„Wo soll das hinführen?“Holzmangel führt zu Preisexplosion und langen Lieferzeiten
Rhein-Erft-Kreis – „Das hat es noch nicht gegeben“, klagt Holzgroßhändler Wolfgang Baetz. Das Familienunternehmen vertreibt seit 66 Jahren den nachwachsenden Werkstoff und verwandte Produkte in Elsdorf und seit vielen Jahren auch im Paffendorfer Gewerbegebiet. Dass das Holz knapp würde, hätte er zu Jahresbeginn noch nicht gedacht. Jetzt schwinden die Vorräte und der Nachschub rollt nur spärlich nach.
„Zum Glück haben wir seit Jahren feste Lieferanten, bei denen wir oben auf der Liste stehen und die noch gut eingedeckt sind“, sagt Baetz. Dennoch sind besonders Bauhölzer und Spanplatten nicht mehr in allen Abmessungen lieferbar. Und wenn, sind die Preise seit Jahresbeginn oft um 100 Prozent gestiegen. Zudem würden Zulieferungen „in vier Monaten statt in vier Tagen“ avisiert.
„Wo soll das hinführen?“, fragt sein Neffe und Mitgeschäftsführer Boris Burkhardt ratlos. Ohnehin habe sich das Geschäft zu 90 Prozent ins Internet verlagert. „Aber wenn wir bald verschiedene Brot-und-Butter-Artikel nicht mehr liefern können, wird auch das nachlassen“, fürchtet er.
Darum wird Holz immer knapper im Rhein-Erft-Kreis
Beim Spaziergang durch Forstgebiete sieht man große kahlgerodete Flächen und riesige Stapel an abgelängten Stämmen, die auf den Abtransport warten. Das sieht nicht nach Mangel aus. Die Gründe für die Verknappung aber sind vielfältig. Die Sägewerke liefern viel nach China, wo die (Bau-)Wirtschaft stark anzieht und die Preise hoch sind. Und in die USA, wo der harte Winter den Holzmarkt erheblich behindert hat. Zudem könne, sagt Baetz, vom Borkenkäfer befallenes Holz im Inland kaum abgesetzt werden, und unversehrtes sei knapp. Ein weiterer Grund: In der Pandemie wird das traute Heim renoviert wie nie, statt in Urlaub zu reisen.
Das trägt auch zu reduziertem Verbrauch an Benzin, Diesel und Flugbenzin bei. Dadurch fallen Abfallprodukte der Raffinerien weg, aus denen Kunststoffprodukte hergestellt werden. Es fehlt also auch an Dämmmaterial und Abwasserrohren sowie an Leim für Holzbinderbalken. „Da wird nochmal klar, wie alles zusammenhängt“, sagt Baetz. Kunden, die durchweg Verständnis äußerten, seien gewohnt, „alles immer zu bekommen“. Dass dieser Zustand in diesem Jahr wieder erreicht wird, sieht Baetz nicht.
„Einige Spanplatten bekommen wir erst nächstes Jahr wieder“
Die Entwicklung der Preise und Lieferengpässe seien Hauptsorgen des Baugewerbes und der Industrie in der Region, sagt Thorsten Zimmermann, Leiter der IHK-Kreisgeschäftsstelle in Bergheim. „Dies umfasst Rohstoffe, Vorprodukte und Bauteile. Anzeichen für eine Entspannung gibt es aktuell nicht.“ Damit seien gerade Wirtschaftsbereiche betroffen, die die Konjunktur in der Corona-Krise gestützt hätten.
„Einige OSB-Spanplatten bekommen wir laut Lieferant erst nächstes Jahr wieder“, sagt auch Harald Spohr, Geschäftsführer des Elsdorfer Großhändlers Mathar & Wetzel. „Dass die Großsäger ins Ausland verkaufen, ist eben Marktwirtschaft.“ Auch er glaubt nicht an Besserung noch in diesem Jahr. „Wir hoffen und beten, aber ich fürchte, dass es eher schlimmer wird.“ Schon jetzt fragten Stammkunden nicht „Was kostet das?“, sondern „Was hast du auf Lager?“.
Fassade in Elsdorf konnte nicht pünktlich erstellt werden
Spohr befürchtet für die Bauwirtschaft mittelfristig Kurzarbeit. Schließlich behindert ein ausfallendes Gewerk, zum Beispiel der Dachdecker, die weiteren Arbeiten. Erst kürzlich musste die Stadt Elsdorf hinnehmen, dass die Fassade eines Schultrakt-Neubaus mangels Materials nicht pünktlich erstellt werden kann, und ein Kita-Anbau aus Holz um 33 Prozent teurer wird.
Achim Leirich, Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft GWG Rhein-Erft, rechnet vor, wie die gestiegenen Materialkosten die Baupreise in die Höhe treiben. „60 Prozent bei der Errichtung eines Gebäudes sind Materialkosten. Wenn die Hälfte des Materials um die Hälfte teurer wird, erhöht das die Baukosten um 15 Prozent“, sagt er. „Das ist eine Menge.“ Er fürchte, dass weniger gebaut werde. „Ich glaube, dass das diesmal keine Eintagsfliege ist.“
Tischler aus Elsdorf befürchtet Probleme bis 2022
Noch nicht ganz so angespannt ist die Situation beim Tischler. Meister Michael Spohr aus Elsdorf-Heppendorf beschäftigt sechs Handwerker. Seit der Betriebsgründung vor 25 Jahren habe er „sowas noch nicht erlebt“. Einige Hölzer, die er zu individuellen Möbelstücken verarbeite, seien noch lieferbar, wenn auch zeitverzögert.
Probleme gebe es dagegen etwa bei der trendigen Eiche, bei Buche und Fichte, einfachen Platten, bei Möbelbeschlägen „und natürlich beim Preis, der wöchentlich steigt“. Angebote könne er nur vorbehaltlich der Tagespreise abgeben. In seiner Branche begännen die Probleme gerade erst, „und ich fürchte, sie werden weiter zunehmen bis ins nächste Jahr. Holz ist, da. Warum es nicht im Handel ankommt, kann ich nicht nachvollziehen.“
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Der in Berlin ansässige Gesamtverband Deutscher Holzhandel hat derweil an die großen Lieferanten appelliert, „den heimischen Markt nachhaltig zu beliefern und die gute Holzbaukonjunktur nicht abzuwürgen“. Von der Politik fordert er „auskömmliche Preise für die Forstwirtschaft ebenso wie die Unterstützung der Waldbesitzer nach drei Dürrejahren mit einem erheblichen Anfall an Kalamitätsholz. Der Handel werde „alles daran setzen, den Markt möglichst schnell wieder mit den erforderlichen Mengen zu versorgen“, teilt der Verband mit.