Mit Autokennzeichen ist es so eine Sache. Kaum einer wählt eine beliebige Kombination aus Buchstaben und Zahlen aus. Doch Dieter Spürck will mehr.
Kommentar zum Kennzeichen-VorstoßKerpens Bürgermeister wählt Vorstoß für „KER“ zum falschen Zeitpunkt
Des Deutschen liebstes Kind ist das Auto – auch wenn die Branche gerade etwas schwächelt, was sich im Autobauerland direkt auf die gesamte Volkswirtschaft auswirkt.
Aber von derartigen Krisen soll hier nicht die Rede sein. Sondern davon, was ein Auto erst zu unserem macht: das Autokennzeichen. Ist das richtige Auto, das zu einem passt – und sich auch bezahlen lässt – einmal gefunden, führt der Weg unweigerlich zu den Zulassungsstellen nach Hürth oder Bergheim.
Das darf man sich nicht zu leicht vorstellen, wobei mögliche Wartezeiten noch das kleinere Übel sind. Sondern es geht um die Wahl des Kennzeichens, das zu einem passt. Es sei denn, es ist einem völlig egal, welche Kombination aus Buchstaben und Zahlen nach dem obligatorischen „BM“ folgt, so man denn im Rhein-Erft-Kreis wohnt.
Wer möchte vor den Toren Kölns mit D-FC 1948 gesehen werden?
Für viele aber ist die Wahl des Kennzeichens eine Herzensangelegenheit, verbinden sie damit doch ein Statement: Da wird das Datum des Hochzeitstages verewigt oder das der Geburt des Kindes oder auch mehrerer Kinder – was bei mehr als zweien schon schwierig wird –, oder aber die Buchstaben und Zahlen stehen für die Liebe zu einem Fußballverein. BM-FC 1948 wäre so ein Ding. Vermutlich ist das aber längst vergriffen. Da würde allenfalls ein Umzug helfen. Aber wer möchte schon mit D-FC 1948 gesehen werden? Erst recht seit dem vorigen Wochenende und der 96. Minute in der anderen großen Stadt am Rhein.
Aber lassen wird das lieber!
Dass ein Autokennzeichen eine hochemotionale Angelegenheit ist, weiß offenbar auch Kerpens Bürgermeister Dieter Spürck (CDU). Andernfalls hätte er sich kaum wie 13 Amtskollegen kreisangehöriger Städte einer Initiative angeschlossen, die das Kennzeichen ihres Kreises, das sie mit vielen anderen Städten teilen, von den Autos verbannen wollen. Kerpener sollen demnach mit „KER“ statt mit „BM“ durch den Kreis fahren, und gerne auch außerhalb dessen Grenzen.
Was dem Stadtoberhaupt – er wird an diesem Samstag 58 Jahre alt – bundesweit Aufmerksamkeit verschaffte, da die „Bild“ dieser Kampagne entsprechend groß Gehör verschaffte.
In der Kolpingstadt selbst fiel das Echo deutlich schwächer aus. Zieht man die künstliche Aufgeregtheit und die völlig unqualifizierten Bemerkungen ab, bleibt als Essenz der Kommentare in den Sozialen Netzwerken dennoch eine Frage übrig: Hat Dieter Spürck nichts Wichtigeres zu tun? Und: Gibt es in einer Stadt, die in ihren Zentren gegen Verödung kämpft, deren Schulen wegbröckeln und der – wie vielen anderen Städten auch – infolge der mauen Konjunktur ein Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen droht, keine drängenderen Probleme?
Erst wenige Tage bevor die Kennzeichen-Initiative publik wurde, hatte der Bürgermeister die Politik darüber informiert, dass im laufenden Haushaltsjahr 30 Millionen Euro fehlen werden.
Spürck fehlt es am Fingerspitzengefühl
Möglicherweise mag Spürck sich gedacht haben, dass eine Initiative für ein „KER“-Kennzeichen das lokalpatriotische Gemüt anspricht und seine Bürgerinnen und Bürger ein wenig von all den unschönen Nachrichten ablenken könnte. Allerdings ist der Schuss nach hinten losgegangen. Von einer Fehleinschätzung mag da die Rede sein; treffender aber ist wohl, von einem Mangel an Fingerspitzengefühl auszugehen.
Es bleibt abzuwarten, wann Spürck seine Initiative zur Abstimmung in den Rat einbringt.