Ein Zehnjähriger wurde wohl übersehen und von einem Lkw überrollt. Deshalb machen Polizei und Feuerwehr auf den toten Winkel aufmerksam.
Nach UnfalltodPolizei und Feuerwehr informieren Eltern in Pulheim über Gefahren des Toten Winkels
„Wenn ihr den Lkw-Fahrer weder im Spiegel noch im Fenster seht, dann sieht er euch auch nicht“, sagt Claudia Färber. „Dann wird es gefährlich.“ Die Polizistin ist Verkehrssicherheitsberaterin und wenn sie eindringlich vom toten Winkel spricht, wird es einigen Zuhörerinnen und Zuhörern in der Christinaschule mulmig.
Viele Eltern sind gekommen, und manche haben ihre Grundschulkinder gleich mitgebracht. Der Anlass zu dieser Veranstaltung ist ein trauriger. „Der schreckliche Fahrradunfall des zehnjährigen Henry Mitte September hat uns und auch viele Eltern nicht in Ruhe gelassen“, sagt Schulleiter Christian Klann bewegt. Henry war beim Abbiegen vermutlich im toten Winkel übersehen und von einem Lkw überrollt worden.
Der Junge starb noch am selben Abend. Gegen den Lkw-Fahrer ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft. Um für die lebensgefährlichen Gefahren des toten Winkels zu sensibilisieren, stellten Polizei Rhein-Erft und die Feuerwehren aus Pulheim und Kerpen ein Programm auf die Beine, das die Eltern theoretisch und praktisch aufhorchen lässt.
Denn viele Lastwagen haben noch keinen Abbiegeassistenten, der Leben retten kann. „Kinder vor oder rechts neben einem Lkw sind vom Fahrer meist nicht zu sehen“, erklärt Claudia Färber. „Also lieber schnell aus dem toten Winkel heraustreten und Blickkontakt zum Fahrer aufnehmen.“ Auch hinter einem Lkw wird es schnell brenzlig.
„Woran erkennt man, dass der Lkw rückwärtsfahren will?“, fragt Färber. Der achtjährige Maximilian weiß sofort Bescheid. „An den weißen Rücklichtern. Habe ich bei meinen Eltern schon oft gesehen.“ Auch reflektierende Kleidung in der Dunkelheit sei im Straßenverkehr äußerst wichtig, sagt die Sicherheitsberaterin.
Was ein Holländischer Griff ist, erklärte kein Geringerer als der bekannte Koch und Moderator Horst Lichter in einem Video. „Am besten die Fahrertür mit der rechten Hand öffnen, dann gucke ich automatisch nach hinten und sehe, wenn ein Fahrrad kommt.“
Am eindrucksvollsten aber ist für viele Eltern die Erfahrung, mal aus einem Lkw die Straße zu sehen und auch den toten Winkel zu erkennen. Volker Melchiors aus Stommeln steigt mit seiner sechsjährigen Tochter Emilia in das große Feuerwehrauto. „Erstaunlich“, sagt er verwundert. „Von hier oben hat man keine Chance, ein Kind vor dem Lkw zu sehen. Das ist schon sehr erschreckend.“
Claudia Färber hofft, dass viele Eltern ihre Kinder immer wieder auf die Gefahren im Straßenverkehr aufmerksam machen. Die Veranstaltung zum Thema „Toter Winkel“ will die Polizistin in den nächsten Monaten zusammen mit ihren Kollegen und den Feuerwehren in allen fünften Klassen der Schulen im Pulheimer Stadtgebiet organisieren. „Wenn dadurch nur ein Leben gerettet wird, hat es sich gelohnt“, sagt Andreas Kuhn von der Feuerwehr Kerpen.
Für Freitag, 24. November, ist eine Gedenkfahrt für Henry und sichere Schulwege geplant. Sie findet auf Initiative von Henrys Eltern statt. Beginn ist um 8.15 Uhr an der Bushaltestelle vor dem Schulzentrum an der Hackenbroicher Straße.
Weitere Stationen sind die Katholische Grundschule, Buschweg (8.35 Uhr), die Katholische Grundschule Kopfbuche, Escher Straße 88 (8.42 Uhr), die Dietrich-Bonhoeffer-Schule, Auweilerstraße 11 (8.49 Uhr) und die Katholische Barbaragrundschule. Treffpunkt ist um 9 Uhr an der Johannisstraße/Ecke Levenkaulstraße.
Um 9.05 Uhr treffen die Teilnehmer am Paul-Decker-Platz ein, wo der Unfall geschah. Dort wird ein Geisterrad aufgestellt und eine Petition „Sichere Radwege in Pulheim“ an die Politik übergeben. Veranstaltet wird die Gedenkfahrt vom Freundeskreis Henry, vom Verein Kidical Mass und von der ADFC-Ortsgruppe Pulheim. Die ebenfalls von Henrys Eltern initiierte Petition ist online zu finden. (mma)