf der Intensivstation deutlich mehr Tote als Lebende extubiert, also von der Beatmungsmaschine genommen; mehr Patienten in die Kühlkammer des Krankenhauses verlegt als auf die Normalstation.“
Impfen, davon ist sie überzeugt, sei zwar eine persönliche Entscheidung. „Aber diese persönliche Entscheidung sollte dort aufhören, wo sie andere Menschen in ihrem Leben beeinträchtigt.“ Sie habe schreien wollen, als an einem Tag ein ungeimpfter Patient über den Berg war und aufwachte – und im Bett nebenan ein Patient gestorben sei, der sich an alle Auflagen und Regeln gehalten habe. „Ich weiß, ich darf so nicht denken“, entschuldigt sie sich. Trotzdem habe sie es als große Ungerechtigkeit empfunden. „Ich habe mich natürlich auch darüber gefreut, dass es der andere Patient geschafft hatte.“ Richtig wütend könnte sie werden, wenn Patienten noch kurz vor der Intubation versuchen, sie von wirren Verschwörungstheorien zu überzeugen. „Es gab aber auch Patienten, die sich für ihre Einstellung wirklich und ehrlich entschuldigt haben“, sagt sie.
Kerpener Krankenschwester: Patienten müssen sich ins Leben zurück kämpfen
Kathrin Reuter weiß: „Kein Mensch stirbt einfach so an Covid-19.“ Oft ziehe sich das Sterben über Wochen hin. „Dabei tun wir ja alles, um ihnen mit der Beatmung zu helfen“, sagt sie. Oft komme nicht genug Sauerstoff in der Lunge an. Vor der Intubation bekämen die Patienten ein starkes Schlafmittel. Dann werde der Schlauch in den Hals gelegt und an das Beatmungsgerät angeschlossen. „Normalerweise atmen wir im Reflex“, erklärt sie.
469 Tote in Rhein-Erft
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor ziemlich genau zwei Jahren im chinesischen Wuhan sind alleine im Rhein-Erft-Kreis (Stand 28. Januar) 469 Menschen an oder mit Corona gestorben. Und das Sterben geht weiter, obwohl es inzwischen Impfstoffe gibt, die vor schweren Krankheitsverläufen schützen können. Bei den Mahnwachen die nun regelmäßig etwa in Brühl, Erftstadt und Kerpen stattfinden, wird der Corona-Toten und allen 118 000 an Covid-19 verstorbenen Menschen in Deutschland und der 5,65 Millionen Toten weltweit gedacht. Die Veranstalter rufen aber auch zu Respekt, für Demokratie und für Solidarität auf. Und es ist ihnen wichtig, Menschen wie Kathrin Reuter, den Kranken- und Intensivschwestern, den Pflegern, Ärztinnen und Ärzten in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen für ihren Einsatz zu danken. (mkl)
Beim Einatmen entstehe Unterdruck, der die Luft in die Lunge ziehe. „Das Beatmungsgerät drückt die Luft aber in die Lunge.“ Das große Problem sei, dass als Folge einer Corona-Erkrankung die Lungenbläschen verkleben können. Um diese Verklebungen zu lösen, brauche es oft einen hohen Beatmungsdruck. „Der Tod tritt ein, wenn zu viele Teile der Lunge geschädigt sind oder die Organe aufgrund einer langen Intensivbehandlung einfach versagen.“
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Wer nach einer Intubation wieder aufwacht – gesund sei er deswegen noch lange nicht. „Für die meisten Patienten beginnt dann erst der eigentliche, mitunter monatelange Kampf zurück ins Leben.“