Im Bundesdurchschnitt gibt es 19 Hasen pro Quadratkilometer – Blühflächen sind für den Schutz der Tiere überlebenswichtig.
Experten bestätigenDen Feldhasen in Rhein-Erft geht es besser
Wer mit offenen Augen durch die Natur geht, sieht seit Wochen die Feldhasen auf den noch kahlen Äckern. Zu zweit, zu dritt und in größeren Gruppen flitzen sie über die Flächen, vollführen hohe Sprünge und verpassen einander deftige Ohrfeigen. Bei der Hasenhochzeit geht es ganz schön wild zu. Nachdem es jahrelang schlecht stand um die Tierart, die als Osterhase schon jedem Kleinkind vertraut ist, scheint es wieder aufwärts zu gehen. Oder täuscht der Eindruck?
Er täuscht nicht, bestätigen die Fachleute. Der Hasenbesatz, wie der Jäger sagt, hat sich erholt. Das ist nicht nur der Augenschein, sondern durch Zahlen belegt. Denn der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) lässt die Tiere zählen. In 400 Referenzgebieten bundesweit haben Jägerinnen und Jäger im Frühjahr des vergangenen Jahres mit Scheinwerfern auf festgelegten Strecken die Zahl der Tiere exakt aufgelistet. Herausgekommen ist der höchste Wert seit Beginn des Monitorings vor mehr als 20 Jahren: Im Bundesdurchschnitt leben 19 Hasen pro Quadratkilometer, drei mehr als im Jahr davor.
Wie viele es im Rhein-Erft-Kreis sind, lässt sich nicht genau sagen. Denn hier gibt es kein Revier, das an der Zählung teilnimmt. Doch Franz-Josef Kipshagen, Vorsitzender der Kreisjägerschaft, bestätigt den Aufwärtstrend. Der sei zum Teil dem Wetter gedankt: Der Hase als Steppenbewohner mag es trocken. Für die ersten Junghasen dieses Jahres sieht es damit vermutlich nicht gut aus, Kälte und Nässe können sie das Leben kosten. Doch Kipshagen bleibt gelassen: „Ein trockener, warmer Sommer gleicht das wieder aus.“
Rhein-Erft: Jäger halfen dabei, dass sich der Hasenbestand erholt
Schließlich gilt der Feldhase nicht umsonst als Symbol der Fruchtbarkeit. Drei- bis viermal im Jahr setzt die Häsin ein bis drei Junge, es können sogar bis zu sechs sein. Allerdings überlebt nicht einmal die Hälfte das erste Jahr. Neben dem Wetter bedrohen Beutegreifer, die Landwirtschaft und der Straßenverkehr die jungen Hüpfer.
Die Jäger hätten ihren Teil dazu beigetragen, dass sich der Bestand in den vergangenen Jahre erholt habe, sagt Kipshagen. Sie hätten wenig Hasen geschossen, aber verstärkt die Beutegreifer wie Fuchs und Marder bejagt. Und sie hätten geholfen, die Agrarlandschaft hasenfreundlicher zu gestalten: 500 Euro kann jeder Hegering von der Kreisjägerschaft bekommen, um Blühstreifen oder -flächen anzulegen.
Die sind das A und O, bestätigt Christian Chmela, Geschäftsführer der Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft. Er sieht im Feldhasen einen Indikator dafür, ob es genügend Strukturen in der Landschaft gibt. „Wo es dem Hasen gut geht, fühlen sich auch Rebhuhn, Fasan und Feldlerche wohl“, sagt er. Und führt als Beispiel die Flächen bei Pulheim-Geyen an, auf denen Feldhamster ausgewildert worden sind. Dort habe es im vergangenen Herbst auf knapp drei Quadratkilometern Fläche rund 300 Hasen gegeben.
In den Blühstreifen könnten sie sich vor ihren Fressfeinden verstecken und fänden gleichzeitig genügend und auch abwechslungsreiche Nahrung. Anders als Kaninchen bringen Hasen ihre Jungen nicht in Erdhöhlen zur Welt, sondern in flachen Mulden, Sasse genannt. Ohne Deckung seien vor allem die Junghasen leichte Beute für Greifvögel, Krähen, Füchse und Marder. Zur Prädatorenbejagung, also der Jagd auf die Beutegreifer, gebe es allerdings unterschiedliche Ansichten, sagt der Diplom-Biologe.
Experte über Zukunft der Feldhasen: Zahlen stagnieren
Dass der positive Trend beim Hasenbestand durch die vergangenen nasskalten Monate einen nachhaltigen Knick bekommen haben könnte, befürchtet Christian Chmela nicht. Die Tiere seien durchaus flexibel, nicht alle Weibchen verpaarten sich zur gleichen Zeit. Wer diesmal spät dran war, könnte also durchaus im Vorteil sein: „Es gibt da eine Streuung. Das ist eine gute Strategie.“
Gregor Eßer sieht die Zukunft des Feldhasen nicht ganz so rosig. Der Leiter der Forschungsstelle Rekultivierung sagt: „Bei uns sind die Zahlen auf einem guten, aber nicht auf einem sehr guten Niveau.“ Die Forschungsstelle betreut die Flächen, die nach dem Braunkohleabbau wieder nutzbar gemacht werden. Und kartiert dort die Hasen auf drei jeweils rund 150 Hektar großen Arealen, die noch unter ihrer Regie sind, und einer Vergleichsfläche, die bereits der Landwirtschaft zurückgegeben worden ist. Der Unterschied in den Zahlen macht Eßer Bauchschmerzen. „Bei uns haben wir 22 bis 35 Hasen pro Hektar, draußen sind acht bis zwölf.“
Statt auf die Bejagung der Fraßfeinde setzt die Forschungsstelle auf bessere Lebensräume. „Wir werden sicher keine Wiesenweihe oder Sumpfohreule schießen, um die Hasen zu schützen“, sagt Gregor Eßer. Im Gegenteil, er freue sich über die vielen Greifvögel.
Ein entscheidender Punkt für die Qualität des Biotops – nicht nur für den Hasen, der sei Leitart für viele andere Tiere bis hin zu Insekten – sei die Größe der einzelnen Felder, die bewirtschaftet würden. „Wir haben die Schläge verkleinert, mittlerweile auf unter acht Hektar“, außerdem gebe es viele ökologische Strukturen wie Blühstreifen oder Brachen, berichtet Eßer. Dennoch stagnierten die Zahlen. Vielleicht müsse man es mit noch kleineren Feldern probieren. Außerdem habe er beobachtet, dass es Waldrändern viele Hasen gebe. Gehölze böten noch mehr Schutz als die Blühstreifen. Es gebe viele Stellschrauben, an den man drehen könne, um die Artenvielfalt zu fördern. Man müsse es nur tun.