Stichwahl in PulheimDie Meinungen der Bürgermeisterkandidaten gehen auseinander
Pulheim – Vier Kandidaten und zwei Kandidatinnen hatten sich am 13. September zur Wahl gestellt. Für Amtsinhaber Frank Keppeler (CDU) haben 11 158 Wahlberechtigte gestimmt, das entspricht 42,1 Prozent. Marion Reiter (SPD) bekam 6212 Stimmen, das entspricht 23,1 Prozent der Wahlberechtigten, die beiden treten in der Stichwahl an. Mit ihnen sprachen Maria Machnik und Ulla Jürgensonn.
Die Stadt ist in einer Sackgasse: Nach rund sieben Jahren liegt das IT-Konzept für die Schulen noch nicht vor. Nun heißt es Medienentwicklungsplan, doch auch der lässt auf sich warten. Die Kooperation mit Kommunen des Rhein-Erft-Kreises steht auf der Kippe und somit auch die Aussicht, Fördermittel für den Glasfaser-/Breitbandausbau zu bekommen. Erschwerend kommt hinzu, dass er möglicherweise erst 2024 verwirklicht werden könnte. Diese zeitliche Perspektive habe ihn besorgt, sagt Frank Keppeler.
Doch sei es eine Entscheidung des Stadtrates, ob die Stadt an der Kooperation festhalte und somit „den längeren Weg“ wähle oder ob sie Geld in die Hand nehme und den Breitband-/Glasfaserausbau in Eigenregie stemme. „Ich glaube aber, dass eine Perspektive bis 2024 schwer zu vermitteln ist.“
Marion Reiter plädiert dafür, „jetzt Geld in die Hand zu nehmen“ und einen Schlussstrich unter die Kooperation zu ziehen. „Wir können weder den Schulen noch den Eltern noch den Schülern vermitteln, dass wir weitere Jahre dafür brauchen.“
Schulzentrum Pulheim
Die Modernisierung/Sanierung des Schulzentrums Pulheim steht seit Jahren auf der Agenda ganz oben. Für Marion Reiter ist es an der Zeit, die Reißleine zu ziehen und „neu zu bauen“. Es gebe gute Beispiele in den Nachbarstädten. „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden.“ Das Schwierigste sei, das passende Grundstück zu finden. Frank Keppeler hält nichts davon, „Hoffnungen zu schüren“.
Frank Keppeler
Der 47 Jahre alte Volljurist ist seit 2009 Bürgermeister in Pulheim. In seiner Studienzeit hat er diverse juristische Abhandlungen veröffentlicht, unter anderem zu arbeits- und haftungsrechtlichen Fragen. Seit den 90er-Jahren ist Frank Keppeler in der CDU aktiv, von 1999 bis 2009 saß er für die Christdemokraten im Stadtrat. Er und seine Frau Jennifer haben zwei Kinder. (mma)
Ein Neubau wäre wünschenswert, aber die erforderlichen Grundstücke stünden nicht zur Verfügung. „Die beiden diskutierten Flächen gehören nicht der Stadt.“ Eine weitere Suche würde zu erheblichen Verzögerungen führen mit ungewissem Ausgang. „Das ist den Schulgemeinden nicht zu vermitteln.“ Es sei jetzt an der Zeit loszulegen.
Klimaschutz
Klimaschutz ist beiden Bewerbern ein Anliegen. Doch auch hier gehen ihre Meinungen auseinander. „Ein ganz großes Manko ist, dass die Stadtwerke zurzeit nur Strom verkaufen, aber nicht produzieren. Daran sollte die Stadt als Gesellschafterin ganz dringend etwas ändern“, sagt Marion Reiter.
Es gebe viele städtische Gebäude, auf deren Dächern und an deren Fassaden Solaranlagen installiert werden könnten, um Strom zu erzeugen. Überschüssigen Strom könnten die Stadtwerke verkaufen, und damit einen Stadtbus finanzieren. Ihre Devise: „Nicht immer auf den großen Wurf und auf ein Konzept warten, sondern einfach mal Kleinigkeiten machen, die bringen auch was.“ Die Stadt könne auf ihrem Gebiet Stadtbuslinien einführen, ohne sich mit dem Kreis oder anderen Städten abstimmen zu müssen.
Die Gespräche
Noch ist die Kommunalwahl nicht gelaufen. In fünf Städten des Kreises stehen am Sonntag, 27. September, Stichwahlen an. In Brühl, Frechen, Kerpen, Pulheim und Erftstadt entscheiden die Wählerinnen und Wähler, wer Bürgermeister wird, da hier im ersten Durchgang am 13. September keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen konnte.
Da auch das Rennen um die Nachfolge von Landrat Michael Kreuzberg noch nicht entschieden ist, sind nicht nur in diesen fünf Städten, sondern in allen Kommunen des Kreises die Wahlberechtigten ein weiteres Mal aufgefordert, an die Urne zu gehen. Die Redaktion hat sich auf die Stichwahlen vorbereitet und die Kandidatinnen und Kandidaten zu Gesprächen eingeladen. (dv)
Frank Keppeler verweist darauf, dass einige 2017 beschlossenen Klimaschutzkonzeptprojekte in der Umsetzung oder zumindest auf den Weg gebracht seien. Als Beispiel nennt er die energetische Sanierung städtischer Gebäude. Im Rahmen des Mobilitätskonzeptes werde die Stadt bestimmte Fortbewegungsformen attraktiver machen, insbesondere den Radverkehr. „Wir werden mehr öffentlichen Personennahverkehr bekommen.“ Die beschlossene Schnellbuslinie von Dormagen nach Brühl und die Anbindung von Weiden-West gingen in die richtige Richtung. Von Verboten, um den Klimaschutz voranzubringen, halte er nichts. „Es ist wichtig zu überzeugen. Wir müssen alle mitnehmen und schon bei den Kleinen anfangen.“
Wohnungsbau
Die Stadt ist als Wohnort sehr beliebt, insbesondere bei Familien. Doch Flächen sind rar. Eine Möglichkeit, neuen Wohnraum zu schaffen, bietet die Innenverdichtung, also das Bebauen freier Flächen im Ort. Sie sei wichtig, aber nicht auf Biegen und Brechen, sagt Frank Keppeler. „Wir benötigen weiteren Wohnungsbau, aber in Maßen.“ Die Stadt brauche auch grüne Oasen wie Parks und umgewandelte Spielplätze. „Sichtbares Grün bedeutet Lebensqualität.“
Für Reiter ist es an der Zeit, „über ganz andere Wohnformen nachdenken“. Denkbar sei, dass Senioren und Studenten unter einem Dach wohnten, mehr Wohngemeinschaften entstünden und über Tiny Houses und Genossenschaften nachgedacht werde. „Bei den Bebauungsplänen müssen wir flexibler sein.“
Marion Reiter
Die 46-Jährige arbeitet als Bauingenieurin im Brückenbau bei Straßen NRW. Ihre berufliche Laufbahn hat sie mit einem Schülerpraktikum im Pulheimer Rathaus begonnen. Marion Reiter ist 2016 in die SPD eingetreten. Sie sitzt als sachkundige Bürgerin im Umweltausschuss sowie im Ausschuss für Tiefbau und Verkehr. Ehrenamtlich engagiert sich die dreifache Mutter in der Flüchtlingshilfe. (mma)
Für beide Kandidaten ist der soziale Wohnungsbau ein wichtiges Thema. Die Ansätze unterscheiden sich deutlich. Marion Reiter möchte den Bedarf per Quote regeln. „30 bis 50 Prozent bei neuen Bauvorhaben, so wie Köln das auch schon macht.“
Frank Keppeler betont, dass es in den neuen großen Baugebieten im Umfeld des Europaviertels schon öffentlich geförderten Wohnungsbau gebe oder er vorgesehen sei. Bei der Vergabe von Grundstücken gelte in Pulheim nicht das „Höchstpreisverfahren“ wie in anderen Städten. In einigen Bereichen erführen Pulheimerinnen und Pulheimer aus dem gesamten Stadtgebiet und Familien eine gewisse Bevorzugung. „Das sind wichtige Signale und die richtigen Antworten.“
Solide Finanzen
Für Marion Reiter ist es an der Zeit, vom Credo der Schwarzen Null abzuweichen. „Im Moment ist Geld günstig zu haben. Und wir investieren ja in Umweltschutz und so weiter.“ Das rechne sich langfristig. „Da schließt sich der Kreis. Wenn wir ein neues Schulzentrum bauen, können wir dies energietechnisch so autark machen, dass wir die Betriebskosten in Zukunft nahe null haben. Dann hat sich die Investition doppelt und dreifach gerechnet.“
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Frank Keppeler will am ausgeglichenen Haushalt festhalten. „Wir haben Corona und wir werden die 30 Millionen Euro, die wir als Ausgleichsrücklage angespart haben, sehr dringend brauchen. Die wirtschaftlichen Einbußen durch Corona werden so riesig sein, dass wir sagen können, es ist gut, in guten Zeiten etwas zurückzulegen, um dann jetzt auch investieren zu können.“ Da man jeden Euro nur einmal ausgeben könne, müsse man Schwerpunkte setzen. Es gehe auch um die Generationengerechtigkeit. „Und ich möchte dafür nicht die Steuern erhöhen müssen.“
Wohnen im Alter
„Seniorengerechtes Wohnen wird auch weiterhin im Fokus sein“, versichert Frank Keppeler. Es sei aber auch von zentraler Bedeutung, stationäre Pflegeplätze zu schaffen. „Da gibt es schon entsprechende Planungen.“ Die Stadt selbst könne Pflegeplätze nicht schaffen. „Aber sie kann entsprechende Institutionen ansiedeln oder Ansiedlungen unterstützten.“ Sein Ziel sei, in den nächsten fünf Jahren stadtweit eine dreistellige Zahl an zusätzlichen Pflegeplätzen zu schaffen und ein stationäres Hospiz. „Da müssen wir zügig ran.“
Auch Marion Reiter möchte mehr Einrichtungen und mehr Angebote in der Stadt schaffen, aber auch kleine Wohnungen, damit die Menschen im Alter nicht entwurzelt werden, sondern in ihrem vertrauten Stadtteil bleiben können. „Auch ich unterstütze das Vorhaben des Hospiz-Vereins, ein stationäres Hospiz zu schaffen.“