Manche Kinder mit Förderbedarf müssen wochenlang zu Hause bleiben, weil ihre Eltern keinen Schulbegleiter finden.
Inklusion an SchulenIm Rhein-Erft-Kreis fehlen Begleiter für Kinder mit Behinderung
Damit Kinder mit Behinderung oder Förderbedarf möglichst die Regelschule besuchen können, wird vor allem auf Schulbegleiter gesetzt. Auch in Förderschulen sind Integrationshelfer im Einsatz. Diese Maßnahme ist einzelfallorientiert und muss für jedes Kind individuell beantragt werden. „Das macht die Eltern zu Einzelkämpfern“, sagt Magdalena Pryydun, die vor einigen Jahren in Brühl eine kreisweite Selbsthilfegruppe für Mütter und Väter von autistischen Kindern initiierte.
„Verzweifelte Eltern“ aus ihrem Kreis berichteten davon, dass Kinder zum Teil wochenlang nicht zur Schule gehen könnten, weil eine explizite Unterstützung im Klassenzimmer fehle und sie keinen Schulbegleiter finden könnten. Denn in der Praxis stellt die Suche nach einer solchen Begleitung die Eltern oft vor große Herausforderungen.
Bei den Trägern der Integrationshilfe fehlt es an Personal
Diese Assistenzkräfte kommen nicht von den Schulen selbst, sondern von freien Trägern. Die Erziehungsberechtigten müssen Anträge dafür bei den Jugend- und Sozialämter stellen. Überall fehlt es aber an qualifiziertem Personal. Und es gibt keine einheitlichen Regeln für die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Integrationshelfern.
Für das Schuljahr 2023/2024 wurden vom Kreis als Eingliederungshilfeleistung 409 Bewilligungen für Schulbegleitungen ausgesprochen. Im Schuljahr zuvor waren es 288. Die Beeinträchtigung muss durch ein Gutachten eines Fach- beziehungsweise Amtsarztes belegt werden.
Kreis und Jugendämter erfassen nicht, ob ein Schulbegleiter gefunden wurde
Bei wesentlicher geistiger, körperlicher oder Mehrfachbehinderung ist der Kreis als Träger der Eingliederungshilfe während der Schulzeit zuständig. Dabei erfasst er aber nicht, ob der bewilligte Anspruch wirklich genutzt wird. Aus Gründen der Neutralität überlässt er es den Eltern, sich um eine Integrationshilfe zu bemühen. Steigende Antragszahlen verzeichnen auch die Jugendämter. Sie müssen den Schulbegleiter bezahlen, wenn ein Kind unter einer seelischen Behinderung leidet oder ihm diese droht.
Hauptursache für die Hängepartien vieler Eltern ist jedoch ein Mangel an Integrationshelfern. Dienste suchen händeringend Personal. „Der Markt an Schulbegleiterinnen und Schulbegleitern scheint ziemlich leer gefegt“, bestätigt Anita van Dijk vom Kinderschutzbund Kerpen, der rund 90 Assistenzkräfte im Einsatz hat. „Kamen vor Corona vielleicht vier Bewerbungen pro Woche bei uns an, bekommen wir heute geschätzt fünf Bewerbungen pro Monat“, berichtet sie.
Schulbegleiter betreuen zum Teil gleich mehrere Schüler
Der Bedarf sei aber weitaus höher und wachse. Inzwischen werde auf Pool-Lösungen zurückgegriffen, das heißt, ein Schulbegleiter betreut zwei Kinder. Es gebe für schulabstinente Jugendliche in einigen Fällen unter anderem auch die Flex-Fernschule als ein Angebot der Jugendhilfe, so van Dijk. Diese Einrichtung in Köln bereitet Jugendliche, die aus verschiedenen Gründen keine Regelschule besuchen können, auf die Schulfremdenprüfung zum Haupt- und Realschulabschluss vor.
Dass pädagogische Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt Mangelware seien, merkt auch Ralf Moormann von der Lebenshilfe Brühl-Erftstadt-Wesseling, die Assistenzkräfte in Kitas, Regelschulen und Förderschulen stellen und „die das mit viel Hingabe machen“, sagt der Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH. „Aber auch wir können längst nicht alle Anfragen bedienen.“
Er weiß, dass sich Menschen, die gern in diesem Bereich arbeiten würden, eine Vollzeitstelle wünschten, die aber hier nicht so einfach anzubieten sei. Für bestimmte Einzelfallhilfen brauche es auch entsprechende Qualifikationen. Da Schulbegleiter kein geschützter Beruf ist, gibt es unter ihnen zahlreiche ohne pädagogische Ausbildung, bestätigen auch weitere Anbieter.
Sozialverbände kritisieren, dass Helfer unterschiedlich bezahlt werden und mancherorts nicht viel mehr als den Mindestlohn verdienen. Nicht selten werfen Schulbegleiter das Handtuch. Als Lösung fordern Lehrerverbände und Sozialverbände mehr Sonderpädagogen, eine bessere Qualifizierung, eine angemessene Bezahlung von Integrationshelfern sowie einheitliche Vergütungssätze.