Zu schade zum WegwerfenPulheimer „Foodsharer“ retten Lebensmittel vor der Tonne
- Foodsharing ist jetzt auch in Pulheim angekommen.
- Ehrenamtliche retten tonnenweise Lebensmittel und verschenken sie an Bedürftige vor Ort.
- Dabei arbeiten sie eng mit der Tafel zusammen, um keine Konkurrenzsituation entstehen zu lassen.
Pulheim – Auf den Tisch oder in die Tonne? Genießbare Lebensmittel wegzuwerfen, kommt für viele nicht in Frage. Die Zahlen sehen allerdings ganz anders aus. 1,3 bis 2 Milliarden Tonnen Lebensmittel werden weltweit jährlich weggeworfen, in Deutschland sind es mehr als 11 Millionen Tonnen Nahrungsmittel. Laut Statistik des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wirft jeder von uns jährlich 81 Kilo Lebensmittel im Wert von über 200 Euro weg. Aber es geht auch anders.
Kiste voller Gemüse für zuhause
„Oh, es gibt Puddingteilchen“, freut sich Antonia Böttcher, als Lebensmittelretterin Beate Stumpf im Zanderhof ankommt. Zwei Autos, bis obenhin gefüllt mit Bananen, Paprika, Tomaten, Salat, Broten, Getränken, Knabbereien, Backmischungen und eben den begehrten Puddingteilchen werden im Innenhof verteilt und warten hier auf „foodsharer“.
Das sind Leute wie Antonia Böttcher, die die Lebensmittel retten, indem sie sie mit nach Hause nehmen oder sofort aufessen. Antonia Böttcher entscheidet sich für Variante zwei. Sie freut sich jeden Freitag über die Leckereien, die hier von den „foodsavern“ verschenkt werden. Eigentlich spielt sie ja freitags bei der Awo Bingo, aber die „jungen Leute mit den Kisten“, wie sie betont, versüßen ihr jede Woche den Spiele-Nachmittag. Die Pulheimerin Andrea Romahn schleppt eine Kiste voller Gemüse nach Hause: „Dafür koche ich meinen Freundinnen morgen etwas Schönes. Ich finde, das ist eine tolle Aktion und komme fast jede Woche, auch aus Respekt vor den Lebensmitteln, die ja sonst weggeworfen würden.“
Das ist Foodsharing
Die Initiative wurde in Anlehnung an den Film „Taste the waste“ von Valentin Thurn zum Thema globaler Lebensmittelverschwendung 2012 in Berlin gegründet. Sie setzt sich weltweit für die Wertschätzung von Lebensmitteln ein.
Mittlerweile gibt es mehr als 65 000 ehrenamtliche „foodsaver“, über 5800 kooperierende Betriebe, die die Lebensmittel stellen und etwa 2500 Lebensmittel-Rettungseinsätze täglich. (epb)
Erstaunlich, was die „foodsaver“ bei den Abgabe-Betrieben wie dem Kaufland in Pulheim alles bekommen: Lebensmittel mit kleinen Schönheitsfehlern, Suppendosen mit Dellen, Saisonware, die aus den Regalen raus muss oder Fehlgriffe von Kunden, die irgendwo im Laden abgestellt wurden. „Wir hatten auch schon Kokosnüsse dabei, Kürbisse und kürzlich eine ganze Kiste Schokoriegel mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum März 2020“, erzählt „foodsharing“-Botschafter Wolfgang Lange.
Thema Nachhaltigkeit rückt in Pulheim in den Fokus
Vor rund zwei Jahren beschlossen er und René Di Carlo: „Wir retten Lebensmittel“ und brachten damit „foodsharing“ in Pulheim in Schwung. Die Gruppe gab es hier zwar schon seit 2013, aber nicht alle Mitglieder kamen damals aus Pulheim. Einige kamen auch aus Köln und Kerpen. Das Thema Nachhaltigkeit rückt immer mehr in das Bewusstsein der Menschen und die Gruppe wuchs auf mittlerweile rund 100 Mitglieder an. Bürgermeister Frank Keppeler lud die Initiative kürzlich zum Pulheimer Klimaschutztag und zum Stadtfest ein, wo sie informierte und gerettete Lebensmittel verschenkte. „Das Prinzip ist ganz einfach“, erklärt Wolfgang Lange. „Abgabe-Betriebe wie das Kaufland in Pulheim informieren unsere »foodsaver«, die fahren dann in die Betriebe und bekommen dort Lebensmittel, die sonst im Müll landen würden.“ Das habe auch Vorteile für die Betriebe. „Wir sortieren aus, damit sparen die Betriebe das Entsorgungsgeld und außerdem können sie mit Nachhaltigkeit werben“, so Lange weiter.
Parallel werden Lebensmittel auch privat auf der „foodsharing“-Plattform eingestellt und können zeitnah im Raum Pulheim abgeholt werden.
Enge Zusammenarbeit mit der Tafel
Ist das nicht eine Konkurrenz zur Tafel? „Klares Nein“, erwidert Wolfgang Lange. „Wir arbeiten mit den Tafeln eng zusammen. Dabei hat die Tafel, die Lebensmittel an Bedürftige ausliefert, immer Vorrang.“ Einen Unterschied gibt es aber doch. „Wir stellen den Spenderbetrieb von der Haftung frei“, erklärt Wolfgang Lange. „Das heißt, sobald die Lebensmittel abgeholt wurden, liegt die weitere Verantwortung in unserer Hand.“
Daher sind die Vorgaben von „foodsharing“ bundesweit sehr streng. Es gibt eine Art Probezeit, erst dann erhält man den offiziellen Ausweis der Initiative. Dennoch suchen sie nach weiteren Helfern in Pulheim. „Betriebe, in denen wir Lebensmittel retten können, gibt es genug“, sagt René Di Carlo.
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„Wir sagen aber erst zu, wenn wir eine sichere Abholung auch gewährleisten können.“ Wer letztlich die Lebensmittel mitnimmt, spielt bei den „foodsharern“ keine Rolle. „Wir freuen uns aber, wenn wir jetzt durch unseren neuen »Fair-Teiler«, die Awo im Zanderhof, auch ältere Menschen mit kleiner Rente erreichen, die sich davor scheuen, zur Tafel zu gehen“, erklärt René Di Carlo.
Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite www.foodsharing.de.