PolizeiskandalMaschinenpistole vermutlich von Beamten aus Pulheimer Wache gestohlen
- Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Text aus unserem Archiv, der unsere Leserinnen und Leser besonders interessiert hat. Er wurde zum ersten Mal am 15. Januar 2021 veröffentlicht.
Rhein-Erft-Kreis/Pulheim – Eine ganz besondere Vermisstenmeldung beschäftigt die Polizei im Rhein-Erft-Kreis.
Wie jetzt bekannt wurde, fehlt aus dem Waffenbestand bereits seit 2017 eine Maschinenpistole des Herstellers Heckler & Koch. Zuletzt gesehen wurde die Schnellfeuer-Pistole auf der Wache in Pulheim. Neben der Waffe fehlen auch zwei Magazine mit scharfer Munition.
Im Gegensatz zur Dienstpistole, die einem Beamten persönlich zugeordnet ist, handelt es sich bei einer Maschinenpistole um eine sogenannte Poolwaffe, die von mehreren Polizisten genutzt wird. Maschinenpistolen sind auch nur in geringer Stückzahl auf den Polizeiwachen vorhanden. In Pulheim sind es zwei Exemplare.
Waffenschrank in Pulheim wird vom Diensthabenden überwacht
Seit dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 wurden die Sicherheitsmaßnahmen in der ganzen Bundesrepublik erhöht. Seitdem sind auch in Nordrhein-Westfalen verstärkt mit Maschinenpistolen ausgerüstete Polizisten im Einsatz – bei Großveranstaltungen oder großen Märkten. Diese Waffen werden grundsätzlich in gesicherten Schränken auf der Polizeiwache aufbewahrt und im Bedarfsfall gegen eine Dokumentation herausgegeben.
Der Schrank auf der Wache in Pulheim ist üblicherweise immer im Blickfeld des jeweiligen Diensthabenden auf der Wache. Neben der Ausgabe sollte auch die Rückgabe der Maschinenpistole schriftlich quittiert werden. Soweit die Theorie.
So konnte die Waffe aus der Pulheimer Polizeiwache verschwinden
Aufgefallen war der Verlust auf der Wache Pulheim, als bei einer routinemäßigen Übergabe die Waffe fehlte. Normalerweise gibt es bei jedem Schichtwechsel eine Übergabe. Ob Funkgerät oder Maschinenpistole, der Vorschrift nach sollte alles lückenlos dokumentiert werden. Doch wenn die Zeit mal knapp werde, vertraue man sich unter Kollegen und es werde nicht alles überprüft, was schriftlich festgehalten werde, berichten Beamte aus ihrem Alltag. Typische Situationen seien, dass die Beamten von einem Einsatz zurück zur Wache kämen und eigentlich schon längst Dienstschluss hätten oder aber, wenn mehrere Bürgerinnen und Bürger auf der Wache im Vorraum warten würden.
Im Fall der abhanden gekommenen Maschinenpistole in Pulheim gibt es in der Dokumentation eine zeitliche Lücke von etwa zwei Tagen. In diesem Zeitraum im Juli 2017 verschwand die Maschinenpistole samt Munition. Nach Bekanntwerden wurde Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. Ermittelt wurde wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffengesetz.
Rhein-Erft: Wohnungen von zwei Beamten sollten durchsucht werden
Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer berichtet auf Nachfrage: „Als bekannt wurde, dass die Maschinenpistole fehlte, sind umfangreiche Ermittlungen angestellt worden. Sämtliche Räume in der Wache und alle Fahrzeuge wurden durchsucht. Telefondaten analysiert, Funkzellen ausgewertet, Aufnahmen aus der Überwachungskamera schauten sich die Ermittler an. Insgesamt wurden etwa 20 Polizeibeamte und –beamtinnen als Zeugen vernommen, alle die, die Zugang zur Wache hatten. Zudem wurden umfangreiche Ermittlungen im Darknet durchgeführt.“
Nach etwa neun Monaten Ermittlungsarbeit füllten die Akten einen kompletten Umzugskarton, der jetzt unter dem Aktenzeichen 83/UJS 135/17 im Keller der Staatsanwaltschaft steht. Der Fall schien nicht aufklärbar zu sein. Es gab keine weiteren Ansatzpunkte. Ein Tatverdächtiger wurde nicht gefunden. Im Laufe der Ermittlungen war daran gedacht worden, zwei Wohnungen von zwei Beamten zu durchsuchen. Doch der Verdacht reichte für einen Durchsuchungsbeschluss nicht aus. „Im Frühjahr 2018 haben wir die Ermittlungen eingestellt. Sollten sich neue Ansatzpunkte ergeben, werden wir die Ermittlungen wieder aufnehmen“, versichert Oberstaatsanwalt Bremer.
Polizei Pulheim: „Wir haben vermutlich einen Straftäter unter uns“
Der Leitende Polizeidirektor Roland Küpper zeigt sich betroffen über den Vorfall. Dass eine Maschinenpistole verschwinde, träfe die Polizei ins Mark. Alles Erdenkliche sei unternommen worden, um die Waffe wiederzufinden. Aber am Ende sei weder die Maschinenpistole gefunden, noch ein Verdächtiger ermittelt worden. „Betroffen macht uns insbesondere, dass wir vermutlich einen Straftäter unter uns haben und nicht wissen, wer es ist“, sagt Roland Küpper weiter.
Verschwundene Maschinenpistole: Das sagt das NRW-Innenministerium
Auf Nachfrage teilte das Innenministerium des Landes mit, dass in den vergangenen zehn Jahren bei der Polizei insgesamt zwölf Einsatzwaffen verschwunden sind. Davon sind eine Waffe mit dem Vermerk „Diebstahl“ und elf weitere mit dem Vermerk „Verlust“ gekennzeichnet. Dies bezieht sich auf sämtliche Waffen, also auch auf Maschinenpistolen.
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„Dabei handelt es sich ausschließlich um Waffen, die nicht wiedergefunden wurden“, berichtet eine Sprecherin des Innenministeriums. Kurzzeitige „Verluste“ ließen sich auf diese Weise nicht ermitteln, da der Hinweis „abhandengekommen“ wieder entfernt werde und die Waffe dann als „vorhanden“ geführt werde. Zu verschwundener Munition liegen keine zentralen Zahlen vor.
Seit Beginn des Digitalfunks bei der nordrhein-westfälischen Polizei im Dezember 2014 sind insgesamt 172 Funkgeräte verloren gegangen. Polizisten berichten, dass das bei Einsätzen schnell passieren könne. Eine missbräuchliche Benutzung schließt das Innenministerium allerdings aus, weil die Geräte gesperrt werden können. (be)