Vielerorts ging im Berufsverkehr nichts mehr. Landwirte protestierten gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung.
Verständnis für BlockadenSo lief der Bauern-Protest in Rhein-Erft
Es war gegen 7.30 Uhr, als am Montagmorgen die ersten Traktoren auf der Siebengebirgsstraße in Wesseling vorfuhren und in Position gingen. Um ihren Protest über die Pläne der Ampelregierung deutlich zu machen, hatten sie auf der Siebengebirgsstraße die Autobahnzufahrten zur A555 in den Fahrtrichtungen Köln und Bonn blockiert.
Gleiches spielte sich zur gleichen Zeit auf der Roisdorfer Straße an den Autobahnzubringern zur A555 in Bornheim-Hersel ab. Insgesamt sprach Landwirt Norbert Pesch von etwa 60 Traktoren, die zwischen 7.30 Uhr und 11 Uhr und am Nachmittag zwischen 15 und 18 Uhr in Wesseling und in Bornheim die Zufahrten zur A555 lahmlegen. Die Blockade der Zufahrten hätte ihnen die Polizei erlaubt, nicht jedoch eine Blockade der Autobahnausfahrten.
Bauernprotest in Rhein-Erft war am Montag friedlich
Und es war ein friedlicher Protest – an ihren Traktoren hatten die Landwirte Plakate angebracht, auf denen zum Beispiel stand: „Die Ampelpolitik bricht allen das Genick“, „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“ und „Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert“.
Laut Polizei kam es weder dort noch an anderen Stellen im Rhein-Erft-Kreis zu Zwischenfällen. Wie erwartet gab es Verkehrsbehinderungen an den Sammelpunkten und auf den Strecken, die die Landwirte mit ihren Traktoren auf dem Weg zu einer zentralen Kundgebung in Köln befuhren.
Ein Sterben landwirtschaftlicher Betriebe befürchtet Peter Muß, stellvertretender Geschäftsführer des Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern: „Die Mehrkosten der vergangenen Jahre für Personal, Beispiel Mindestlohn, aber auch für Energie und Betriebsmittel schnüren den Landwirten ja jetzt schon den Hals ab.“ Die geplanten Streichungen der Dieselsubventionen gingen ihnen 1:1 vom Gewinn ab. „Die Luft für die Landwirtschaft auch hier in der Region wird immer dünner“, sagt er.
Und je mehr Betriebe diese Zeiten nicht überstehen, desto mehr müssten Lebensmittel aus aller Welt nach Deutschland importiert werden. „Dann macht sich das Land wieder abhängig“, merkte er an.
Muß wies aber auch noch auf einen weiteren Knackpunkt aus seiner Sicht hin: „Gerade Biobauern trifft die Streichung der Dieselsubventionen besonders hart“, erklärte er. Denn anders als bei der herkömmlichen Landwirtschaft müssten die Biobauern je nach Witterung viele Male über ihre Felder fahren, um beispielsweise im Frühjahr den unerwünschten Wildwuchs aus ihren Feldern zu striegeln.
Im Rhein-Erft-Kreis überwiegt laut Muß der Ackerbau, also der Anbau von Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln. Das bestätigte auch Kreislandwirt Willy Winkelhag. Seinem Kenntnisstand zufolge seien es 2023 insgesamt knapp 15000 Hektar Fläche gewesen, die im Rhein-Erft-Kreis alleine für den Anbau von Getreide genutzt wurden.
Offenbar stehen die meisten Verkehrsteilnehmer hinter den Protesten
Insgesamt seien im vergangenen Jahr 34.650 Hektar als Ackerfläche, weitere 535 Hektar als Daueranbaufläche wie etwa Erdbeeren und Spargel und 1.925 Hektar als Grünland wie etwa Weiden und Wiesen landwirtschaftlich genutzt worden.
Dass auch die meisten Autofahrer hinter ihrer Landwirtschaft stehen, zeigte sich bei der Demo in Wesseling und in anderen Teilen des Rhein-Erft-Kreises. Einige signalisierten den Landwirten mit hochgezogenem Daumen ihre Zustimmung, andere ließen kurz zwei-, dreimal ihr Fernlicht aufblinken oder hupten, und dies keineswegs aggressiv.
Landwirte protestieren gegen die Pläne der Ampelregierung
Mit der Aktion wollen die Landwirte deutlich machen, dass sie mit den Plänen der Ampelregierung keineswegs einverstanden sind und die geplanten Steuererhöhungen für die Landwirtschaft nicht hinnehmen werden. „Wir würden uns wünschen, dass die Bundesregierung einlenkt und endlich der Landwirtschaft gegenüber Wertschätzung entgegenbringt“, so Muß. Das nämlich tue sie seit ihrem Regierungsantritt nicht.
Der Protestaktion in Wesseling hatten sich zudem Speditionen angeschlossen und Gastronomen, die gegen die Rückkehr der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent in ihrer Branche protestierten.
In Hürth kommen zwischen 500 und 600 Landwirte mit Traktoren zusammen
In Hürth und Umgebung war die Resonanz auf den Protestaufruf derart groß, dass der der Aufstellplatz im Bereich des Feldwegs Am Konraderhof an der Stadtgrenze zu Köln kaum ausreichte. Zwischen 500 und 600 Traktoren, Zugmaschinen und Lastwagen schätzte Organisator Philipp Haas, Inhaber eines Dienstleistungsbetriebs für die Land- und Forstwirtschaft in Fischenich, waren im Morgengrauen angerollt.
Die mit Transparenten behängten Trecker mussten auch auf einem angrenzenden Acker für den Start aufgereiht werden. Um kurz nach 9 Uhr hatten sich weitere 450 Landwirte aus Düren angekündigt, die sich in Hürth dem Protestzug am benachbarten Autobahnanschluss Eifeltor vorbei in die Kölner Innenstadt anschließen wollten.
Den Landwirten ging es nicht nur um die Steuer auf Agrar-Diesel und landwirtschaftliche Fahrzeuge. „Wir werden seit Jahren von der Politik gegängelt“, ärgerte sich ein Bauer. „Die Steuer auf den Diesel bringt das Fass jetzt zum Überlaufen.“ Ein anderer Teilnehmer erklärte, die Bauern gingen nur voran, der Protest treffe aber den Nerv der Bevölkerung.
Initiator Haas und sein Team aus 30 Ordnern hatten alle Hände voll zu tun, um den Treckerkorso in geordnete Bahnen zu lenken. So mussten einige Sattelschlepper eine Ehrenrunde drehen, ihre Auflieger abkoppeln und sich hinten wieder anschließen. Denn die Gespanne hätten sonst zu viele Platz weg im Zug und das geschlossene Bild der Traktoren aufgebrochen. Außerdem kämen Lastzüge an manchen Stellen in Köln nicht um die Kurve, wie ein Polizeibeamter feststellte.
Die Stimmung bezeichnete Haas als entspannt. „Wir müssen auch nicht groß Krach schlagen, allein die Masse macht doch schon Eindruck“, so Haas. Dem Protestzug der Landwirte schlossen sich auch Handwerker und Spediteure an.
Um 6 Uhr stand auch der Bedburger Bürgermeister Sascha Solbach an den Belmener Höfen im hohen Norden des Rhein-Erft-Kreises, wo sich die Bauern aus dem nördlichen Kreisgebiet zu ihrem Protestzug versammelt hatten, vor den Treckern. „Ich hatte erst gezögert, als ich von der Aktion der Umsturzfantasten (gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck, d.Red.) gehört hatte, aber ich kenne viele junge Landwirte aus Bedburg und wollte mich vergewissern, dass diese Veranstaltung nicht von Rechts unterwandert wird.“
Von Unterwanderung sei dann auch keine Rede gewesen, sagte Solbach im Gespräch mit dieser Zeitung. Er sei dann noch bis Kerpen mit einem der Organisatoren, Florian Lemm, mitgefahren, nicht umzu demonstrieren, sondern um zu sehen, „dass nichts schiefläuft und um mit Florian Lemm zu reden“.
In dem langen Gespräch erfuh Solbach, dass die Beständigkeit der Subventionen gerade für kleinere Unternehmen „unglaublich wichtig“ seien. Viele seien angesichts der schwankenden Marktlage in den letzten turbulenten Jahren schon sehr verunsichert und fühlten angesichts sinkender staatlicher Zuschüsse nun den wirtschaftlichen Druck noch mehr steigen, erfuhr der Bürgermeister.
„Trotzdem ist der Zug in einer sehr entspannten Atmosphäre abgelaufen“, so Solbach: „Alle Plakate waren sehr moderat. Die Demonstration, wie immer man inhaltlich zu ihr stehen mag, war sehr friedlich.“
Auf seinem Weg durch die Dörfer erfuhr der Bauerntross jedoch, dass in Mönchengladbach von Demonstranten Misthaufen angezündet worden seien: „Die Landwirte aus Bedburg haben das sehr kritisch aufgenommen.“ Achtsamkeit gegenüber solchen Aktionen scheint geboten, denn es gebe eben auch unter den Protestierenden „einige Idioten, die sie nicht in den Griff kriegen würden“, fasste Solbach die Stimmung unter den Bauern zusammen.