Immobilien in Rhein-ErftStart-Up verpasst Privathäusern ungefragt ein Preisschild
- Wir haben Immobilienexperten aus dem Kreis gefragt, was sie von dem Start-Up halten.
- Darum sehen Experten Scoperty so kritisch und auf diese Dinge müssen Immobilienbesitzer achten, wenn sie widersprechen wollen.
- Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Text aus unserem Archiv, der unsere Leserinnen und Leser besonders interessiert hat. Er wurde zum ersten Mal am 20. März 2021 veröffentlicht.
Rhein-Erft-Kreis – Wissen Sie eigentlich, wie viel Ihr Haus oder Ihre Wohnung wert ist? Oder wollten Sie schon immer mal wissen, was das Haus Ihres Nachbarn kostet? Das Immobilienportal Scoperty kann beim Beantworten dieser Fragen helfen. Für mehr als 35 Millionen Immobilien finden sich auf der Internetseite des Start-Ups Schätzwerte zu Immobilien. Auch aus dem Rhein-Erft-Kreis finden Nutzer dort Zehntausende Häuser und Wohnungen. Doch die Besitzer wurden nicht gefragt, ob das für sie in Ordnung ist.
Scoperty selbst bezeichnet sich auf seiner Internetseite in großen Lettern als „Vormarkt für Immobilien“. Seit November 2020 füttert das Start-Up mit den Daten von Marktforschungsinstituten wie der Infas 360 GmbH oder dem Immobilienbewerter Sprengnetter einen Algorithmus, der damit Schätzwerte für Millionen Wohnimmobilien in Deutschland angeben kann.
Laut Scoperty kann das für Käufer von Vorteil sein. Denn mit dem Wissen um das Preisniveau könnten sie in Verhandlungen mit einem Anbieter vielleicht noch etwas herausholen. Verkäufern wiederum könne das beim Erstellen eines Angebots helfen. „Bisher gibt es für diesen Teil des Marktes ja kaum Informationen”, sagt Geschäftsführer Michael Kasch. „Deshalb tun sich Kaufinteressenten und Verkäufer oft so schwer damit, einen fairen Preis für eine Immobilie zu finden.”
So ermittelt Scoperty die geschätzten Immobilienwerte
Doch wie setzt sich der Schätzwert zusammen? In die Bewertung fließen zum Beispiel vorherige Transaktionsdaten in der Gegend ein, ebenso Angebotspreise und Lageinformationen sowie Daten, die unter anderem von Katasterämtern stammen: beispielsweise die Adresse, geschätzte Wohn- und Grundstücksgröße, das Baujahr und der Objekttyp. Angezeigt werden die Schätzpreise dann auf einer Landkarte, für jede Straße, für jede Hausnummer.
„Ich habe selbst erst vor kurzem von Scoperty erfahren“, sagt Hans Jörg Depel, Pressesprecher des Mieterverein Köln, der auch für den Rhein-Erft-Kreis zuständig ist. „Da meine Frau irgendwann ein Haus erben wird, haben wir uns gefragt, wie viel die Immobilie wohl wert ist. Also haben wir einen Blick auf Scoperty geworfen und danach gesucht.“ Die Ermittlung des Preises hat laut Depel gut funktioniert. Doch schnell macht sich Ernüchterung breit. „Bei der Lage und dem Zustand des Hauses hätte ich persönlich gesagt, dass es mehr wert ist.“
Scoperty kann nicht in das Badezimmer eines Hauses schauen
Bei genauerer Betrachtung sei es nach Meinung des Immobilienexperten jedoch logisch, dass der Preis auf scoperty.de nicht dem realen Marktwert des Hauses entsprechen kann. „Ich glaube nicht, dass Scoperty anhand der ihnen vorliegenden Daten – ohne dass sie das Innere eines Hauses kennen – präzisere Angabe zu Immobilien machen kann. Sie sehen zum Beispiel nicht, in welchem Zustand das Badezimmer ist. Ist es aus den 50er-Jahren und seitdem nicht mehr renoviert worden oder hat es eine Hightech-Sauna?“ Diese Details erhöhen oder mindern den Wert einer Immobilie, betont der Sprecher des Kölner Mietervereins.
Um eine erste Einschätzung zu einer Immobilie zu bekommen, sei die Idee, die das Start-Up verfolgt, sehr hilfreich – der Rest sei jedoch „reine Spielerei“, betont Depel. Am Ende des Tages gehe es beim Immobilienkauf oder –verkauf oftmals um Hunderttausende Euro. Und da würde er dann doch lieber einen Experten dazu holen.
KSK-Experte: Die Idee ist interessant, hat aber einen Haken
Ähnlich sieht es auch Matthias Wirtz von der KSK-Immobilien, dem Makler der Kreissparkasse Köln. „Seit einigen Jahren ist unheimlich viel Druck im Immobilien-Markt. Viele versuchen, Datensätze zu Immobilienverkäufern zu bekommen“, erklärt der Immobilienexperte. Informationen über die Immobilienwerte seien für Hauseigentümer interessant und damit ein guter Anreiz.
„Die Idee einer vollständigen Datenbank für Immobilienwerte ist sehr interessant und wäre ein enormer Mehrwert – auch für die KSK-Immobilien. Aber unsere Erfahrung zeigt, dass die automatisierten Schätzwerte aktuell noch zu weit von der Realität entfernt sind. Sie bieten allenfalls eine erste Preisorientierung", macht Wirtz deutlich. Die KSK setzte daher weiterhin auf individuelle Bewertungen vor Ort durch ihre Beraterinnen und Berater.
Scoperty: So verdient das Start-Up Geld
Dass die Angaben auf Scoperty oftmals fernab der Realität liegen und große Preisspannen angegeben werden, weiß auch Gründer Michael Kasch. Wer beispielsweise in Hürth an der Krankenhausstraße nach Immobilien sucht, findet dort für einzelne Objekte Preisspannen von 679.000 bis 1.104.000 oder 151.000 bis 280.000 Euro. „Eigentümer können deshalb auch gezielt Daten für ihre Immobilie einstellen”, erklärt Kasch.
Anders als die KSK-Immobilien vermittelt das Start-Up die Immobilien aber nicht selbst, sondern verkauft die Kontaktdaten weiter. Wenn ein Interessent seine Immobilie über Scoperty verkaufen möchte, gibt das Unternehmen die Datensätze an Makler, die sich um den Verkauf des Hauses oder der Wohnung kümmern. Im Erfolgsfall wird Scoperty dann an der Provision beteiligt. Doch schon die Vermittlung an einen Makler kann Experten zufolge schnell über 1000 Euro einbringen.
Das sollte man bei einem Widerspruch beachten
Bleibt eine Frage: Was sagen Experten dazu, dass Scoperty quasi an jedes Haus ein Preisschild hängt? Schließlich bekommt jede der mehr als 35 Millionen Immobilien einen öffentlich einsehbaren Schätzwert – was die meisten der Eigentümer nicht einmal wissen.
„Damit habe ich meine Schwierigkeiten“, sagt Hans Jörg Depel vom Mieterverein Köln. „Es wurde nicht gefragt, ob wir überhaupt wollen, dass unsere Immobilie mit Preis bei Scoperty auftaucht. Das hat ein Geschmäckle.“
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Die Verbraucherzentrale Bergheim erkennt jedoch keine datenschutzrechtlichen Probleme. „Wer widersprechen und seine Daten entfernen lassen möchte, findet dazu direkt auf der Startseite Informationen“, sagt Andrea Schwahn, Leiterin der Beratungsstelle in Bergheim, und ergänzt: „Scoperty hat selbst keine Daten von den Verbrauchern. Das erkennt man auch daran, dass die Informationen zu Immobilien teilweise falsch sind.“ Die Verbraucherzentrale rät dennoch davon ab, die Daten zu berichtigen. Erst durch die Korrektur könne Scoperty realistischere Grundstückswerte berechnen.
Wer das Preisschild an seiner Immobilie entfernen lassen möchte, sollte beim Widerspruch jedoch unbedingt einen Zusatz hinzufügen. Dieser lautet: „Die durch diesen Widerspruch erlangten Daten dürfen lediglich zur Durchführung des Widerspruchs verarbeitet werden und sind nach Abschluss des Widerspruchsverfahren umgehend zu löschen.“ Ansonsten, so macht Schwahn deutlich, behalte Scoperty die Daten des Verbrauchers. (mit dpa)