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Umgang mit der AfD in Rhein-Erft bleibt schwierig

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Lesezeit 3 Minuten
Auf dem Foto sind Teilnehmende einer Demonstration in Brühl zu sehen.

Vor knapp einem Jahr haben Tausende Menschen im Rhein-Erft-Kreis für die Demokratie und gegen Rechtsextreme demonstriert. Die direkte Auseinandersetzung mit der AfD im Bundestagswahlkampf ist indes nicht überall gewollt.

Bei Podiumsdiskussionen bleiben SPD, FDP, Grüne und CDU unter sich. Der Konfrontation mit der AfD aus dem Weg zu gehen ist falsch, findet Jörn Tüffers.

Kann man eine Partei, die in den Umfragen stabil bei rund 20 Prozent der Stimmen liegt und möglicherweise als zweitstärkste Kraft aus der Bundestagswahl am 23. Februar hervorgeht, ignorieren? Sollte man sich nicht eher mit ihr auseinandersetzen, sie kritisch hinterfragen, sie mit ihren Positionen konfrontieren?

Vor Jahren hat die AfD das politische Parkett betreten, und immer noch ist der Kompass im richtigen Umgang mit der rechtsgerichteten Partei nicht justiert. Das zeigte sich wieder in dieser Woche, da die Redaktion angesichts des Wahltermins in fünf Wochen mehrere Einladungen zur Berichterstattung über Podiumsdiskussionen mit Bundestagskandidatinnen und -kandidaten erreichten.

Bewerber von AfD und der Linken fehlen auf dem Podium

Da will Szene 93 in Erftstadt – ein Forum für junge Kultur – beispielsweise Ende der übernächsten Woche mit Vertretern politischer Parteien ins Gespräch kommen. Auf dem Podium sitzen Kandidatinnen und Kandidaten von CDU, SPD, FDP und Grünen. Der Bewerber der AfD dagegen nicht, auch ein Vertreter der Linken fehlt.

Schon in der kommenden Woche macht das Geschwister-Scholl-Gymnasium Pulheim Politikunterricht der anderen, und zwar anschaulichen Art. Auch dort finden sich die Namen der Parteien, die die politische Landschaft bis zur Wiedervereinigung unter sich aufteilen durften – wenn auch noch mit anderen Anteilen als heute: CDU, SPD, FDP und Grüne.

Die politische Landschaft ist mehr als SPD, FDP, CDU und Grüne

Doch hat sich durch die Absplitterung eines Teils der SPD und die Gründung der WASG, die dann später in der Linkspartei aufging, und Jahre später die zunächst „nur“ europafeindlichen AfD das Spektrum deutlich erweitert. Und erst im Jahr 2024 ist durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine weitere Kraft hinzugekommen.

In deren Fall kann man als Veranstalter einer Diskussionsrunde zur Bundestagswahl am ehesten argumentieren, dass nur Vertreter von Parteien auf der Einladungsliste stehen, die bereits in den Bundestag gewählt worden sind und dass man Grenzen ziehen muss – schließlich werden noch deutlich mehr Parteien auf dem Stimmzettel stehen als die Genannten.

Auf dem Foto ist die SPD-Bundestagskandidatin Andrea Kanonenberg zu sehen.

SPD-Bundestagskandidatin Andrea Kanonenberg stellt sich in Erftstadt der Debatte.

Nun ist es ja so, dass es jedem freisteht, wen er wozu einlädt. Wobei der Ansatz ja schon ein anderer ist, als wenn man sich Gedanken über die Gästeliste für den runden Geburtstag oder die Kommunionsfeier seines Kindes macht. Denn da setzt man sich selbstredend ausschließlich mit solchen Menschen an einen Tisch, die einem nahestehen und deren Ansichten man – im günstigsten Fall – teilt.

Wer zu einer politischen Veranstaltung einlädt, muss aber ein anderes Ziel verfolgen: in sehr kurzer Zeit den Anwesenden ein Bild über die Positionen der relevanten Parteien zu vermitteln und deren Vertretern ein Forum zu bieten, ihre politischen Ziele vorzustellen – und natürlich diese kritisch zu hinterfragen oder auch in Konfrontation zu gehen. Was durchaus unangenehm sein kann.

Veranstalter wollen zeigen, dass Toleranz ihre Grenzen hat

Die Macher von Szene 93 haben sich dagegen entschieden. Sie argumentieren: „Der öffentliche Auftritt dieser Partei war auch in jüngster Vergangenheit durch menschen- und demokratiefeindliche Äußerungen geprägt.“ Und weiter: Toleranz gegenüber einer intolerant auftretenden Partei müsse mit Bedacht gezeigt werden.

Ist es aber nicht doch so: Angesichts des Umstands, dass die AfD bei den jüngsten Wahlen vor allem bei jungen Wählern punkten konnte, muss jede Gelegenheit genutzt werden, sie mit ihren menschenverachtenden Positionen zu konfrontieren und das Nichtvorhandensein im Verstehen politischer Zusammenhänge etlicher ihre Kandidaten zu entlarven.

Das Ringen um Demokratie kann auch mal weh tun.